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Poe-Toaster-Tag(1.19)

时间:2017-03-15来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
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1949: Eine komplett in schwarz gewandete Gestalt betritt die Westminster Hall in Baltimore. Jedes Jahr kommt sie für 60 Jahre lang zum Grab des berühmten Schriftstellers Edgar Allen Poe. Autorin: Justina Schreiber
Ach, wenn Edgar Allen Poe doch noch leben würde! Kein anderer beherrschte die Kunst der "ratiocination", der logisch-analytischen Aufklärung eines Geheimnisses so gut wie er. Ausgenommen selbstverständlich seine berühmte literarische Figur, der Prototyp aller fiktiven Amateurdetektive: Monsieur Dupin. Wenn die Polizei mal wieder nicht weiterwusste, fand Dupin des Rätsels Lösung, weil er sich mit imaginativem Feingefühl in des Täters Seele hineinversetzte. Der amerikanische Schriftsteller Edgar Allen Poe verstand sich meisterhaft auf den Kniff, offenkundig Gruseliges mit scheinbar natürlichen Gesetzmäßigkeiten zu erklären. Da sieht einer durch ein Fenster, wie sich ein geflügeltes Ungeheuer den Berg herabwälzt. Aber es handelt sich nur um eine optische Täuschung: ein kleiner Totenkopffalter klettert vor der Scheibe an einem Spinnenfaden empor.
 
Der Unbekannte
Wenn Poe noch leben würde! Dann fände er sicher eine ganz simple Deutung für die vermummte Gestalt, die von 1949 bis 2009 jeden 19. Januar auf dem Friedhof der Westminster-Kirche in Baltimore erschien, um an seinem, also Poes Grabmal, ein Glas Cognac zu erheben und drei Rosen zu hinterlassen. Könnte nicht die Tatsache, dass der sogenannte Poe-Toaster den Geburtstag des Dichters am 19. Januar 1809 zum Anlass für sein schrulliges Gedenken nahm, einen Hinweis liefern? Ob es Poe vielleicht selbst war, der sich hier, trauervoll schwarz gewandet, einen grotesken Scherz erlaubte? Denn überlebte nicht der eine oder andere Scheintote - wie er klar dargelegt hatte -, weil er sich im Grab etwa vom Öl vergessener Lämpchen ernährte? Aber wenn man wiederum bedenkt, dass der Fabulierkünstler bereits 1849 mit 40 Jahren offiziell verstarb, hätte er hundert Jahre unter der Erde ausharren müssen, bis er als Poe-Toaster zum ersten Mal auftrat. Und er wäre dann erst 2009, mit dem Verschwinden des Poe-Toasters, als 200-jähriger Greis endgültig verstorben.
 
Ein Untoter?
Wahrscheinlicher wirkt, dass irgendjemand den Toten am 19. Januar 1949 mit galvanischen Stromstößen wieder zum Leben erweckt hatte; das Verfahren wendeten Wissenschaftler - laut Poe -schließlich bereits mit Erfolg bei einer ägyptischen Mumie an. Wobei unklar bleibt, wohin Poe beziehungsweise der Poe-Toaster nach seinem alljährlichen Gruß dann jedes Mal für die kommenden 364 oder 365 Tage entschwand. Wanderte er zurück ins Grab oder schnurstracks in die warme Küche des Vorsitzenden der örtlichen Edgar-Allen-Poe-Society?
 
Insofern gibt es eigentlich nur eine Lösung. Nämlich, dass der Geist des toten Dichters 60 Jahre lang an seinem Geburtstag in seinen glühendsten Verehrer fuhr, bis dieser das Zeitliche segnete. Und was es mit dem Cognac auf sich hatte? Nun, ein Faß Amontillado" wäre zwar passender gewesen. Aber es ging ja jetzt nicht mehr darum, - wie in der gleichnamigen Horrorgeschichte - aus Rachsucht einen untreuen Freund in ein tödliches Verließ zu locken. Im Gegenteil. Es galt, einem Autor die Ehre zu erweisen, dessen trockene Landsleute in seinen Texten lange nur die Produkte eines halluzinierenden Säufers gesehen hatten. Damit lagen sie wohl ziemlich falsch. Denn möglicherweise ging Poe nicht an Trunksucht, sondern etwa an Diabetes zu Grunde. Wer sich mit ihm beschäftigt, muss eben - bei aller "ratiocination" - gewisse Unstimmigkeiten ertragen können. So einfach ist das. In diesem Sinne: Prost, Edgar! 
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