Deutsche Schlager, in der Hitparade, Samstag abends, 32 Jahre lang…Wer da auftrat, der hatte es geschafft, wer nicht, eher nicht… Autorin: Anja Mösing
Ein Rie-sen-ding wär das gewesen! Ein Riesending! Mitten zwischen den Zuschauern hätt ich gesessen, wie alle Interpreten. Neben mich hätte der Regisseur extra zwei besonders attraktive junge Damen aus dem Publikum gesetzt. Mit hochtoupierten Haaren und sanften Augen. Für die Kameras, damit wir "ein schönes Bild" abgeben. Wurde in der Generalprobe geübt. Alles! Auch ob Dir jetzt ein Fan Blumen überreicht oder so.
Vollgas beim Sprechen
Hat er mir erzählt, also der Dieter. Warn ja alte Kollegen. Ham noch zusammen Borgwards verhökert, Anfang der Sechziger. Wir zwei, im selben Laden. Aber der Dieter: immer eine Karre mehr verkloppt als ich. Was der quatschen konnte!
Auch im Fernsehen und immer auf die Sende-Sekunde pünktlich. Die Uhr im Blick! Und immer Vollgas beim Sprechen. Mitten rein in den Schlussapplaus. Auch bei der Startnummer vor mir, vielleicht wär‘s der Jürgen Markus gewesen, oder die Daliah Lavi? Auf jeden Fall noch mitten rein in deren Applaus hätte der Dieter gerufen:
"Und hier ist er! Zum ersten Mal dabei! Aus dem schönen Ulm! Unsere Neuvorstellung mit der Startnummer vier: Klaus Colla. Colla vorn mit großem C und hinten mit einem kleinen A. Meine Damen und Herren! Ein Name, den Sie sich merken sollten!"
Die Zuschauer im Studio hätten schon wie wild geklatscht. Und da wieder mitten rein, hätte der Reiner…das war ja der Mann an den Tonbandmaschinen, wie im silbernen Cockpit von Raumschiff Enterprise saß der da. Konnte jeder zuhause am Fernsehgerät sehen, wie der die Tonbänder abfuhr. Dufte war das!...Also der Reiner hätte das Playback-Band von meinem Song abgefahren, nur mit dem Orchester drauf, Ehrensache. Und über den Applaus im Studio und den Vorspann von meinem Song hätte der Dieter mit dem gestreckten Arm in die Kamera gezeigt und gerufen:
"Für Sie, meine Damen und Herren! Mit der Startnummer Vier: Klaus Colla! [leiser] und sein vielsagender Titel: "Engel gibt es nur im Himmel" [wieder laut] Bitteschön!"
Wie eine von Dieter Thomas Heck persönlich gezündete Weltraumrakete beim Start hätt ich mich gefühlt: Dieses Tempo! Der Applaus! Das Licht im Studio wäre abgedunkelt worden. Nur auf mich hätte ein Scheinwerfer gestrahlt. Wie bei einer irren Trapeznummer im Zirkus. Ich wär‘ aufgestanden und hätte es gesungen, mein Lied!
So viel Sehnsucht hatte das! Wär ein Volltreffer geworden. Beim Refrain hätte das Publikum im Studio mitgeklatscht und dabei meinen hellbraunen Samtanzug bewundert.
Eine Institution
Klamotten! Gleich für die erste Sendung, weiß ich noch wie heute, die lief am 18. Januar 1969, da hat sich der Dieter extra seinen Dreiteiler angezogen. Mit Hemd und Krawatte! Er sowieso: immer im Anzug. Und die Interpreten? Wer in der ZDF-Hitparade auftreten wollte, konnte nicht im Gammel-Look kommen. Da war jeder anständig angezogen. Auch keine dicken Uhren oder Brillant-Colliers. ZDF-Hitparade, die war ne Institution. Bis in die Achtzigerjahre rein! Wer deutscher Schlagerstar werden wollte musste dahin.