Eine Kultserie! In gediegenem Schwarzweiß ermittelte der Kommissar 97 Folgen lang in München und Umgebung. Autor: Thomas Grasberger
Wer sich richtig unbeliebt machen will - das wusste schon der kluge Kurt Tucholsky – der beleidige keine Einzelpersonen, sondern am besten gleich einen ganzen Stand. Denn nichts, so der Berliner Journalist und Schriftsteller, nichts ist so groß wie die Gruppeneitelkeit.
DER Kommissar
Na gut, dann probieren wir´s halt mal. Vielleicht mit dem Satz: Kriminalkommissare sind Langeweiler! Aber halt, stopp! Gemeint sind hier natürlich nicht die echten Kriminalkommissare aus dem wahren Leben, sondern nur die aus den Fernsehkrimis und aus den Romanen. Also all die fiktiven Fahnder, von Sherlock Holmes bis Horst Schimanski, von Philip Marlowe bis Max Ballauf - alles Langeweiler! Bis auf einen: Den wahrhaft ersten und einzigen, der diesen Titel ganz offiziell und auch völlig zu Recht trägt, nämlich: Der Kommissar! Genauer gesagt: Unser Kommissar Keller - alias Erik Ode. 97 Folgen lang hatte der die Titelrolle, immer freitags, und immer in Schwarz-Weiß. Obwohl der Farbfilm längst erfunden war.
Zum allerersten Mal durfte das geneigte Fernsehpublikum diesen Kommissar Keller übrigens am 3. Januar 1969 im ZDF bewundern. "Toter Herr im Regen" hieß die Folge, in der ein skrupelloser Geschäftsmann ermordet im Rinnstein zu liegen kommt. Kommissar Keller verwickelt den verdächtigen Stiefsohn in lange, lange Gesprächen. Ach, was für ein Psychologe, unser Keller! Dieser kleine, gewiefte, Briefmarken sammelnde Kommissar mit der Stirnglatze! Der stets korrekt in Anzug und Krawatte und mit gutem Schuhwerk am Tatort auftaucht. Außer wenn es mal ganz stark regnet. Dann zieht ihm seine fürsorgliche Gattin vorher die Galoschen über. Oder wenn er mal erkältet ist, unser Kriminaler. Wie in Folge zwei, "Das Messer im Geldschrank". Dann ermittelt er - stets liebevoll gepflegt von seiner Frau Franziska - auch mal im Pyjama, vom Krankenbett aus.
Böse reiche Grünwalder und soziale Brennpunkte Münchens
Na, kein Wunder, dass er krank geworden ist - wenn man bedenkt, wie ungesund die Leute seinerzeit gelebt haben. Was haben die damals noch geraucht und gesoffen im Fernsehen, am helllichten Freitagabend. Allen voran unser Kommissar! Aber die Inspektoren-Kollegen Grabert und Heines waren keinen Schluck besser. Bier, Whisky, Cognac, Rotwein, Weißwein, Sekt - und dauernd glimmten die Stängel. Nur Kriminalassistentin Helga Lauer und Vorzimmerdame Rehbein waren rühmliche Ausnahmen. Frau wusste damals halt noch, was sich gehört. Zumindest wenn sie sich nicht in den sozialen Brennpunkten jener Tage herumtrieb - in den Beatschuppen und den Drogenhöhlen der Hippies. Wo unser Kommissar besonders gerne ermittelte. Das heißt, wenn er nicht gerade in München-Grünwald unterwegs war, wo die bösen, bösen Reichen lebten und sich gegenseitig nach dem Leben trachteten. Aber unbeliebt hat sich unser Kommissar Keller mit solchen Pauschalisierungen nicht gemacht. Im Gegenteil. Nur zweimal gab´s wirklich Beschwerden. Nach Folge 82, in der ein Weingrossist behauptete, der Rotkreuzplatz in München sei keine gute Gegend für ein französisches Restaurant. Woraufhin sich ein Gastwirt beklagte. Und nach Folge 83. Da war der Täter ein Angehöriger der türkischen Botschaft in Wien und türkische Flüchtlinge erschienen in Lumpen gekleidet. Darüber beschwerten sich dann türkische Bürger. Und natürlich auch die Botschaft. Nun ja, Kurt Tucholsky hatte wieder einmal recht behalten.