Nur Comedy oder doch Satire? Rudis Tagesshow war schuld, dass der Iran 1987 das Goethe-Institut in Teheran schließen lies, und die Flüge nach Deutschland gestrichen wurden. Autor: Martin Trauner
Was darf Satire? Eine große Frage braucht eine große Antwort: Es ist der Kampf des Künstlers gegen die Obrigkeit. Beißend, ätzend und entlarvend muss sie sein, die Satire. Die Mächtigen sollen durch das scharfe Schwert des Humors und durch die Lanze des Spotts der Lächerlichkeit preisgegeben werden oder noch besser: sie selbst sollen sich von ihren errichteten Sockeln stoßen. Sprachgewalt gegen Staatsgewalt! - Satire darf alles! - Im Prinzip.
Satire - ein Gemengsel
Rudi Carrell, der holländische Showmaster mit dem Nuschelfaktor, geht die Sache etwas kleiner an, als er am 12. Oktober 1981 dem deutschen Fernsehpublikum erstmals "Rudis Tagesshow" präsentiert. Für Carrell bedeutet Satire erstmal: Lustig, unterhaltsam und bunt soll sein neues Format sein. Ganz im Sinn der ursprünglichen Bedeutung des Wortes. Kommt doch Satire vom lateinischen Wort "satura" und heißt übersetzt nichts anderes als: "Allerlei" oder "Gemengsel".
Eigentlich hatte sich Rudi Carrell ja schon vom Fernsehen verabschiedet. Nie mehr wolle er zurück auf die Bildschirme, die große Samstagabendshow sei tot, hatte er nach dem Ende von "Am laufenden Band" verkündet. Zwei Jahre hatte er sich nach Südfrankreich zurückgezogen und nichts getan, außer: in die Röhre, sprich: Fernsehen geschaut. Auf BBC sieht er "Not the Nine o'Clock News" - "Nicht die 9 Uhr Nachrichten". Junge britische Komiker veräppeln und parodieren die seriösen BBC-Nachrichten. Das, so glaubt Carrell, müsste dem deutschen Publikum doch auch zuzumuten sein. Nur weniger skurril und respektlos soll es hierzulande zugehen und man dürfe keinesfalls - die goldene Regel der massentauglichen Unterhaltung - das Humortabu Religion verletzen.
Das Feuilleton rümpft dann doch arg verächtlich die Nase nach der ersten Sendung. Harmlos und wenig subtil seien die neu synchronisierten Nachrichtenschnipsel, die Parodien und die Sketche, für die Carrell die Schauspieler Diether Krebs, Beatrice Richter und Klaus Havenstein engagiert hat. Beim deutschen TV-Publikum dagegen wird "Rudis Tagesshow" zum großen Erfolg. Sechs Jahre lang zeigt Rudi Carrell aktuelle Meldungen und seine eigenwilligen Interpretationen, wie es dazu wohl gekommen sein mag.
Rudi versus Ajatollah
Mit seiner Tagesshow wird er zum Vorreiter für viele Nachfolgeformate. Und unfreiwillig schreibt er Fernsehgeschichte. Mit einem kurzen Sketch über Ajatollah Chomeini: Carrell zeigt, wie - seiner Meinung nach - der 8. Jahrestag der islamischen Revolution im Iran gefeiert wird: Dem Staatspräsidenten, der zugleich der Religionsführer ist, wird von einer jubelnden Menschenmenge Damenunterwäsche zugeworfen. Doch hier bricht Rudi Carrell das eherne Prinzip der Unterhaltung: Keine Witze über Religion! Und löst damit eine veritable Staatskrise zwischen Deutschland und dem Iran aus. Eine Konflikt, der im Rückblick durchaus satirische Züge in sich trägt. Auch darin war Rudi Carrell mit seiner Tagesshow im Prinzip Vorreiter.