Auch Fotografieren war einst eine gefährliche Angelegenheit: viele Daguerreotypisten starben früh, da in Daguerres Verfahren u.a. Quecksilber und Zyankali verwendet wurden. Autor: Hellmuth Nordwig
Gotteslästerung sei das! Schon der Wunsch: Das Ebenbild des Schöpfers mit Hilfe einer Maschine festhalten zu wollen. Der Leipziger Anzeiger kennt kein Pardon mit dieser neuen angeblichen Erfindung aus Frankreich. "Fein böser Pariser Schwindel" sei das, sei doch nicht einmal dem besten Meister der Optik von ganz Sachsen ein Bild nach dieser Methode gelungen. Und der sei immerhin Leipziger.
"Obscure" Kunst in 3D
Wir kennen das: Du sollst dir kein Gottesbildnis machen und keine Darstellung von irgendetwas. Heißt es im Alten Testament. Zum Glück haben Künstler das noch nie so eng gesehen. Nicht bei der Ausgestaltung von Barockkirchen, und in der Porträt- und Landschaftsmalerei erst recht nicht. Die gab es ab den 1820er-Jahren sogar in 3D. Da konnte man den abgedunkelten Raum einer Schaubühne betreten und fand sich mitten in der abgebildeten Szenerie wieder - zwischen bunten Marktständen oder auf einem Pfad in den Bergen. Eine Sensation. Das erste derartige Diorama eröffnet der Bühnenmaler Louis Jacques Mandé Daguerre. Natürlich in Paris, der Stadt der Illusionen.
Um seinen Panoramen Perspektive zu verleihen, verwendet Daguerre gerne ein altes Hilfsmittel: die Camera obscura. Nichts anderes als ein Loch, durch das ein Bild der Außenwelt auf eine Fläche projiziert wird. Mit all seinen Details, die Daguerre dann nachmalen muss. Ziemlich mühevoll. Deshalb ist er sofort begeistert, als es einem Offizier im Ruhestand namens Joseph Nicéphore Niepce gelingt, eine solche Abbildung auf eine Platte zu bannen - in eine Schicht aus Asphalt, der im Licht aushärtet. Der "Blick aus dem Arbeitszimmer" von Niepce aus dem Jahr 1826 ist die älteste erhaltene Fotografie. Ein trister Hinterhof, acht Stunden lang belichtet.
Bitte stillhalten
Das könnte schneller gehen, findet Daguerre. Er probiert es mit Silbersalzen, die ebenfalls lichtempfindlich sind. Doch das erweist sich als schwierig. Erst zehn Jahre nach Niepce hat Daguerre Erfolg. Seine erste Aufnahme zeigt eine Ecke seines Ateliers: das Relief eines Frauenakts, zwei Engelsköpfe und eine Weinflasche. Auf die muss er nur eine Viertelstunde lang verzichten. So kurz ist die Belichtungszeit inzwischen, dass selbst Porträts mit der neuen Technik möglich werden.
Doch vorerst hält der Erfinder die Details unter Verschluss. Denn es gibt noch keinen Patentschutz, und Daguerre ahnt, dass seine Entdeckung Gold wert ist. Zu Recht: Mit Hilfe der Akademie der Wissenschaften fädelt er ein, dass die französische Regierung ihm sein Geheimnis gegen eine stattliche Rente abkauft. Am 19. August 1839 stellt dann der Akademiesekretär François Arago das Verfahren vor; auch einen geeigneten Apparat zeigt er. Denn die Regierung hatte beschlossen: Die Daguerrotypie soll allen Menschen zur Verfügung stehen.