"It - das gewisse Etwas!" Am 15. Februar 1927 hatte der Film in den US-Kinos Premiere, und was dieses "It" sein sollte, sah man der Hauptdarstellerin Clara Bow sofort an. Das It-Girl war geboren. Autorin: Kirsten Böttcher
Elinor Glyn hatte Rudyard Kipling gelesen. 1904 hatte der spätere Autor des “Dschungelbuchs“ eine Kurzgeschichte publiziert, in der seine Protagonisten von einer Witwe schwärmen, die nicht einfach nur schön, nicht einfach nur unvergesslich gewesen sei: “Mrs. Bathurst“ wäre einfach “It“ gewesen- großes I, kleines t.
Sex Appeal und Unschuld
Dieses ins Deutsche übersetzte “gewisse Etwas“ transferierte Elinor Glyn, Pionierin kitschig-erotischer Frauenromane und Filmskriptautorin, in eine Neue Welt: Die Zwanziger Jahre gehörten Hollywood. Amerikanerinnen hatten sich das Wahlrecht, Jobs und Knie-kurze Röcke erkämpft, gingen einmal pro Woche in die Kinopaläste. Der Film “Das gewisse Etwas“ feierte am 15. Februar 1927 in den USA Premiere, und die Plot-Lieferantin Mrs. Glyn ließ es sich nicht nehmen, in einer “It“-Szene sich selbst zu spielen, um die kesse Verkäuferin Betty Lou, dargestellt von Clara Bow, auf der Leinwand zum It-Girl zu proklamieren: Sie habe diese 'innere Magie', die sowohl Männer als auch Frauen anzöge, sie verkörpere Sex-Appeal und Unschuld, Rätselhaftigkeit und Leichtlebigkeit. “Sie hat's einfach, das ist alles!“
50.000 Dollar ließ sich die geschäftstüchtige Schriftstellerin für ihr It-Konzept auszahlen. Etwa dasselbe hatte Clara Bow für ihre letzten sieben Filme zusammen erhalten. Und in den Roaring Twenties war Clara Bow nicht irgendjemand: F. Scott Fitzgerald hielt sie für „auserkoren, den Pulsschlag einer gesamten Nation zu beschleunigen“. Denn sie war das Flapper-Girl schlechthin, das selbstbestimmt und gut gestylt seine Freizeit und Freiheit genießt - mit viel Rouge und rot gefärbtem Bubikopf. 1927 war die 22-jährige Clara Bow das erste Sexsymbol und der größte Star Hollywoods, der vor dem Film “It“ sage und schreibe bereits 35 Filme abgedreht hatte. Doch dieser Film machte sie endgültig zur Ikone: Sie erhielt 35.000 Fanbriefe pro Monat - oft nur adressiert an “Das It-Girl, Hollywood, USA.“
Schizophrene Illusion
Solche Adressaten sind heutzutage schwer vorstellbar - Präsidenten und der Weihnachtsmann ausgenommen. Dennoch mäandert der Typus It-Girl immer noch vital durch Zeitschriften und Internetklatsch, und zwar nunmehr als schwammige Berufsbezeichnung von meistens hübschen, modischen Frauen unter 30, beispielsweise: Alexa Chung, geboren 1983, Modell, Moderatorin, Londoner “It-Girl“.
Sie begann ihre Karriere bereits mit 14 Jahren, war das Titelgesicht der wichtigsten Teenager-Magazine, füttert täglich Blogs mit Beweisfotos ihres scheinbar privaten, eklektischen Modestils und ist bei allen Fashion Weeks heiß begehrter Gast. Laut New York Times zählte die stockdünne Britin, die es weit von sich weist, ein It-Girl zu sein, 2010 zu den einflussreichsten Frauen des Landes. Das It-Girl als schizophrene Illusion des selbstbestimmten Mädchens, das nur durch seine 'einzigartige Persönlichkeit' in den Mode-Olymp emporgestiegen ist.
Das “gewisse Etwas“, die “innere Magie“, die vor fast 100 Jahren Elinor Glyn popularisierte, wurde perfektioniert zur medial vernetzten Marketingfläche.