Bedienungsfreundlicher ist es geworden, aber nicht reparaturfreundlicher, das Auto. Früher konnten das Männer selbst, einfach weil sie Männer waren - und im Zweifelsfall doch die Bahn nahmen. Autor: Thomas Grasberger
Die Segnungen des Fortschritts kann man gar nicht hoch genug preisen. Vor allem als autofahrender Mann, der keine Ahnung von Autos hat. Heutzutage ist das kein Problem mehr. Auto defekt? Lämpchen blinkt! Mann fährt in die Werkstatt! Und muss nichts mehr tun. Weil er nichts tun kann. Wegen der ganzen Elektronik. Früher war das anders. Da musste ein Mann wenigstens so tun, als hätte er Ahnung. Er blickte wissend in der Motorraum hinein und murmelte bedeutungsschwanger vor sich hin. Geheimnisvolle Worte wie "Zündkerzenstecker“ oder "Zylinderkopfdichtung!""Oder sowas.
Explosionsmotorenrennen
Ein Mann musste halt Ahnung haben. Und je weiter man in der Automobilgeschichte zurück geht, desto mehr Ahnung brauchte er. Wer zum Beispiel 1913 den Führerschein machte, der legte eine Prüfung zum Führen eines "Fahrzeugs mit Explosionsmotor" ab. Und die dauerte! Gleich mehrere Tage! Der Prüfling musste gute Kenntnisse in Mechanik, Fahrzeuglehre, Elektrotechnik, Maschinenkunde und überhaupt in der Instandhaltung seines Wagens haben. Autofahren war eben etwas für Spezialisten. Entsprechend wenige Fahrer gab es damals. Was durchaus Vorteile hatte, nämlich bedeutend mehr Platz auf der Straße. Vorausgesetzt es gab eine solche. Womit wir beim eigentlichen Thema wären - nämlich dem ersten Autorennen der Geschichte. Das hat praktisch ohne Straßen stattgefunden!
Gestartet wurde diese längste Rallye der Welt am 12. Februar 1908 am Times Square in Manhattan vor 250.000 Autobegeisterten. Ins Rennen gingen sechs Teams mit je drei Fahrern, die über Chicago nach Seattle tuckerten, um von dort mit dem Schiff nach Sibirien überzusetzen und über Moskau und Berlin nach Paris zu gelangen. Mehr als 20.000 Kilometer waren das insgesamt! Rund um die Welt - über Eis und Schnee, Staub und Sand, Morast und Geröll.
Die verwegenen Rennfahrer der sechs Teams stammten aus Frankreich, den USA, Italien und Deutschland. Für die zwei französischen Wagen war das Abenteuer allerdings schon recht bald vorbei. Der eine kam im Schneetreiben vom Weg ab, der andere steckte im Schlamm von Iowa fest. Das deutsche Team unter der Leitung des preußischen Oberleutnants Hans Koeppen schlug sich da schon tapferer. Mit ihrem 30 PS starken Fabrikat der Berliner Motorenfabrik Protos kamen Koeppen und seine Mitfahrer Hans Knape und Ernst Maas flott voran. Bis es plötzlich anfing zu krachen und zu scheppern. Werkstatt war natürlich weit und breit keine vorhanden. Und so mussten die drei Männer selber ran. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie sie abwechselnd hämmerten und fluchten und geheimnisvolle Worte in das Innere ihres Fahrzeugs murmelten.
Besser mit der Bahn…?
Geschlagene 48 Stunden schraubten die Herren der Schöpfung, bis die Reparatur endlich beendet war. Und der Motor im Eimer. Man beschloss dann, wohl oder übel, die Eisenbahn nach Seattle zu nehmen. Von da ging‘s mit dem Schiff nach Wladiwostok. Dort konnte das deutsche Team die Rallye fortsetzen. Leider zerstritt sich das Trio in den Weiten Sibiriens so sehr, dass Knape und Maas den Dienst quittierten. Koeppen bekam zwei neue Beifahrer. Und erreichte als erster das Ziel in Paris. Vier Tage vor den Amerikanern. Doch dann folgte die späte Rache der Kardanwelle. Dem deutschen Team wurde der Sieg aberkannt, weil es 150 Kilometer mit der Eisenbahn gefahren war. Ach ja, die gute alte Eisenbahn. Für autovernarrte deutsche Männer war sie halt schon immer eine schier unerträgliche Demütigung.