"Gelbe Jacke"? Nie gehört? Klar, denn wenn Franz Lehár Mikado mit Madame Butterfly gen Asien folgt, ist man im "Land des Lächelns“, wo man statt nur Duft aus dem Haar ein ganzes Herz gewinnt. Autor: Markus Vanhoefer
Erfolg ist keine Frage von Qualität, gerade in der wankelmütigen Welt des Musiktheaters. Nicht jedes Stück, das floppt, muss grundsätzlich schlecht sein. Denn so manches, was dem Publikum zunächst missfällt, hat trotzdem das Potential zum Megahit - sofern man es unter den richtigen Rahmenbedingungen ins Rampenlicht stellt. Die Operette "Die gelbe Jacke", ist ein Beispiel für dieses Phänomen. Sie zeigt, welch Wunder geschehen kann, wenn ein Kunstwerk eine zweite Chance erhält.
Wien, 9. Februar 1923. Es ist eine Premiere, die viel versprach und wenig hielt. Ernüchterung macht sich bereit, als sich im "Theater an der Wien" der Vorhang nach Franz Lehárs "Gelber Jacke" senkte. Der Funke zwischen Werk und Publikum will einfach nicht zünden, die Resonanz der Presse ist lau und so verschwindet die "komische Oper" schon bald in der Mottenkiste des Vergessens.
Maßgeschneidert - aber falsche Farbe?
So heil die Herz-Schmerz-Welt der Unterhaltungsmusik für den Zuhörer auch sein mag, für die Macher ist sie ein knallhartes, unkalkulierbares Geschäft. Deshalb muss die Enttäuschung über das Scheitern der "Gelben Jacke" groß gewesen sein, denn genau genommen ist das Werk aus dem Stoff geschneidert, aus dem man Theater-Hits fabriziert.
Da sind auf der einen Seite der Komponist Franz Lehár und sein Librettist Victor Léon. Beide gelten als Garanten für klingelnde Kassen, denn ihre "Lustige Witwe" ist die mit Abstand meistgespielte Operette jener Zeit. Alleine im Jahr 1910 hatte sie es auf 18.000 Aufführungen gebracht.
Da ist auf der anderen Seite ein Sujet, das auf geschickte Weise Exotik und Erotik verbindet und damit dem Zeitgeist zu entsprechen schien.
Umgeschneidert zum "Land des Lächelns“
Die Geschichte der "Gelben Jacke", in der sich die Tochter des Grafen Lichtenfels in einen chinesischen Prinzen verguckt um dem Angebeteten nach Peking zu folgen, hatte sich Victor Léon bereits 1916 ausgedacht. Der Einfall kam ihm, als er in einer Berliner Zeitung las, der erste Attaché der chinesischen Botschaft, Herr Hsüeh Chi Tschong, habe sich mit einem Fräulein Zenoth aus Charlottenburg vermählt. Eine andere Anekdote erzählt, die Operetten-Jacke sei entstanden, als ein Diplomat aus dem Reich der Mitte der Librettisten-Gattin galant den Hof gemacht habe.
Gelber Mann liebt weiße Frau. Hatten es nicht Puccini mit seiner "Madame Butterfly" oder Arthur Sullivan mit dem "Mikado" vorgemacht, wie man mit fernöstlichem Flair den Nerv eines europäischen Publikums trifft?
Trotz des Misserfolgs von 1923 ist Franz Lehár nicht bereit, die "Gelbe Jacke" für immer auszumustern. Er schreibt einige Passagen seiner Musik um und setzt zwei neue Autoren, Ludwig Herzer und Fritz Löhner-Beda, an eine Umarbeitung des Texts.
Die recycelte Operette feiert im Oktober 1929 ihre zweite Uraufführung im Berliner Metropol-Theater und wird unter dem griffigen Titel "Land des Lächelns" zum gigantischen Triumph.