Es gab sie wirklich, die Spione, von denen die James-Bond-Filme im Kalten Krieg erzählen. Im Osten und im Westen - im günstigsten Fall trafen sie sich, um "ausgetauscht" zu werden - auf der Glienicker Brücke. Autor: Hartmut E. Lange
Es gibt Begriffe, die lösen auf Anhieb mehrere Assoziationen aus, U2 zum Beispiel. Man denkt an vier musikalische Jungs aus Dublin, die seit den Achtzigern coole Musik machen, weltberühmt wurden und mit ihren Songs Rockgeschichte schrieben.
Oder an etwas ganz anderes, auch was mit Geschichte: Kalter Krieg und Spionage.
In diesem Metier ging`s früher noch analog zu, mit hochauflösenden Kameras in extrem hochfliegenden Flugzeugen - die U2 ist so eine Maschine. Der von Lockheed gebaute Höhenaufklärer wird von den Amerikanern für Spionageflüge über der UdSSR benutzt. Seit Jahren läuft alles bestens: das Flugzeug liefert gestochen scharfe Luftaufnahmen von Industrie- und Militäranlagen, und - die Russen müssen zähneknirschend zuschauen, noch reicht ihre Luftabwehr nicht bis in diese Höhe. Das ändert sich am ersten Tag im Mai des Jahres 1960.
Requisiten wie bei James Bond
Der 30-jährige Pilot Francis Gary Powers startet im Morgengrauen auf einer US-Basis in Pakistan. Um 8.53 Uhr Moskauer Zeit spürt er einen dumpfen Schlag gegen sein Flugzeug, er befindet sich in 20 km Höhe - über Sibirien! Als er das Cockpit öffnet, um sich mit dem Fallschirm zu retten, kann er einen wichtigen Knopf nicht mehr erreichen – damit wäre eine Sprengladung gezündet worden, die das Geheimflugzeug in tausende kleine Stücke zerlegt hätte. Klingt wie aus einem James Bond Film, ist aber wahr. Drei Jahre zuvor war dem FBI ein hochrangiger sowjetischer Spion ins Netz gegangen. Die Stimmung in den USA ist aufgeheizt, man tendiert zu Daumen runter. Aber sein Pflichtverteidiger, James B. Donovan, ist ein weitsichtiger Mann. In seinem Plädoyer stellt er eine entscheidende Frage, die Abel das Leben rettet: Was ist eigentlich, wenn einmal ein amerikanischer Spion in die Hände der Russen gerät?
Zwei Amis gegen einen Russen
Genau dieser Fall ist mit dem Abschuss der U2 über Sibirien eingetreten.
Als erfolgreicher Anwalt in komplizierten Versicherungsfällen ist Donovan pokern gewohnt. Abel ist ein dicker Fisch, Powers aber nur ein Techniker, deshalb wollen wir Frederic Pryor noch dazu haben, erklärt er den verblüfften Russen bei seinen Verhandlungen in Ost-Berlin.
Der amerikanische Student wird von der DDR der Spionage beschuldigt und wartet im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen auf seinen Prozess. Fast wäre der Deal an der Forderung "ein Russe gegen zwei Amerikaner" gescheitert. Dem damals noch unbekannten Ost-Berliner Anwalt Wolfgang Vogel gelingt es aber, die gerissenen Fäden wieder zu verknüpfen.
Die Brücke zwischen Potsdam und West-Berlin wird für den Austausch gewählt, weil es dort keinen offiziellen Grenzübergang gibt und somit keine Schaulustigen. Um 8.45 Uhr trifft die Nachricht ein, dass Rechtsanwalt Vogel den Student Frederic Pryor am Checkpoint Charly in der Friedrichstraße an die Amerikaner übergeben hat. Erst jetzt verabschiedet sich der New Yorker Anwalt Donovan von seinem Klienten auf der Westseite der Brücke.