El Salvador ist von sozialen Kämpfen aufgeheizt, als Oscar Arnulfo Romero am 3. Februar 1977 zum Erzbischof ernannt wird. Er schlägt sich auf die Seite der Armen, ein hochriskantes Engagement, mit dem niemand gerechnet hatte. Autorin: Miriam Stumpfe
Man kann nicht sagen, dass der Vatikan die Rechnung ohne die Mächtigen gemacht hätte: Als in den 70er-Jahren in El Salvador ein neuer Erzbischof gesucht wird, geht die katholische Kirche mit Bedacht vor. Denn: das winzige Land an der Pazifikküste Mittelamerikas ist Krisenregion. 14 Familien teilen sich Macht, Besitz und Geld, der größte Teil der Bevölkerung lebt in bitterer Armut. Soziale Proteste, die immer häufiger aufflammen, werden von Soldaten und Paramilitärs brutal niedergeschlagen.
Die Finger von der Politik lassen
Die katholische Kirche steckt mittendrin im Konflikt: Jahrhunderte lang war sie in Lateinamerika die Kirche der Machthaber, jetzt machen immer mehr Priester Ernst mit Aufforderung des Evangeliums, sich auf die Seite der Armen zu stellen. Vom Vatikan werden sie kritisch beäugt, er fürchtet, seine Schäfchen könnten in die Hände kommunistischer Ideologen fallen. Keine Frage, dass der Vatikan sich vor der Bischofswahl auch in der Politik umhört, der päpstliche Nuntius in El Salvador besucht insgesamt 40 Regierungsmitglieder, Unternehmer, Vertreter der Oberschicht.
Der bald 60-jährige Oscar Arnulfo Romero scheint schließlich Kirche wie Machthabern im Land eine gute Wahl zu sein: ein bedächtiger Bischof aus dem Osten das Landes, bekannt als Konservativer, der die Finger von Politik lässt. Am 3. Februar 1977 ernennt ihn der Vatikan zum neuen Erzbischof.
Doch: die Rechnung der Mächtigen geht nicht auf. "Helft mir, klar zu sehen!" bittet er nicht nur seine engsten Mitarbeiter, sondern alle Gläubigen. Und was er durch sie zu sehen bekommt, schreit zum Himmel: Kaffeebarone, die sich mit mildtätigen Spenden für Arme brüsten, die ihre Arbeiter aber selbst zu Hungerlöhnen beschäftigen. Militärs, die sich das Land unter den Nagel reißen, das sie eigentlich an Landarbeiter verteilen sollen. Todesschwadronen die die ermorden, die den Mund aufmachen - und die sogar vor Priestern nicht Halt machen.
Wenige Woche nach seiner Amtseinführung ist für Romero klar: Bei Staatsempfängen wird ihn in El Salvador keiner mehr antreffen. Stattdessen empfängt er: verarmte Tagelöhner, verfolgte Studenten, verzweifelte Mütter und Väter, deren Kinder entführt wurden.
"Ich bin die Stimme derer, die keine Stimme haben", sagt Romero, und jeden Sonntag benennt er minutiös das, was in keiner Zeitung zu lesen ist: Seine Predigten schließt er mit einer Liste der Entführungen, der Morde und Massaker, die ihm aus dem ganzen Land berichtet werden. Im katholischen Sender, der die Gottesdienste überträgt, lauschen ihm deswegen nicht nur fromme Gläubige sondern auch die Führer der Oppositionsbewegung.
Schuss durch die offene Kirchentür
Als er im März 1980 dann auch noch an Soldaten appelliert, endlich mit der Unterdrückung aufzuhören, ist für die Drahtzieher des Regimes klar: Das ist ein Aufruf zur Befehlsverweigerung. Schon einen Tag später wird ein Scharfschütze losgeschickt: Vor einer Krankenhauskapelle, in der Oscar Romero Gottesdienst feiert, zielt er durch die offene Kirchentür - der Schuss trifft den Erzbischof tödlich ins Herz. Die Beerdigung wird zum Fanal: Hundertausende kommen, Soldaten schießen von den Dächern in die Menge. Was folgt, sind 12 Jahre Bürgerkrieg.