Bayern ist schön, aber manchmal zieht es einen doch in die Welt. Wie den Straubinger Ulrich Schmidl, der im 16. Jahrhundert mal eben Buenos Aires und Asuncion mitgründet, dann aber doch wieder heimreist. Autorin: Birgit Magiera
Im Rathaus von Straubing hängt eine Gedenktafel, gestiftet von der argentinischen Regierung. Diese Tafel ist laut Inschrift gewidmet "a su primer historiador Ulrico Schmidl", also dem ersten Geschichtsschreiber von Argentinien: Ulrich Schmidl, - genannt Utz. Der kam aus Straubing und war Sohn des Bürgermeisters, Sprössling einer einflussreichen Patrizierfamilie. Wie kam der nach Argentinien? – Auf einem der Schiffe des spanischen Eroberers Pedro de Mendoza, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Und warum Geschichtsschreiber? Weil er seine Reiseerlebnisse später in einem Buch veröffentlicht hat.
Utz on Tour
Die Lebenszeit von Utz Schmidl: das sind die Jahrzehnte nach der Entdeckung Amerikas. Der Habsburger Kaiser Karl der V. herrscht über ein Reich, in dem die Sonne nie untergeht. Und Spanien und Portugal segeln um die Wette über den Atlantik und an den teils noch unentdeckten amerikanischen Küsten entlang, auf der Suche nach Gold und Silber und einer Passage nach Indien.
Der junge Schmidl aus Straubing hat als Büchsenschütze auf einem der Schiffe angeheuert. Zusammen mit 1.600 anderen Landsknechten segelt er Richtung Brasilien, unter dem Kommando des Spaniers Pedro de Mendoza. Er ist dabei, als Buenos Aires gegründet wird, segelt mehrere Flüsse weit hinauf ins Innere des Kontinents, gehört auch zu den Gründern von Asuncion, der heutigen Hauptstadt von Paraguay. Erst 20 Jahre später kommt Utz Schmidl zurück in seine niederbayerische Heimat: am 26. Januar 1554.
Dahoam is dahoam
Nach seinem Tod werden seine Aufzeichnungen veröffentlicht, unter dem Titel "Die wahrhafte Historie einer wunderbaren Schifffahrt".
Darin beschreibt er weniger Wunderbares, als vielmehr Verbrechen und Grausamkeiten gegen die Indianerstämme, und auch die lebensbedrohliche Hungersnot nach der Ankunft am Rio de la Plata. Nicht nur Schlangen und Ungeziefer landen im Kochtopf. Aus Verzweiflung essen viele sogar ihre Schuhe auf. Schmidl berichtet, wie mehrere Soldaten heimlich, weil streng verboten, ein Pferd schlachten, erwischt werden und am Galgen landen. Wie sich daraufhin einige Kameraden nachts an den Leichen zu schaffen machen, um ihrerseits irgendetwas zwischen die Zähne zu bekommen und nicht hungers zu sterben. Und es bleibt laut Schmidl nicht der einzige Fall von Kannibalismus unter den Eroberern.
Diese Passagen aus dem Reisebericht waren aus Sicht von Staat und Kirche im 16. Jahrhundert höchst problematisch. Denn gerade der Verweis auf die Menschenfresserei der Indianer galt als Rechtfertigung, ja als Verpflichtung, diese zu fangen, zu versklaven oder zu töten. - Im Namen einer höheren christlichen Moral. Der jedoch jede Glaubwürdigkeit entzogen ist, wenn auch ein Christ zum Zweck des Energieausgleichs den anderen verzehrt.