"Hilf mir, es selbst zu tun", ist der Leitsatz von Maria Montessori, mit dem die Reformpädagogin sich um Kinder kümmerte, die andere schon aufgegeben hatten. Am 6. Januar 1907 gründete sie ihre erste Schule. Autorin: Prisca Straub
Zylindrische Bausteine in unterschiedlichen Größen. Jeder von ihnen gehört in einen eigenen Hohlkörper. Nur - in welchen? Es passt immer nur einer - also muss ausprobiert werden. Je nach Lust und Laune auch stundenlang! Maria Montessori war die Frau, die die sogenannten Einsatzzylinder-Blöcke erfand. Mit ihrem Steck-Spielzeug wurde die Pädagogin nicht nur weltberühmt, sie machte auch apathische Kinder munter, Zappelphilippe ruhig und verwahrloste Kinder zu ordentlichen.
Steck und weg
Als junge Assistenzärztin hatte Maria Montessori in einer psychiatrischen Anstalt beobachtet, wie positiv selbst behinderte Kinder reagierten, wenn man ihnen Spielsachen gab. Nichts Beliebiges, sondern sinnliche Gegenstände, die Augen, Hände, Gehör anregten - Wahrnehmung und Geschick schulten. Maria Montessori förderte ihre von aller Welt aufgegeben Schützlinge so gut, dass einige schließlich mit ihren gesunden Altersgenossen mithalten konnten. Das war spektakulär. Und die junge Frau war wildentschlossen, berühmt zu werden.
Materialentwicklung
Mit unglaublicher Energie stürzt sie sich in Arbeit. Schreibt eine Doktorarbeit, hält Vorträge über frühkindliche Erziehung und entwickelt ihr berühmtes pädagogisches "Material": Perlenketten für die Mathematik, Nagelbretter für Geometrie, Kugeln zum Zeitverständnis. Sie will den Kindern gegenständliche Aufgaben stellen, statt ihnen verbal Anweisungen zu erteilen. Im eigenen Rhythmus sollen sie herausfinden, was es mit dem "Unterrichtsmaterial" auf sich hat - spielerisch, ihrer naturgegeben Neugier folgend, ohne Strafen, aber auch ohne Belohnung. "Hilf mir, es selbst zu tun", wird Montessoris Leitsatz. Und der von ihr beschriebene Moment hochkonzentrierter Aufmerksamkeit, wenn ein Kind selbstversunken und voller Eifer die Welt um sich herum vergisst, dieses Schlüsselerlebnis wird als "Montessori-Phänomen" in die Erziehungswissenschaft eingehen.
Am 6. Januar 1907 eröffnet die unbeirrbare italienische Reformpädagogin ihr erstes Kinderhaus. Die sogenannte "Casa dei Bambini" liegt im sozial schwachen, römischen Arbeiterviertel San Lorenzo.
Die Ausstattung ist ärmlich, aber 50 wilde Kinder sind ihr eigener Lehrer: Sie dürfen sich selbst aussuchen, welcher Tätigkeit sie wie lange ihre Aufmerksamkeit widmen. Und die Presse? - Ist erwartungsgemäß vernichtend: Schließlich haben Kinder gemeinhin still zu sitzen - wenn nötig, sogar mit Hilfe von Stockschlägen. Aber trotz aller Miesmacherei - die verwahrlosten Kleinkinder von San Lorenzo werden mit Hilfe von Maria Montessoris "Methode" klug. Sie werden gesellig, mitteilungsfreudig und fröhlich. Montessori wird diese Entwicklung später eindrucksvoll als "Erweckungsprozess" beschreiben.