Eigener Herd ist Goldes wert - hat sich sicher auch Thomas Mann gedacht und zum Herd gleich noch ein ganzes Haus in München erworben. Liebevoll nennt die Familie ihre Villa "Poschi". Autor: Ulrich Trebbin
Jeder Umzug verheißt den Beginn eines neuen Lebens! Da darf man träumen, dass jetzt einmal alles anders - und natürlich schöner! - werden müsste; vor allem, wenn es eine erquickliche Umgebung ist, die zum neuen Zuhause wird. Für Thomas Mann war es tatsächlich ein Neuanfang, als er am 5. Januar 1914 mit Frau Katia und vier Kindern zum ersten Mal ein standesgemäßes Heim im vornehmen München-Bogenhausen beziehen konnte. Die dreistöckige Walmdach-Villa in der Poschinger Straße 1 - von den Kindern "Poschi" genannt - hatte sie zwar arm gemacht, aber sie war der sichtbare Beweis, dass der Sprössling der niedergegangenen Lübecker Kaufmannsdynastie es endlich geschafft hatte. Der Familie und dem Personal stehen jetzt 230 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung, Thomas Mann richtet sich im Hochparterre sein berühmtes Arbeitszimmer mit halbrundem Erker ein, den Garten schmückt eine Hermesstatue. Hier schreibt er seinen "Zauberberg"ebenso wie zwei Bände des Joseph-Romans, von hier aus tätigen "Herr und Hund" ihre in die Literatur eingegangenen Spaziergänge, und hier erreicht ihn auch 1929 die Nachricht vom Literaturnobelpreis.
Dahoam is dahoam
Die beiden jüngsten Kinder werden in der "Poschi" geboren, die Großen - Klaus und Erika - stromern mit der "Herzogpark-Clique" um die Häuser, hecken manchen Blödsinn aus oder stellen Theaterabende auf die Beine. Stapelweise berühmt gewordene Familienfotos sind in den Interieurs oder auf der Terrasse aufgenommen werden.
Sie erzählen von einem Haus voller Leben - mit sechs Kindern, ihren Freunden und illustrem Besuch: Dichter, Politiker, Intellektuelle, die bisweilen zum Tee geladen werden.
Home Sweet Home
Doch auch das schönste Leben hat ein Ende, und auch mit der herrschaftlichsten Villa kann sich keiner gegen Schicksal und Weltgeschichte stemmen:
Nicht einmal zwanzig Jahre ist die "Poschi"das Zuhause der Manns. Denn 1933 kehren sie Deutschland vorsichtshalber den Rücken, die Nazis bürgern den regimekritischen Dichter daraufhin aus, beschlagnahmen sein Haus und platzieren darin ausgerechnet eine Zweigstelle der Rasseorganisation "Lebensborn". Das Hab und Gut wird versteigert. Nach dem Krieg will Thomas Mann sich nicht wieder in München niederlassen. Zu schwer getroffen hat ihn, dass führende Münchner Intellektuelle im April 1933 gegen ihn den "Protest der Richard-Wagnerstadt" unterzeichnet und ihm damit die Tür gewiesen hatten.
In der von Bomben arg mitgenommenen "Poschi" hausen jetzt Kriegsflüchtlinge - zeitweise sollen es bis zu 50 Personen gewesen sein; unterm Dach sind Schweine untergebracht, im Keller ein Pferd. 1948 bekommt Thomas Mann die Villa zwar wieder zurück, aber sie ist inzwischen so baufällig, dass nur noch der Abriss bleibt. Am Ende ringt er sich dazu durch, das Grundstück zu verkaufen. Zweimal wurde die "Poschi" wieder aufgebaut: Einmal als Kulisse auf dem Bavaria-Film-Gelände und einmal an Ort und Stelle als kalte Protzvilla.
Die schöne Gelegenheit, hier ein Thomas-Mann-Museum einzurichten und sich so zu dem einst geschmähten Dichter zu bekennen, hat die Stadt München ungenutzt vorübergehen lassen.