Neue Planeten sucht man durch´s Fernrohr? Nicht nur: Man kann sie auch errechnen, wie der Franzose Urbain le Verrier. Am 23. September 1846 bat er Astronomen seine Rechnung zu überprüfen. Das Ergebnis heißt "Neptun".
"Ich nehme mir die Freiheit, Ihnen einen Auszug meiner Arbeit zu schicken", schreibt der Mathematiker und Astronom Urbain le Verrier im September 1846 aus Paris an seinen Kollegen Johann Gottfried Galle, den leitenden Astronom und Observator der Berliner Sternwarte.
Uranus ist verhaltensauffällig ...
Le Verrier hatte sich den Uranus vorgenommen, denn dieser Planet verhielt sich völlig unberechenbar: Anders als alle anderen Planeten scherte er immer wieder aus seiner Umlaufbahn aus. Als gälten die Gravitationsgesetze nur für den Rest des Universums, nicht aber für ihn. Ein möglicher Grund für diese Bahnstörungen, vermutete Le Verrier, könnte ein weiterer Planet sein, der mit seiner Masse und ihrer Anziehungskraft den Uranus aus der Bahn brachte.
Die mögliche Laufbahn dieses Störenfrieds hatte Le Verrier anhand alter Sternkataloge errechnet: Der unbekannte Erdtrabant musste bei einem Längengrad von etwa 252 Grad an der Grenze zwischen den Sternbildern Wassermann und Steinbock auftauchen.
Er sendet Galle Maße, Umlaufzeiten und Position des großen Unbekannten und bittet ihn Ausschau zu halten: "Zweifelsohne lässt sich ein Planet beträchtlicher Masse entdecken." Als Le Verriers Schreiben am 23. September 1846 in Berlin eintrifft, löst es große Aufregung aus: Einen neuen Planeten zu finden, ist die Krönung einer astronomischen Karriere. Am selben Abend richtet Johann Gottfried Galle sich bei klarstem Himmel vor dem großen Linsenfernrohr in der Sternwarte ein. Doch er sieht den scheibchenförmigen Himmelskörper, den Le Verrier angekündigt hat, nicht - nur strahlenförmige Fixsterne, egal wohin er durch das Fernrohr in den Nachthimmel starrt.
Da schlägt Heinrich Louis d'Arrest, der Gehilfe der Sternwarte, ihm vor, die Berliner "Akademischen Sternkarten" beizuziehen: Ein Kartenwerk, das die bislang bekannten Sterne des Himmels wiedergab. Soeben war die "Hora XXI" erschienen: Die Karte verzeichnet sämtliche Gestirne der Himmelszone, die der gesuchte Wandelstern laut Le Verrier durchlaufen soll.
... Neptun der Grund dafür
Systematisch vergleichen die beiden Astronomen die Sternkarte mit dem Himmel. Und tatsächlich: Galle erblickt durch das Teleskop plötzlich einen Himmelskörper der nicht auf der "Hora XXI" eingetragen ist, nur einen Bogengrad neben der errechneten Position! Auch seine Größe entspricht Le Verriers Angaben.
Nur: Bewegt sich der Unbekannte auch, wie Planeten das nun einmal tun? Als Galle und d’Arrest versuchen, die Bewegung des Wandelsterns zu ermitteln, weichen ihre Messergebnisse zu stark voneinander ab, um sicher zu sein. Also setzen sie am folgenden Abend ihre Beobachtungen fort - und stellen übereinstimmend fest, dass der Himmelskörper seine Position verändert hat: genau um die Gradzahl, die Le Verrier angegeben hatte.
Weltweit erntet der Franzose enorme Anerkennung dafür, dass er allein durch theoretische Berechnungen die Existenz eines weiteren Planeten vorausgesagt hatte.