Edgar Allan Poe hoffte natürlich mehr auf gute als auf schlechte Zeiten, als er am 22. September 1835 auf´s Standesamt ging - um die sehr, sehr junge Virginia zu heiraten. Doch viel zu bald schon krächzte der Rabe: "Nimmermehr".
Es gibt Lebensläufe von Künstlern, die scheinen alle Klischees zu erfüllen.
Das Klischee vom verkannten Genie. Oder: dass Genie und Wahnsinn nahe beieinander liegen. Oder: dass ein Künstler ohnehin über sein eigenes Schicksal schreibt. Auch, wenn man Klischees eigentlich vermeiden möchte - im Falle des amerikanischen Schriftstellers Edgar Allan Poe scheinen sie sich geradezu aufzudrängen, denn in seinem Werk wie in seinem Leben geht es häufig um Tod, Unglück und Wahn.
Totenbett mit Katze
Poe verlor früh seine Eltern, er war spielsüchtig, alkoholabhängig, manisch-depressiv und paranoid. Trotz aufflackernden Ruhms führte er ein unstetes Leben in Armut und fand schließlich ein elendes und rätselhaftes Ende.
Und natürlich wäre ein solch theatralisches Leben nicht vollständig ohne eine große tragische Liebe. Die begann erst einmal untragisch. Er liebte sie, sie liebte ihn. Kleiner Schönheitsfehler: Sie war seine Cousine, und: sie war noch ein Kind. Das hielt Poe nicht davon ab, am 22. September 1835 aufs Standesamt in Baltimore zu gehen und eine Heiratserlaubnis zu beantragen. Einige Biografen sind überzeugt, dass er bereits an diesem Tag seine Angebetete heimlich geheiratet hat. Offiziell wurden die beiden im Mai darauf getraut. Er war 27 Jahre alt, Virginia war dreizehn.
Kurze glückliche Jahre folgten, doch dann brach bei Virginia die Krankheit aus, die auch schon Edgars Mutter hinweggerafft hatte: Tuberkulose. Die folgenden Jahre waren eine qualvolle Zeit für den Dichter, der die geliebte Frau dahinsiechen sah, ein Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffen und Bangen. Die Armut machte die Situation nicht besser. Auf ihrem Sterbebett hatte die junge Mrs Poe nicht einmal eine Decke, sondern nur den alten Armeemantel ihres Mannes und eine gefleckte Katze, um sich warm zu halten.
Gedicht vom Raben
Die Werke, die Poe während dieser Zeit schrieb, sind überschattet von dem drohenden Verlust. So auch sein berühmtestes Gedicht, Der Rabe. "Mitternacht umgab mich schaurig, als ich einsam, trüb und traurig, Sinnend saß und las von mancher längstverklung’nen Mähr’ und Lehr", so hebt der Erzähler des Gedichtes an. Er hat seine geliebte Frau verloren, und als es zur Geisterstunde klopft, hofft er, dass es die geliebte Lenore sein könnte, die aus dem Totenreich zurückkommt. Doch nur ein Rabe ist es, der Einlass fordert. In seiner Verzweiflung hält der Erzähler ihn für einen Boten aus dem Jenseits, aber auf alle Fragen - ob seine Seele Frieden finden wird, ob er die geliebte Lenore je wieder in seinen Armen halten wird, hat der Rabe nur eine niederschmetternde Antwort: Nimmermehr.