Alles hat seinen Tag: Die Mutter, der Baum, die Arbeit, das Buch. Also auch die Schildkröte. Seit dem Jahr 2000 wird am Weltschildkrötentag den über 90 Arten rund um den Globus gedacht.
Es gibt den Muttertag und den Tag der Arbeit, und es gibt so gut wie nichts, das nicht seine Tage hat, weshalb wir heute den "Weltschildkrötentag" begehen, vermutlich mit Kranzniederlegungen auf den Galapagos-Inseln und vor Chinas Garküchen, wo alljährlich um die 20 Millionen ihrer Art zu Suppe verkocht werden. Weshalb sie zügig aussterben oder wie man gerne sagt: "ihre Bestände gehen dramatisch zurück".
Etwa neunzig verschiedene Arten gibt es, von den niedlichen aus Hartplaste mal ganz abgesehen, die auf Fensterbänken und Autoheckablagen mit den Köpfen wackeln: 90 Arten - in Flüssen, Meeren, Teichen und zu Land. Sie hatschen, salatrupfend, durch griechische Gärten und schlürfen Schnecken aus Siziliens Fluren, paddeln algenschmatzend vor äquatorialen Küsten und krabbeln an Land, um ihre Eier dem heißen Sand zum Brüten anzuvertrauen.
Wie man Schildkröten schnappt ...
Dabei erwischt sie der gierige Mensch. "Sie werden erbeutet", schreibt mein hundertjähriges Lexikon, "indem man sie nachts auf den Rücken legt und morgens einsammelt. Ihr Fleisch gilt wie das Fett und die Eier als Leckerbissen und wird gebraten, in Ragouts, Frikassees und Suppen (der turtle soup) gegessen. Ausnehmend geschätzt sind die Füße."
"Das eigentliche Aroma", meinte der große Koch Walterspiel, "erhält die Tortue durch das im Schild sitzende grüne Fett." Klingt ja hinreißend! Die Wahrheit ist, eine Schildkröte schmeckt, grünes Fett hin, Gallertfüße her, nach wenig mehr als nichts. Man nennt es "geschmacksneutral", und ertränkte sie drum gern in Zwiebeln, Soja, Salbei, Paprika, Butter und Rindermark, um dem Gaumen doch noch Sensationen zu verschaffen. Clevere Köche kamen rasch darauf, die Schildkröte durch gekochten Kalbskopf zu ersetzen: Schmeckte genauso, nämlich nach fast nichts, war ebenso eklig gallertig, doch entschieden billiger: "Mockturtle", das hatte Klang und wurde in zarten Tässchen serviert. Aber es heißt nichts andres als "gefälschte Schildkröte".
Wie man Schildkröten abschmeckt ...
Vermutlich ihrer exotischen, urweltlich mythischen Form und Lebensweise wegen umgab sie seit je etwas Exquisites, Snobistisches. Während ihre Zubereitung eher brutal vor sich geht. Dazu Gourmetkoch Walterspiel: "Um das Tier zu töten, lege man es auf einer Tischplatte auf den Rücken, und zwar so, dass der Kopf über die Tischplatte herausragt. Vorher richte ich mir eine Doppelschlinge aus biegsamem Kupferdraht zurecht." Nun, man kann sich die grässliche Hinrichtung denken. An die Schlinge wird dann übrigens ein Gewicht gehängt, und das Messer sollte sehr scharf sein. Und wer jetzt glaubt, ach, diese netten kleinen Wackeldinger mit dem hübschen Kassettenpanzer, der irrt insofern, als so eine Suppenschildkröte ungefähr zwei Meter lang und gut zwei Zentner schwer ist.