Wer als Wissenschaftler Großes leistet, wird geehrt: mit einer Straße, einer Insektenart oder sogar einem Institut. Das ist Nichts im Vergleich zu früher: Am 25. April 1507 wurde ein ganzer Kontinent nach EINEM Mann benannt.
Es war eine aufregende Zeit, damals. Der Buchdruck: frisch erfunden, wer was zu sagen hatte, musste sein Wissen nicht mehr per Hand aufschreiben und hatte dann Ein Buch, nein, jetzt konnte man ruckzuck tausend und mehr Exemplare auf einmal herstellen und dann in alle Welt verbreiten. In Frankfurt traf man sich zur Buchmesse. Drucker und Verleger, Gelehrte und Neugierige, Wissenschaftler und Welterklärer zeigten und bestaunten, was es Neues gab.
Weit im Westen: ein unbekannter Erdteil
Im Frühjahr 1507 sah man dort zwei junge Männer aus Lothringen, Matthias Ringmann und Martin Waldseemüller, und was sie nach Frankfurt mitgebracht hatten, war grade eben, am 25. April 1507, aus der Druckerpresse gekommen. Ein Großprojekt, aufwendig gestaltet: zwei Landkarten plus zwei Begleitschriften in lateinischer Sprache, das Ganze eine "Kosmographie", eine Beschreibung der Welt. Die kleinere Karte sah auf dem flachen Papier etwas seltsam aus, aber wenn man die ausschnitt und auf eine Kugel klebte, dann hatte man einen Globus vor sich. Die größere Karte maß anderthalb auf zweieinhalb Meter, auch sie eine Weltkarte. Und auf beiden war etwas zu sehen, was noch nie zuvor auf einer Landkarte zu sehen gewesen war. Ganz am Rand, weit im Westen, mitten im Meer, war ein unbekannter Erdteil eingezeichnet.
Fünfzehn Jahre war es her, dass ein Seefahrer namens Columbus über's Meer nach Westen aufgebrochen war. Sein Ziel: eine Direktroute zu den asiatischen Gewürzinseln zu erkunden. Tatsächlich war er auf Inseln gestoßen, leider ohne Gewürze oder sonstige Reichtümer, insofern also nichts Aufregendes. Kurz nach Columbus aber waren noch mehr mutige Männer nach Westen gefahren, auch sie hatten dort Land angetroffen, irritierenderweise aber mit einer außerordentlich langen Küste und Mündungen großer Flüsse, und nirgendwo eine Durchfahrt zum asiatischen Festland. Es sah so aus als sei das gar nicht Asien. Es sah vielmehr so aus als sei man auf einen völlig unbekannten, neuen Erdteil gestoßen.
Der erste, der das erkennt und davon nach Europa berichtet, ist ein italienischer Seefahrer namens Amerigo Vespucci. In einem Brief an das Florentiner Handelshaus di Medici schreibt er ausdrücklich von "Mundus novus", einer völlig "neuen Welt". Die Vespucci-Berichte werden in Europa begeistert gelesen, auch unsere beiden Wissenschaftler, Waldseemüller und Ringmann, kennen sie, in ihrer Kosmographie sind sie abgedruckt.
Zu Ehren des Entdeckers: Amerigo Vespucci
Doch jetzt haben die beiden ein Problem. In einer "Beschreibung der Welt" geht es natürlich gar nicht, dass ganze Erdteile namenlos - oder mit dem peinlichen Vermerk "Terra incognita - unbekanntes Land" - in der Landkarte rumstehen. Neues muss benannt werden. Und so schlägt Matthias Ringmann in seiner Begleitschrift vor, diesem neu entdeckten Erdteil einen Namen zu geben, und zwar zu Ehren seines Entdeckers Amerigo Vespucci. Ringmanns Kartograph Waldseemüller trägt das auch gleich in die Karten ein. Ungefähr auf der Höhe des heutigen Brasilien steht es groß zu lesen: "America".