Am 8. April 1904 bekommt der bislang gesichtslose "Long Acre Square" im Herzen Manhattans einen neuen Namen: "Times Square" - wie die "New York Times". Bald schon ist der Platz das glitzernde Zentrum der Theater- und Kulturlandschaft.
Jede Weltmetropole, die etwas auf sich hält, trumpft mit einem weltberühmten Platz auf, der den Charakter der Stadt unnachahmlich widerspiegelt. London hat den eleganten und doch wuseligen Piccadilly Circus, Moskau den Roten Platz, der neben dem Kreml extra viel Platz für Militärparaden bietet. Und New York City hat die Diva unter den Plätzen dieser Welt, den Times Square. Funkelnd, angeberisch, mit Licht- und mit Schattenseiten, mit einer makellosen Oberfläche und einer verruchten Vergangenheit.
Trotz Leuchtreklame das dunkle Herz New Yorks
New York, das war schließlich mal die Hochburg des Verbrechens. Vor allem rund um den Times Square hielt sich keine ehrbare Familie länger als nötig auf. Mitte der 1970er Jahre war der berühmteste Platz in New York auch berüchtigtste: eine schmuddelige Ansammlung von Strip Clubs, Sexläden und schmierigen Kneipen.
Der Times Square war das dunkle Herz des Big Apple, und wer noch mal sehen will, wie es schlug, muss sich den Film "Taxi Driver" ansehen, von 1976. Robert de Niro dreht dort seine nächtlichen Runden mit dem Taxi und schimpft hasserfüllt auf die Stadt und ihre Bewohner. "Ich hoffe, eines Tages wird ein großer Regen kommen und diesen ganzen Abschaum von der Straße spülen", so monologisiert der "Taxi Driver".
Prophetische Worte, denn der Regen kam in der Tat, in Form des wirtschaftlichen Aufschwungs in den 1990er Jahren. Der Geldregen spülte die Sexshops, die Halbwelt und die Unterwelt fort. Gegen die Macht der Walt Disney Company und anderer Großkonzerne hatten Gangster keine Chance. Die historischen Theater rund um den Times Square und vor allem in der 42nd Street wurden restauriert, ein Gebäude nach dem anderen erstrahlte in neuem Glanz, und die Millionen Lichter der Reklamen funkeln seitdem heller denn je.
"The new Times Square", so wedeln die quietschbunten Fähnchen, der "neue" Times Square ist zu einem profitablen Leben erweckt worden. Sein erstes Leben - oder eigentlich die Geburt verdankt der Times-Square dem Zeitungsverleger Adolph Ochs. An der Wende zum 20. Jahrhundert stand Ochs an der Spitze der "New York Times", deren Redaktionsräume im Süden von Manhattan allerdings sehr beengt waren. Ochs beschloss umzuziehen, und zwar im ganz großen Stil.
"Long Acre Square" klang zu langweilig
Er ließ einen 22-stöckigen Wolkenkratzer errichten, an einem bis dahin eher unauffälligen Platz namens "Long Acre Square", dort, wo der Broadway und die Seventh Avenue sich in Form einer Sanduhr kreuzen. "Long Acre Square", das klang aber viel zu langweilig für den neuen Sitz von New Yorks berühmter Zeitung, also machte Adolph Ochs Druck bei der Stadtverwaltung und die gab nach. Zu Ehren der New York Times wurde der Platz umgetauft, in Times Square, am 8. April 1904.