Wenn Eugen Sandow auf die Bühne kam, dann hielt das Publikum den Atem an. Nicht nur weil er unglaublich stark war, er war auch (fast) so nackt wie Gott ihn schuf. Geboren wurde Eugen Sandow am 2. April 1867.
Wer Mr. Olympia gewinnt, den wichtigsten Bodybuilder-Wettbewerb überhaupt, bekommt neben ganz viel Preisgeld eine Trophäe in Form eines spärlich bekleideten Muskelmannes. Es ist ein Abbild von Eugen Sandow, geboren am
2. April 1867 in Königsberg, dem Urvater des Kraftsports. In den Pranken seiner aufgeblähten Nachfolger wirkt sein Körper allerdings ziemlich schmächtig. Irgendwas muss effizienter geworden sein seit der Gründerzeit - die Medikamentencocktails vielleicht.
Muskeltraining statt Medizinstudium
Seis drum. An der Wende zum 20. Jahrhundert war Eugen Sandow ein Star. Die fortschreitende Industrialisierung erzeugte immer mehr Schreibtischjobs und ließ die Muskeln verkümmern - Körperkult hatte Hochkonjunktur. Schon als kleiner Knabe bewunderte Eugen Sandow die Kraftprotze auf den Jahrmärkten, und als Medizinstudent verbrachte er seine Zeit, von ein paar Anatomiestudien abgesehen, mit ganz viel Gewichte stemmen.
Der enttäuschte Vater strich den Unterhalt - und Eugen schloss sich einem Zirkus an und tourte durch Europa. Bald hatte er eine eigene Bühnenshow und füllte große Hallen in den USA und in England. Auf einem großen Brett auf seiner Brust balancierte er ein Piano und acht Orchestermusiker. Wenn er die Riesenhantel niederlegte, die er gerade über den Kopf gestemmt hatte, stiegen rechts und 1inks zwei erwachsene Männer aus den Kugeln. Lebende Pferde mussten es sich gefallen lassen, von der Bühne getragen zu werden, und auch der Löwe, der mal auf ihn losgelassen wurde, hatte nicht den Hauch einer Chance.
Doch das Publikum kam nicht allein wegen seiner schieren Kraft, sondern auch, weil es etwas zu sehen gab: nackte Haut. In der prüden viktorianischen Gesellschaft, in der selbst die Tischbeine unter langen Tischdecken verschwanden, war die Schaulust umso größer.
Königlicher Fitness-Berater
Eugen Sandow tat, was er konnte. Trat nur mit einem Feigenblatt bekleidet auf die Bühne, den ganzen Körper bronzefarben angemalt, das Haar golden gepudert. Wenn er posierte, dann im Stil der alten Griechen und Römer und selbstverständlich nur, um die klassische Bildung zu befördern. Aber gegen eine großzügige Spende für wohltätige Zwecke durften die Society-Ladies nach der Show gerne auch hinter die Bühne, um seine Muskeln zu befühlen.