Der Zugang zur spektakulären Lurgrotte ist nur 40 cm hoch - trotzdem entdecken ihn Grazer Höhlenforscher am 1. April 1894. Sehr zum Missfallen der Konkurrenten, die das Loch heimlich verstopfen. Und einen fatalen Fehler machen.
Wo bitte ist das Drehbuch, wo Tobias Moretti in der Rolle des Höhlenforschers Max Brunello? Fast ein Wunder, dass jenes Drama, das sich im April 1894 in und vor der so genannten Lurgrotte bei Graz abgespielt hat, noch nicht verfilmt wurde. Denn was sich da zwischen bizarren Tropfsteinen und gähnenden Abgründen abspielte, ist mehr als nur eine Beinahe-Katastrophe mit Happy end. Es ist eine Geschichte, die von Angst, Kälte und kühnen Rettungsversuchen erzählt, aber halt auch von krummen Touren.
Höhlenforscher in der Falle
Am Anfang ist ein Wettstreit: Zwei Vereine, die "Steirische Gesellschaft für Höhlenforschungen" aus Graz und ihre Konkurrenten, die Semriacher "Schöckelfreunde", versuchen unabhängig voneinander tief in das weitverzweigte System der Lurgrotte vorzudringen.
Es sind die Grazer, die am 1. April 1894 zuerst den Eingang finden: einen nur 40 cm hohen und fünf Meter langen Kanal, steirisch "Schluf" genannt. Dahinter tut sich eine Sensation auf: ein riesiger Saal. 130 Meter lang, 80 Meter breit,
40 Meter hoch! Eine der größten Höhlen der Welt. Die Zeitungen sind voll davon.
Das wurmt die Schöckelfreunde enorm. Fieberhaft suchen sie den "Schluf", finden ihn, und als sie Wind davon bekommen, dass die unliebsamen Konkurrenten am 29. April zu einer weiteren Expedition aufbrechen wollen, haben sie die Nase voll. Sie verstopfen das Schlufloch mit Geröll, Lehm und Ästen. Die Grazer sollen es nicht mehr finden.
Allerdings: Die sieben Hobby-Speläologen sind schon längst drin in der Lurgrotte. Im Licht der Fackeln tauchen immer noch schönere Tropfsteingebilde auf, bis sie ein tiefer Abgrund zur Umkehr zwingt. Den mutwillig versperrten "Schluf" aber bekommen die Männer nicht mehr frei, und vor dem Loch staut sich das Wasser. Inzwischen hat es draußen nämlich kräftig zu regnen begonnen.
Daheim in Graz wird die Gattin eines Expeditionsteilnehmers nervös und schlägt Alarm. Das Rettungskommando übernimmt der geländekundige Höhlenforscher Max Brunello. Unter seiner Leitung versuchen hunderte Helfer samt den Pionieren des k.und k. Infanterieregiments fieberhaft Dämme zu bauen, um den "Schluf" freizulegen. Es regnet unaufhörlich.
Rettung nach sieben Tagen
Drinnen teilen sich, immer kleinlauter, die Männer in den nassen Lodenjoppen den letzten Proviant. Am vierten Tag taucht im tosenden Wasser des unterirdischen Lurbachs eine angeleinte Holzkiste auf. Wurst, Käse und gut durchfeuchtete Semmeln stillen den schlimmsten Hunger. Naht Rettung?
Doch erst nach sieben kalten Tagen knallt es plötzlich. Bergknappen sprengen den Vorstollen des "Schluf", einer zieht mit einem kräftigen Ruck einen dicken Ast aus dem abgefeimten Werk der Schöckelfreunde - und der Gang ist frei.
Die letzten Stunden bis zur endgültigen Befreiung verbringen die Eingeschlossenen singend bei ein paar durchgereichten Flaschen Cognac.
Doch das dicke Ende folgt. Als sie draußen von der begeisterten Menge begrüßt werden, entfährt einem der Geretteten der unbedachte Satz "So a Hetz woa no net da!". Abrupt schlägt die Stimmung um. Bloß Abenteurer sind sie also, keine Helden! Als Held geht stattdessen der unermüdliche Retter Max Brunello aus der Geschichte heraus. Kaiser Franz Joseph I. ehrt ihn mit dem silbernen Verdienstorden.