Echte Vögel und Attrappen aus Plastik sorgten nicht nur beim Publikum für das grausigste Geflatter der Filmgeschichte. Am 28. März 1963 kam Alfred Hitchcocks "Die Vögel" in den USA in die Kinos.
Was war denn das für ein Film? Keine Hintergrundmusik, stattdessen 115 Minuten lang Vogelkrächzen, Vogelkreischen, Vogelschreie, Flügel-Schlagen, erzeugt von einem Vorläufer des Synthesizers, dem sogenannten Mixtur-Trautonium. Und dann diese Attrappen, mit denen die Schulkinder von Bodega Bay kämpfen. Das sieht doch jeder, dass das keine echten Krähen sind.
"Wie haben Sie das gemacht?"
Der Fake, das Gemachte des Films, war offensichtlich. Und dennoch funktionierte er. Ja, "The Birds", also "Die Vögel", die am 28. März 1963 in den USA ins Kino kamen, gilt heute als Höhepunkt im Spätwerk des Meisters der Suspense, der ganz besonderen Spannung. Bei jeder noch so harmlosen Szene fragt man sich unruhig: Wann greifen die Vögel das nächste Mal an? Und was bedeutet die gefiederte Invasion eigentlich? Bis zuletzt bleibt alles in der Schwebe: die Beziehungen der Menschen zueinander wie die Absicht der mordenden Tiere.
Mister Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? wollte der junge Francois Truffaut von dem bewunderten Kollegen wissen, der ihm dann allerlei über Schnitt-Techniken, Kamera-Einstellungen und Perspektivenwechsel erzählte. Aber nichts über die Quellen seiner Inspiration, über "die dunkle Seite des Genies". Erst Jahre später enthüllte der Biograph Donald Spoto, in welch dramatischem Ausmaß den kleinen, dicken Hollywood-Regisseur Ängste und sexuelle Obsessionen beherrscht haben mussten. Psychoanalytisch betrachtet sind die Filme des katholischen Engländers gelungene Kompensationsprodukte einer von Schuldgefühlen gemarterten Phantasie.
Das männliche Geschlechtsteil im Namen
Hitch, wie er sich nannte, mochte nämlich das "Cock", den Hahn, das männliche Geschlechtsteil in seinem Namen nicht. Stellten die lauernden Vogelscharen deshalb wirklich die bedrohliche weibliche Sexualität dar, wie eine Interpretin vermutete? Das grausame Verhalten des Meisters hinter den Kulissen legt zumindest nahe, dass er ein massives Problem mit Frauen hatte. Während der Tierschutzverein für eine pflegliche Behandlung der beteiligten "echten" Vögel sorgte, quälte Hitchcock seine Hauptdarstellerin, das ehemalige Fotomodell Tippi Hedren, in die er heftig verliebt war, bis zum Nervenzusammenbruch.
Er bereitete die unerfahrene Schauspielerin nicht darauf vor, dass sie es beim letzten großen Angriff der Vögel mit lebendigen Krähen, Raben und Möwen zu tun bekäme. Den Drehort umschloss ein riesiger Drahtkäfig. Zwei mit Schutzhandschuhen bekleidete Männer schleuderten unentwegt Vögel auf die kühle Blonde, die irgendwann die Fassung verlor und ihre Angst nicht mehr spielen musste. Als man die Vögel schließlich mit dünnen Nylonfäden an ihrem Kostüm festband, damit sie nicht wegfliegen konnten, floss nicht nur Filmblut. Tippi Hedren erlebte die schrecklichste Woche ihres Lebens - geopfert für zwei oder drei durchaus beklemmende Minuten in Hitchcocks teuerstem und berühmtestem Film.