Kurbel durch die Kühlerhaube, drehen ... und dann schnell weg! Wer in der Zeit der Automobil-Pioniere sein Fahrzeug anlassen wollte, begab sich in Lebensgefahr. Bis amerikanische Tüftler am 17. Februar 1911 einen guten Tag hatten.
Sie waren unermüdlich. Kannten keine Mittagspause und keinen Feierabend. Die meisten von ihnen blieben über Nacht und schliefen in dem Schuppen, in dem sie arbeiteten. Das Gebäude gehörte einem von ihnen, einem Elektroingenieur namens Deeds. Früher hatte man dort Kutschen untergebracht, Pferde und das Heu für die Tiere. Heute stand dort ein Cadillac, den sie billig gekauft hatten, als eine Art Versuchskaninchen. Ansonsten: ein Generator für Strom, viele Antriebswellen, noch mehr Transmissionsriemen und eine Unmenge Motoren, Werkzeuge und Arbeitstische. Der Schuppen war eine Erfinderwerkstatt. Und grade eben hatten die Herren Erfinder einen ausgesprochen kniffligen Auftrag an Land gezogen. Es ging darum, diesen Cadillac elektrisch zu starten.
"Nie wieder soll ein Cadillac einen Menschen töten."
Wie startet man einen Automotor? Ganz einfach. Man nimmt eine große, schwere Kurbel und steckt sie vorne durch die Kühlerhaube direkt in den Motor. Dann kurbelt man los, bis der Funke der Zündanlage den Motor startet und er sich von selbst weiterdreht. Die Methode ist simpel und erfordert nicht nur Körperkraft, sondern auch Mut und Vorsicht. Es kann nämlich passieren, dass das Auto, sobald der Motor anspringt, einen Satz nach vorne macht. Und wenn man die Kurbel aus dem anspringenden Motor nicht rechtzeitig rauszieht, kann es passieren, dass sie mit Wucht ausschlägt und einem dabei den Arm oder sonst was bricht.
Neulich erst hat die Kurbel sogar jemanden umgebracht. Ein freundlicher älterer Herrn namens Carter, Autobauer in Detroit, hatte einer Dame geholfen, ihren liegengebliebenen Cadillac wieder anzukurbeln. Dabei hatte ihm die Kurbel ins Gesicht geschlagen und ihm den Unterkiefer gebrochen. Ein paar Tage später war Carter tot. Eine betrübliche Sache, auch für den Chef von Cadillac, Henry Leland, der mit Carter befreundet gewesen war. Leland sagte: "Nie wieder soll ein Cadillac einen Menschen töten, wenn wir das verhindern können." Und so sind jetzt in Deeds' Scheune, unermüdlich, rund um die Uhr, erfinderische Ingenieure und Mechaniker dabei, Menschenleben zu retten.
Wie lässt sich ein Auto ohne Kurbel starten? Die Antwort ist simpel: Ein zweiter Motor muss her, einzig zu dem Zweck, den Hauptmotor anzulassen. Das Problem: Das Rad, das da in Schwung gebracht werden muss, ist groß und schwer. Weswegen die meisten Autoexperten der Meinung sind, der Anlassermotor müsse genau so groß sein wie der Hauptmotor selbst, und damit hätte man nichts gewonnen. Die Jungs im Schuppen sind da anderer Meinung.
Die zündende Idee stammte vom Boss selbst. Charles Kettering, ihrem Obererfinder, war aufgefallen, dass dieser Startermotor ja gar nicht die ganze Zeit über laufen muss. Er muss nur einen kurzen Moment sehr stark sein, so lange, bis der Automotor angesprungen ist. Danach braucht man ihn schon nicht mehr. Und das ändert vieles. So einen Motor können die Jungs in der Scheune klein und handlich konstruieren. Und daran arbeiten sie jetzt, unermüdlich, rund um die Uhr.
Ein Knopfdruck und das Auto läuft
Am 17. Februar 1911 ist es dann so weit. Der neue Anlassermotor ist fertig, handlich und klein, und läuft, der Versuchskaninchen-Cadillac springt problemlos an, wenn man auf einen Knopf neben dem Lenkrad drückt, der Cadillac-Chef ist begeistert und die Kurbel überflüssig. Bald schon wird kein Auto mehr ohne elektrischen Anlasser vom Band rollen, Charles Kettering wird reich und berühmt werden, und aus der Erfinder-Scheune werden sie ein Museum machen. "Ich interessiere mich sehr für die Zukunft," hatte Kettering gesagt. "Weil ich nämlich den Rest meines Lebens dort leben werde."