Wang Qi kehrte nach Hause zurück und prahlte zu seiner Frau:"Ich habe einen Unsterblichen getroffen und magische Künste gelernt. Sogar kann eine Wand mich nicht versperren." Seine Frau glaubte ihn nicht. Dann murmelte Wang Qi die Zauberformeln und lief gegen die Wand. Mit einem Geräusch stieß Wang Qis Kopf an die Wand, und er fiel auf den Boden. Seine Frau richtete ihn eilends auf und sah, daß er von dem Stoß eine große Beule auf der Stirn bekam. Wang Qi ließ seinen Kopf ganz niedergeschlagen hängen. Seine Frau wußte nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, und sagte:"Selbst wenn es in der Welt wirklich magische Künste gibt, kannst du sie auch innerhalb 2 oder 3 Monate nicht beherrschen." Wang Qi erinnerte sich daran, daß er an jenem Abend tatsächlich durch die Wand gegangen war, und dachte, daß der Unsterbliche ihn zum Narren gehalten hatte. Aus Wut spie er Gift und Galle gegen den Taoisten im Laoshan-Berg. Danach blieb Wang Qi immer noch ein ignoranter und inkompetenter Mann.
"Die Aufzeichnung der ungewöhnlichen Geschichten in der Liaozhai-Stube" (Liao Zhai Zhi Yi) ist die bekannteste Erzählungssammlung der kuriosen Geschichten im alten China. Darin gibt es mehrere interessante Geschichten, darunter "der Taoist im Laoshan-Berg".
Es war einmal am Meer ein Berg mit dem Namen Laoshan, und darauf lebte ein Unsterblicher, der Taoist im Laoshan-Berg genannt wurde. Man sagte, daß er zahlreiche magische Künste, die die Irdischen nicht beherrschen konnten, hatte. In einem Kreis mehrere hundert li entfernt vom Laoshan-Berg lebte ein Mann namens Wang Qi. Von klein auf beneidete Wang Qi magische Künste. So ging er nach dem Laoshan-Berg und traf den Unsterblichen. Wang Qi bat den Taoisten, ihn als Jünger aufzunehmen. Der Taoist sagte:" Du bist verwöhnt und verzärtelt, und wirst keine Not erleiden." Wang Qi bat ihn immer wieder darum, und endlich erkannte der Unsterbliche seine Bitte an.
Wang Qi dachte, daß er bald magische Künste erlernen würde, und war sehr fröhlich. Am nächsten Tag ging er zu seinem Meister. Ausgerechnet gab der Taoist ihm eine Axt und ließ ihn zusammen mit seinen älteren Mitlehrlingen auf dem Berg Holz hacken. Wang Qi war ganz unfreudig, aber er hatte zu tun, was sein Meister gesagt hatte. Überall auf dem Berg gab es Dornen und Steine. Ehe die Sonne untergegangen war, rieb Wang Qi sich an Händen und Füßen Blasen.
Ein Monat war im Handumdrehen vergangen. Wang Qi hatte an Händen und Füßen viele Schwielen. Er konnte die tägliche harte Arbeit nicht mehr dulden und wollte zurück nach Hause gehen. Am Abend kehrten Wang Qi und seine älteren Mitlehrlinge zum taoistischen Tempel zurück. Sie sahen, daß ihr Meister zusammen mit zwei Gästen Wein trinken. Damals war es bereits dunkel, und im Haus wurde noch kein Licht angezündet. Der Meister nahm ein weißes Papier und scherte es in der Form eines runden Spiegels. Dann klebte er das Papier an die Wand. In einem Augenblick schien das runde Blatt wie der Mond, und das ganze Zimmer war ziemlich hell. Ein Gast sagte:"Ein so fröhliches Bankett an einem so schönen Abend sollen alle Leute gemeinsam genießen." So nahm der Meister eine Kanne Wein und gab sie seinen Jüngern zu Trinken. Wang Qi dachte heimlich:"Wie kann eine so kleine Kanne Wein für uns so viele Leute genügend sein?" Die Jünger gossen sich den Wein ein. Es war ganz merkwürdig, daß die Kanne nach wiederholtem Eingießen noch voll war. Wang Qi war ziemlich erstaunt. Nach einer Weile sagte der andere Gast zu dem Meister:"Obwohl der Mond hell ist, ist es langweilig, nur Wein zu trinken. Es wäre besser, wenn jemand uns mit Gesang und Tanz begleiten würde." So nahm der Taoist lächelnd ein Eßstäbchen und warf es nach dem runden weißen Papier. Plötzlich ging aus dem Mondlicht eine zirka 1 chi große Frau. Als sie auf den Boden sprang, war sie so groß wie allgemeine Leute und hatte schlanke Gestalt und weiße Haut. Mit flatternder Kleidung sang und tanzte sie. Nach einem Lied sprang die Frau auf den Tisch. Als die Leute bestürzt waren, verwandelte sie sich wieder in ein Eßstäbchen. Wang Qi war völlig verblüfft, als er all dies sah. Dann sagte ein Gast:"Ich bin sehr freudig. Allerdings müssen wir jetzt zurückkehren." So bewegten der Taoist und die zwei Gäste das Bankett in den Mond. Allmählich wurde das Mondlicht dunkel. Die Jünger zündeten die Kerzen an. Sie sahen, daß ihr Meister allein saß. Die Gäste waren bereits gegangen. Nur waren Speise- und Trankreste auf dem Tisch übriggeblieben.
Wieder verging ein Monat. Der Meister lehrte noch keine magischen Künste. Wang Qi konnte dies nicht mehr aushalten. Er ging zu seinem Meister und sagte:"Ich bin von weit hergekommen. Selbst wenn ich keine magischen Künste zur Langlebigkeit lernen würde, könnten Sie mir eine andere kleine Kunst lehren. Dies gilt auch als ein Trost für mich." Sein Meister lächelte und sagte nichts. Dann sagte Wang Qi in aller Hast:" Jetzt bin ich sehr früh aufgestanden und ganz spät zurückgekehrt. Ich hacke täglich Holz und mähe Gras. Vorher zu Hause habe ich niemals solche Not erlitten." Der Meister sagte lächelnd:"Ich habe schon längst gewußt, daß du kein Schweres ertragen kannst. Jetzt ist es tatsächlich so. Morgen kannst du nach Hause gehen." Wang Qi flehte an:"Meister, bitte lehren Sie mir eine kleine Kunst. Dann bin ich auch nicht vergebens hierher gekommen." Der Meister fragte:"Welche Kunst willst du lernen?" Wang Qi antwortete:"Ich habe gesehen, daß Sie durch die Wand gehen können. Ich will diese Kunst lernen." Der Meister sagte lächelnd zu und ging mit Wang Qi vor eine Wand. Der Unsterbliche lehrte Wang Qi die Zauberformeln zum Durchgehen der Wand und ließ ihn dies murmeln. Gerade Wang Qi mit den Zauberformeln fertig waren, zeigte der Taoist auf die Wand und rief:"Geh in die Wand!" Wang Qi stand vor der Wand mit zitternden Beinen und wagte nicht, vorwärtszugehen. Der Meister rief wieder:"Versuch mal! Geh hinein!" Wang Qi ging einige Schritte vor und stand wieder still. Der Meister sagte unfreudig." Senk deinen Kopf und stürm vorwärts!" Wang Qi nahm seine Kräfte zusammen und lief vorwärts. Unbemerkt ging er bereits an die andere Seite der Wand. Wang Qi war äußerst fröhlich und dankte seinem Meister eilig dafür. Der Meister sagte zu ihm:"Nach der Rückkehr sollst du ein fleißiger und anständiger Mann sein. Sonst wird die Kunst nicht wirksam."