Ich fuhr ziellos durch Paris. In ein paar Stunden würde mich ein Flieger in den Süden bringen und so lange fuhr ich aus lauter Langeweile den Tank meines Beatles leer. Dicke Tropfen platschten auf die Fensterscheibe und rannen in kleinen Sturzbächen auf meine Motorhaube. Der Scheibenwischer quietschte, während das Radio versuchte, die Regentropfen zu übertönen.
Als ich in eine wenig befahrene Allee bog, traute ich meinen Augen nicht. Da stand im Platzregen ein etwa 35 jähriger nackter Mann, im Schatten einer Häuserwand und versuchte seine Blöße mit einem Kissen zu bedecken. Grinsend öffnete ich das Fenster: "Brauchen Sie Hilfe?"
"Ich muss zum Flughafen." Seine Zähne klapperten. Eine frische Brise wehte ihm durchs Haar, während der Regen ihm zusetzte.
"So?", Dann brach es aus mir heraus. Ein herzhaftes Lachen, worauf mein Gegenüber das attraktive Gesicht zu einer Grimasse verzog.
"Herzlichen dank! Bitte, fahren Sie jetzt nicht weg. Ich brauche Hilfe!"
"Na los, kommen Sie." Als er einstieg, umhüllte mich eine Wolke herben After Shaves. Mein Puls überschlug sich. Ich starrte ihn an. Um wieder Kontrolle über die Lage zu bringen, stellte ich mich vor: "Mein Name ist Melanie." Wir reichten uns die Hände. Seine Haut fühlte sich weich an. Was für einen Beruf mochten diese Finger ausüben? Er behielt meine immer noch fest umschlossen.
"Ich heiße, Julien de Marco. Verzeihen Sie meinen Aufzug, aber missliche Umstände brachten mich in diese peinliche Situation. Während ich mir die Umstände vorstellte, lachte ich wieder. Seine Muskeln verkrampften sich unter der Haut und so ließ ich ihn und mein Lächeln los und drehte die Heizung auf. Dankbarkeit sprach aus seinen Augen. Doch da war noch etwas in seinem Blick. Flirtete er? Sicher, er sah aus wie ein junger Gott, während Regentropfen von seiner Brust perlten, aber wenn man aus einem Schaffzimmer fliegt, flirtet man dann gleich wieder? Sein Anblick brachte mich aus der Fassung. Ich hatte das Gefühl, das ganze Himmelreich sei in meinen Beatle gezogen. Schnell sagt ich: "Zum Flughafen also? Sie haben Glück, das ist genau mein Weg." Verzweifelt schaute er mich an. "Vielleicht doch erstmal ins Hotel." Ich versuchte nicht weiter seinen athletischen Körper zu betrachten. Hätte er mich gebeten, wäre ich mit ihn um die ganze Welt gefahren, aber so fuhr ich nur bis zu seiner Unterkunft.
"Wie wollen Sie jetzt reinkommen?" Seine Augen lächelten mich an. Etwas passierte mit mir. In meinem Kopf rumorte es: Oh nein, fang bloß nicht an, diesen Streuner sympathisch zu finden. Hilf ihm und dann verschwinde. Er unterbrach meine Gedanken.
"Würden Sie bitte für mich auf mein Zimmer gehen und mir meine Sachen bringen. Es ist Zimmer 223. Fragen Sie einfach nach dem Schlüssel." Seine Lippen öffneten sich, aber er sagte nichts. Eine Ewigkeit, oder auch nur einen Herzschlag lang, schaute er mich an. "Sie sehen verstört aus, Madame."
"Ich frage nicht nach Ihren Schlüssel und verstört sehe ich auch nicht aus! Wenn jemand verstört aussieht, dann sind Sie das!" Die Situation war zu dumm. Da saß dieser nackte Adonis in meinen Wagen und ich traute mich nicht, nach einem fremden Schlüssel zu fragen.
"Soll ich gehen?" Er machte mich schwach.
"Ok, ok, ich geh schon." Ich stieg aus, drehte mich noch mal um und meinte brüsk: "Schauen Sie mir nicht auf den Arsch, Sie sind nicht in der Position zu flirten!"
Er schenkte mir ein Lächeln, das Leonardo da Vincis Monalisa nicht toppen konnte. Später nahmen wir einen Drink in der Lobby, wo er mir von der kleinen Französin erzählte. Ihren früher heimkommenden Ehemann wollte er nicht kennen lernen und so kam es, dass er fast nackt türmte. Diesmal lachten wir gemeinsam. Ich hätte mein ganzes Leben dort sitzen können, aber die Zeit drängte. Mein Flieger würde nicht warten. Ich verabschiedete mich, ohne seine Telefonnummer anzunehmen.
Im Flugzeug genoss ich eine traumhafte Aussicht auf Paris. Nur sah ich nicht die Stadt, sondern Julien de Marco. Die Flugbegleiterin unterbrach meine Gedanken: "Der Captain möchte Sie sprechen." Saß ich im falschen Flieger? Jetzt wäre es sowieso zu spät.
Ich konnte es nicht glauben, als ich den Captain in seiner perfekten Uniform sah und wusste, dass ich diesen Mann, Stunden vorher, nackt aus einem Pariser Vorgarten gerettet hatte.
"Setzen Sie sich, der Notsitz neben mir ist für Sie reserviert." Er lächelte und zwinkerte mir zu.