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德语科幻短篇:Die Sonnenanbeter

时间:2011-12-01来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: 德语科幻短篇

 Der Vortrag hatte schon begonnen, als Formica durch den Eingang schlüpfte. Leise folgte sie dem Säurepfad, der sie in die hinteren Ränge leitete. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Es gab aber wirklich wichtigere Veranstaltungen auf dem Kongress als diese hier über "die Sonnenanbeter". Erstaunlich, dass ein solches Außenseiter-Thema überhaupt zugelassen worden war. Am liebsten hätte sie es sausen lassen, aber die Chefin der Informationen vertrat die Ansicht, das dritte Prinzip sei das Wichtigste. Die drei Prinzipien, geschenkt, das lernte man schon im Kindergarten: 1) Wir zuerst, 2) Alle auf den Haufen, 3) Arbeitsteilung ist es. "Informationen sind unsere wichtigste Ressource", wiederholte die Chefin bei jeder Gelegenheit. "Nur die Aufnahme neuer Informationen ermöglicht weitere Spezialisierung. Arbeitsteilung ist es." Ob man sich die Informationen aber ausgerechnet bei solchen Spinnern beschaffen sollte, wagte Formica zu bezweifeln. 

Die Referentin laberte etwas von bahnbrechenden Erkenntnissen aufgrund jüngster Grabungsergebnisse in der Sprungschicht. Ach, die Sprungschicht, die dünne Lage im Sedimentgestein, die die Vorzeit von der Neuzeit trennte. Das war Jahrhunderte lang ein heiß diskutiertes Thema gewesen, schließlich ging es dabei um die Ursprünge der Zivilisation. Oberhalb der Sprungschicht war alles anders. Es wurden dort nur noch selten Überreste von Wirbeltieren gefunden. Diese waren viel kleiner als die verwandter Arten unterhalb der Sprungschicht, dafür waren sie aber auf den ganzen Erde verstreut. Auch bei pflanzlichen Fossilien war eine merkwürdige Neuverteilung zu beobachten. Was vorher nur auf einem Kontinent aufgetreten war, wuchs plötzlich überall, wo es die klimatischen Verhältnisse zuließen. Es war, als hätte ein gewaltiger Wirbelsturm die ganze Erde erfasst und die meisten Arten vernichtet, die übrigen aber entwurzelt und überall hingetragen. Die Sturm-Theorie für den Beginn der neuen Evolution hatte lange die vorherrschende Lehrmeinung dargestellt. Es war nun aber schon fast 50 Jahre her, dass diese Theorie aufgegeben worden war zugunsten der Meteoriten-Hypothese. Bei allen ernst zu nehmenden Wissenschaftlern bestand Konsens darüber, dass die Sprungschicht in ähnlicher Weise zu erklären war wie der ein wenig weiter zurückliegende Wechsel im Artenbestand der Wirbeltiere. Damals war durch den Einschlag eines großen Meteoriten die artenreiche Reptilien-Fauna weitgehend vernichtet worden. Danach entwickelten sich sprunghaft die Säugetiere. 
He, waren das nicht Säugetierknochen, die die Referentin jetzt projizierte? Gut, dass diese hässlichen, haarigen Riesenviecher weitgehend ausgestorben waren, mal abgesehen von Miniatur-Ratten. Keine vernünftige Arbeitsteilung - ein solcher Bauplan war auf Dauer nicht konkurrenzfähig. Bei den Säugetieren legten alle Weibchen Eier, aber nur ganz wenige. Ach was, sie legten sie nicht, sondern bebrüteten sie auch noch in ihrem Bauch und pressten sie dann unter Krämpfen aus. Formica erinnerte sich mit Schaudern an die bewegte Projektion einer kreißenden Ratte. "Wir zuerst", dachte sie. Alle vielgestaltigen und vielfältig spezialisierten Mitglieder unseres Haufens sind von der Königinmutter in die Welt gelegt worden. 
Die Säugetierwelle, die fast ein Jahrzehnt lang die Mode beherrscht hatte, sollte nun allmählich aber wirklich vorbei sein. Pessimisten hatten damals den Himmel beobachtet und versucht, die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Meteoriten-Einschlags zu berechnen, der unsere Zivilisation vernichten könnte. Jedem halbwegs vernünftigen Wesen müsste klar sein, dass uns so etwas nicht passieren kann. Wir zuerst: Uns gab es schon vor Urzeiten, und wir haben alle Katastrophen überstanden. Wir sind klein und anpassungsfähig. Alle auf den Haufen: wir halten zusammen. Seit den Ereignissen zur Zeit der Sprungschicht hat sich unsere Intelligenz multipliziert. Wir können ungeheure Mengen an Informationen verarbeiten und uns immer weiter spezialisieren. Arbeitsteilung ist es. 
Die Referentin gehörte offenbar zu den ewig Gestrigen, die immer wieder versuchen, abgelebte Ideen als neue Erkenntnisse zu verkaufen. "Die Länglichen", nannte sie ihre Neuausgrabung alter Knochen. Aus der Anatomie dieser plumpen Überreste schloss sie, dass "die Länglichen" ständig auf nur zwei Beinen gegangen wären, die Vorderextremitäten brauchten sie für sonst was. Bescheuert, beim Laufen auf zwei Beine zu verzichten, wenn man sowieso nur vier davon hat. Brauchbare Mundwerkzeuge schienen sie allerdings auch nicht zu besitzen, das Innenskelett des Vorderendes zeigte nichts dergleichen. Für die Beule am Hinterkopf hatte die Referentin eine besonders weit hergeholte Erklärung: dort hatte sich angeblich ein Informations-Organ befunden. Sie ging allen Ernstes so weit, diesen Fossilien eine Art primitiver Intelligenz zuzuschreiben. Die Vorderextremitäten hätten sie möglicherweise zur Herstellung von Artefakten verwendet. In der näheren Umgebung der Knochenfunde wären verschiedene Objekte unterschiedlicher Form und Größe aus noch nicht näher analysierten schwer zersetzbaren Materialien gefunden worden. Vielleicht ihre Exkremente? Jedenfalls: eine Müll produzierende Art. So etwas musste doch auf Dauer in den eigenen Abfällen ersticken. 
Was war denn nun eigentlich mit den "Sonnenanbetern"? Allmählich schien sich die Referentin doch noch dem Thema des Vortrags zu nähern. Besonders häufig wäre in der Umgebung der Länglichen ein bestimmter Typ von Artefakten aufgetreten, den sie "Sonnenscheibe" nannte. Es handelte sich um kreisrunde flache Objekte mit einem Loch im Zentrum. Manchmal hatten sie mehrere dieser Objekte gefunden, die auf einer Achse gestapelt waren. Die Referentin zeigte verschiedene Projektionen dieser "Sonnenscheiben". Aus dem Saal kam die Frage, was denn diese Objekte mit der Sonne zu tun haben sollten. Die Antwort der Referentin war ein wenig unsicher. Wenn auch die Oberfläche dieser Scheiben jetzt matt und stumpf sei, könnte sie doch nach Ansicht ihrer Forschungsgruppe im ursprünglichen Zustand glänzend und reflektierend gewesen sein, was erste Untersuchungen auch nahe legten. Diese Annahme in Verbindung mit der vollkommen runden Form lassen die Objekte als Abbilder der Sonne erscheinen, als Sonnenscheiben. Die Länglichen hätten die Sonne als Leben spendende Energiequelle erkannt und verehrt. Mit ihren Vorderextremitäten stellten sie die Scheiben her, um "die Sonne zu fangen". 
Formica kratzte sich am Kopf. Langsam wurde es poetisch! War das ein wissenschaftlicher Vortrag oder eine Dichterlesung? Die Referentin war anscheinend nicht mehr zu bremsen. Jetzt spekulierte sie über einen Kult der Länglichen, bei dem sie die Sonne anbeteten, indem sie die Sonnenscheiben stundenlang um eine Achse drehten. Die Sonnenanbeter - der Name erschien ihr nun berechtigt - wären noch weiter gegangen in ihrem wahnhaften Kult. Zuletzt hätten sie versucht, nicht nur die Gestalt der Sonne, sondern auch ihre Kraft auf der Erde selbst zu erzeugen. Es wäre ihnen sogar gelungen, und das war ihr Untergang. Die Referentin, die offenbar Sinn für spektakuläre Auftritte hatte, schloss ihren Vortrag mit einer abenteuerlichen Spekulation: Die neu ausgegrabenen Säugetierfossilien hätten am Ende ihrer Lebenszeit eine Sonne erzeugt, deren gewaltige Energie und Strahlkraft in einer riesigen Explosion das Leben auf der Erde zum größten Teil vernichtet hätte. Das sei die wahre Ursache für die Sprungschicht. 
Im Saal herrschte Stille; nur das leise Brummen der Projektoren war zu vernehmen. Die Absurdität dieser Idee entfaltete eine hypnotische Wirkung. Immer langsamer drehte sich die Projektion der Sonnenscheibe. Formica starrte wie gebannt nach vorn. Wenn man den Boden der Wissenschaft erst einmal verlassen hat, kann man sich auf Mythen und Märchen einlassen. Vielleicht waren diese Sonnenanbeter mit ihrem katastrophalen Kult eine notwendige Vorstufe bei der Entwicklung intelligenten Lebens auf der Erde gewesen. Träumerisch facettierte sie das Symbol auf der Sonnenscheibe, dessen tiefen und geheimen Sinn sie nur dunkel erahnen konnte: AOL 
 
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