Heut bin ich durch den fremden Wald gegangen,
Abseits von Dorf und Feld und Erntemühen.
Den ganzen Tag trug ich ein Herzverlangen
Nach diesem Gang. Nun stahl das erste Glühen
Des Abends heimlich sich ins Dämmerreich
Des Buchenschlages, und das Laub entbrannte
In einem roten Gold ringsum, und gleich
Glühwürmchen lag's auf Moos und Kraut. Ich kannte
Nicht Weg und Steg und ließ dem Fuß den Willen,
Der ziellos ging, indes die Augen schweifen.
Hier stand ich still und sah, erschreckt vom schrillen
Raubvogelruf, den Weih die Wipfel streifen.
Dort lockte mich die schwarze Brombeerfrucht,
Ein Schneckenpaar, das einen Pilz bestieg,
Und eines späten Falters scheue Flucht.
Und um mich war das Schweigen, das nicht schwieg,
Das Laute spann, spinnwebenfeine Laute,
Womit es sich dem alten Wald vertraute.
Und als ich stand und so der Stille lauschte,
Ganz hingegeben ihrem Raunen, lenkte
Ein Buntspecht, der durchs niedere Laubdach rauschte,
Meine Auge nach sich, und nun es sich senkte,
Sah ich zwei Herzen in des Bäumchens Rinde,
Verschränkte Herzen, heut erst eingeschnitten;
Es tropfte noch das Blut der jungen Linde,
Die fremder Liebe willen Schmerz gelitten.
Und als ich weiter schritt, gab mir zur Seite
Ein junges Angesicht traumhaft Geleite.
Und Zwiesprach hielt ich mit dem Weggesellen
Von kranken Nächten und vergrämten Tagen,
Und ließ das rote Blut der Liebe quellen
Und alle Wunden meines Herzens klagen.
Und Tempelstille heiligte den Wald,
Nur meiner Seele große Qual ward laut.
Der holde Schatten ward zur Lichtgestalt,
Und ihr zu Füßen sank ich in das Kraut
Und flüsterte: „Geliebte“. Stammelte:
„Geliebte. Liebstes. Seele. Hör mich an.
Ich kann nicht mehr. Die Wege, die ich geh,
Sind so voll Dornen. Sieh mein Blut; es kann
Nicht still werden.“ —
— So lag ich, lag
Am Wege so; und um mich starb der Tag.
Da stand ich auf und war allein und ging
Auf schmalem Pfad, der durchs Gestrüpp sich wand,
Dem Ausgang zu. Dort überm Felde hing
Der stille Mond und kleidete den Rand
Des Waldes weit in Frieden und in Licht,
Mir aber kam die selge Ruhe nicht.
Am Waldrand stand, flimmernd im Mondenschein,
Ein Eichbaum. Von der rissigen Rinde hub
Ein eingekerbtes Kreuz sich ab. Allein
Die Klinge, die dem Stamm die Wunde grub,
War abgebrochen, und das rostige Stück
Stak unterm Kreuz noch in dem alten Baum.
Was redete das Kreuz? Von totem Glück?
Von totem Leid? Von einem toten Traum?
Ein leiser Wind kam übers reife Korn,
Die Büsche rauschten, und in Schatten sank
So Kreuz wie Klinge. Nur ein dürrer Dorn
Am Fuß des alten Baums stand nackt und blank
Im Licht des Mondes. Und es war einmal,
Dass er im Grün die roten Blüten trug,
Flammend, ein selig Frühlingsfeuer. — Qual
Lag in dem Seufzer, den der Wind verschlug,
Und ich ging heim und dachte in der Nacht
Dem Leben nach, das alles sterben macht.