Kollegen lassen sich via Google bis ins kleinste Detail ausforschen. Echte Profis suchen aber nach sich selbst: je mehr Treffer, desto wichtiger. Der Gipfel der Bedeutsamkeit ist ein eigener Wikipedia-Eintrag.
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Rund 36 Prozent aller Angestellten surfen im Job auch privat, das hat eine Umfrage der Jobbörse Monster ergeben. Der Verlag der Deutschen Wirtschaft hat sich der hehren Aufgabe angenommen zu berechnen, welche Kosten dadurch entstehen. Die Experten aus Bonn kamen bei ihren Kalkulationen auf die stolze Summe von 54 Millionen Euro. Dafür hätte man zum Beispiel das Internetportal StudiVZ kaufen können. Man könnte aber auch die britische Monarchie ein Jahr lang finanzieren oder sich, so wie Siemens, eine hübsch arbeitgeberfreundliche Gewerkschaft kaufen.
Überall da wäre das Geld wohl gewinnbringender investiert, denn der Produktivitätsverlust, der durch das private Surfen entsteht, soll immerhin 50 Prozent der Arbeitsleistung betragen. Legt man der Einfachheit die Wochenstunden zu Grunde, blieben von 40 also nur noch 20, in denen der Kollege wirklich arbeiten würde.
Suchmaschinen-Spionage
Gemeinhin wird ihm unterstellt, er nutze die restliche Zeit für private E-Mails, der Urlaubsplanung oder ersteigere sich mal eben einen Satz Winterreifen bei Ebay. Das mag wohl sein, aber einen noch viel größeren Teil der Arbeitszeit verbringt er mit etwas anderem: der Suchmaschinen-Spionage.
Jeder macht es, aber kaum jemand redet drüber, denn irgendwie haftet der Sache noch etwas Schmutziges an. Freunde, Fremde, Feinde ausgoogeln - das gehört sich doch nicht! Aber was die Konkurrenz so treibt, wo der neue Kollege früher gearbeitet hat, sogar wo er wohnt: All das lässt sich mit einer professionellen Recherche spielend leicht herausfinden. Eine kompetente Überprüfung beginnt schlicht mit dem Namen in Anführungszeichen - "Erika Mustermann" - führt weiter über die Pluszeichen - +lebenslauf +arbeitsproben - und endet mit ganz speziellen Suffixen. +ex* oder +party* etwa fördern häufig interessante Suchergebnisse zu Tage. Das Netz ist die beste Sekundärliteratur, die man sich denken kann.
Hobbyagenten aus dem Kollegenkreis
Dank Google Earth und Google Maps können sich Interessierte inzwischen ihren Weg bis vor fremde Haustüren bahnen. Eigenheim, freistehend, oder Plattenbau, das ist hier die Frage. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps - diese Zeiten sind schon lange vorbei. Niemand mehr sollte sich der Illusion hingeben, er könne sein Privatleben aus dem Job heraushalten.
Seien wir ehrlich: Die Hobbyagenten aus dem Kollegenkreis haben schon längst Akten über uns angelegt, gespeichert, was wir mit wem nach Feierabend treiben und dass wir damals, auf dieser furchtbaren Feier im Studentenwohnheim viel zu viel getrunken haben, wissen sie auch.
Sonntags bei Anne Will
Die Königsdisziplin im Umgang mit der Suchmaschine ist aber das Ego-Googeln: Der Kollege gibt seinen eigenen Namen ein - und binnen einer halben Sekunde teilt ihm die Maschine mit, auf welcher Stufe der Unentbehrlichkeits-Skala er steht: Im sechsstelligen Bereich bewegen sich nur Vorstandsvorsitzende, die so wichtig sind, das sie sonntags abends auch mal bei Anne Will sitzen dürfen. Liegt der Kollege im fünf- oder im oberen vierstelligen Bereich, kann er sich auch noch einreden, die Welt drehe sich ohne ihn nicht weiter. Wer wirklich so bedeutend ist, hat es erst gar nicht nötig, mit seiner Trefferliste hausieren zu gehen.
Kollegen, die jedoch Sätze sagen wie: "Ich habe 5349 Treffer", haben dagegen ein ernsthaftes Ego-Problem. 5000, klar, das ist nicht schlecht, das wollen wir nicht kleinreden. Aber wer es wirklich nötig hat damit zu prahlen, erreicht, was die Berühmtheit angeht, höchstens den Status eines Nebenrollendarstellers der ZDF-Nachmittags-Telenovela. Den würde man auch dann nicht erkennen, wenn er einem in der U-Bahn auf die Füße träte.
Person des öffentlichen Lebens
Doch die Tatsache, dass ihre Power-Point-Präsentation zum Thema "Beitragsrückstandsbearbeitung mit Wechselwirkungen zwischen Sachständen und Prozessen" tatsächlich im Internet zu finden ist, wiegt sie in dem Glauben, ihre Darbietung sei einfach brillant gewesen. Mit der Zuversicht, damit eine Person des öffentlichen Lebens zu sein, können sie Kollegen ruhig ein bisschen von oben herab behandeln. Das gipfelt dann in der lässigen Frage: "Wie, du hast noch keinen Wikipedia-Eintrag?"