Es lebten einst eine Frau und ein Mann, die sich sehnlichst ein Kind wünschten. Leider warteten die beiden vergeblich auf Nachwuchs. Aus dem hinteren Fenster ihres Hauses konnten die Eheleute in einen wunderschönen Garten schauen, in dem prächtige Blumen und duftende Kräuter wuchsen. Weil dieser jedoch einer Zauberin gehörte, wagte niemand über die hohe Mauer dort hineinzuklettern. Eines Tages schaute die Frau aus dem Fenster in den Garten und sah, dass in einem Beet herrliche Rapunzeln standen. Sie leuchteten saftig grün und sahen frisch aus. Die Frau hatte großes Verlangen nach den feinen Rapunzeln. Aber sie wusste, dass sie niemals welche aus dem Zaubergarten bekommen würde. Da sie ihren Hunger nach Rapunzeln nicht stillen konnte, wurde sie von Tag zu Tag blasser und kränker. Da machte ihr Mann sich große Sorgen und fragte die Frau, was ihr denn fehle. Sie sprach: „Wenn ich keine Rapunzeln aus dem Zaubergarten zum Essen bekomme, muss ich sterben.“
Der Mann, der seine Frau sehr liebte, erschrak und dachte sich: „Ich lasse meine Frau nicht sterben und werde ihr die Rapunzeln holen: koste es, was es wolle!“ Als die Abenddämmerung kam, schlich sich der Mann aus dem Haus und kletterte über die Mauer in den Zaubergarten. Er ging sofort zu dem Beet, wo die Rapunzeln standen und pflückte seiner Frau eine gute Portion. Diese bereitete sich sofort einen Salat zu, den sie gierig aufaß. Die Rapunzeln mundeten ihr so gut, dass sie am darauffolgenden Tag noch mehr Lust bekam, welche zu essen. Der Mann fasste sich ein Herz und stieg noch einmal über die Mauer. Doch kaum war er von der Mauer geklettert, stand die Zauberin vor ihm und sprach: „Du elender Dieb, wie kannst Du es wagen in meinen Garten zu steigen, um meine Rapunzeln zu stehlen?“ Der Mann bat um Gnade und beichtete der Zauberin von den Gelüsten seiner Frau. Er sagte zu der Zauberin: „Meine Frau hat die frischen Rapunzeln gesehen und wird sterben, wenn sie keine essen kann.“ Die Zauberin wurde etwas milder und sprach: „Na, wenn das so ist, will ich Dir erlauben, so viel Rapunzeln für Deine Frau zu pflücken, wie Du möchtest. Doch eine Bedingung habe ich noch. Wenn Deine Frau ein Kind zur Welt bringt, musst Du es mir überlassen. Es wird ihm an nichts fehlen und ich kümmere mich um das Kind, als wäre ich seine eigene Mutter.“ Der Mann zitterte am ganzen Körper und war vor Angst gleich mit allem einverstanden.
![图片1](http://xyz.tingroom.com/file/upload//202007/31/113010121.png)