Es war Nacht, und der Himmel hing voller Sterne.
Der Hund schlief in seiner Hütte, die Katze auf dem Speicher und der Mensch in seinem Bette. Der Wind hatte sich zurückgezogen; wohin, wußte niemand. Wenn es sich in der Luft bewegte, so war es die Fledermaus, die lautlos auf ihren weichen Flügeln vorübertanzte. Raschelte es im Gebüsch, so war es die Maus oder der Igel, die zu nächtlicher Kurzweil unterwegs waren.
Aber die großen schwarzen Linden, die als schöne Allee bis zum Pförtchen standen, dufteten so süß und schwer, daß die Bienen in ihren Körben vor Sehnsucht nicht schlafen konnten.
Nur in einem einzigen Fenster im ganzen Hause war Licht.
Das Fenster stand offen, und auf dem Fenster[S. 68]brett saß das hübscheste Mädchen der Welt und schaute in den dunkeln, stillen Garten hinaus.
Ganz ruhig saß sie, und rings um die Scheiben wanden sich grüne Ranken, so daß sie einem Porträt glich, um das jemand einen Kranz gehängt hat.
Da begann die Nachtigall zu singen:
„Gitte... gitte... gitte... gitte... git.“
Es war bloß ein Triller, als wollte sie probieren, wie ihre Stimme in der Stille klang.
„Nun... Nachtigall?“ sagte das junge Mädchen.
Die Nachtigall erwiderte nichts. Da schlug das Mädchen in die Hände und sang, daß es durch den Garten hallte:
„Nachtigall ... Nachtigall ...
deren Schlag das Herze heilt,
wenn es will vergehen.
Sag mir, wo mein Liebster weilt,
und wann wir uns wiedersehen.
Nachtigall ... Nachtigall ...
deren Sang das Herze heilt.
Sing ihn mir herbei
mit lieblicher Schalmei.“