Ueddah, vom Lande Jemen, war berühmt unter den Arabern für seine Schönheit. Er und Om-el-Bonain, Tochter von Abd-el-Asis, dem Sohne Meruans, liebten sich, als sie noch Kinder waren, schon so sehr, daß eins vom andern nicht einen Augenblick getrennt sein mochte.
Als Om-el-Bonain die Frau des Ualid-Ben-Abd-el-Malek wurde, verlor Ueddah den Verstand. Nachdem er lange Zeit in einem Zustand von Wirrnis und Weh hingebracht hatte, begab er sich nach Syrien und fing an, täglich um die Wohnstätte Ualids, des Sohnes Maleks, umher zu streifen, ohne zuerst eine Möglichkeit zu finden, sein Begehren zu erreichen. Zuletzt begegnete er einem jungen Mädchen, das er durch beharrliche Fürsorge an sich zu fesseln verstand. Als er meinte, ihr vertrauen zu können, fragte er sie, ob sie Om-el-Bonain kennte.
»Freilich, sie ist ja meine Herrin,« antwortete das junge Mädchen.
»Nun denn,« fuhr Ueddah fort, »deine Herrin ist meine Base, und willst du ihr Nachricht von mir bringen, so wirst du ihr gewiß Vergnügen bereiten.«
»Ich will sie ihr gern bringen,« erwiderte das junge Mädchen. Und darauf lief sie alsbald zu Om-el-Bonain, um ihr Nachricht von Ueddah zu geben.
»Gib acht, was du sagst!« rief diese, »wie? Ueddah lebt?« – »Gewiß,« erwiderte das Mädchen. »Geh und sag ihm,« fuhr alsbald Om-el-Bonain fort, »er soll nicht weggehn, bis ihm von mir eine Botschaft gekommen ist.« Dann traf sie ihre Maßnahmen, um Ueddah bei sich einzulassen, und daselbst hielt sie ihn versteckt in einer Truhe. Sie ließ ihn heraus, um mit ihm zusammen zu sein, wenn sie sich in Sicherheit glaubte; und wenn jemand kam, der ihn hätte sehen können, so ließ sie ihn wieder in die Truhe gehen.
Eines Tages geschah es, daß man Ualid eine Perle brachte, und er sagte zu einem seiner Diener: »Nimm diese Perle und bringe sie Om-el-Bonain.«
Der Diener nahm die Perle und brachte sie Om-el-Bonain. Er ließ sich aber nicht anmelden und trat ein in einem Augenblick, als sie mit Ueddah zusammen war, also daß er einen Blick in das Gemach Om-el-Bonains werfen konnte, ohne daß sie danach acht hatten. Der Diener Ualids entledigte sich seines Auftrags und bat Om-el-Bonain, ihm etwas zu geben für das Kleinod, das er ihr gebracht hatte. Sie verweigerte ihm das streng und gab ihm einen Verweis. Voll Zorn auf sie, ging der Diener fort, begab sich zu Ualid, sagte ihm, was er gesehen, und beschrieb ihm die Truhe, in die er Ueddah steigen gesehen hatte.
»Du lügst, Sklave ohne Mutter! du lügst!« sagte Ualid. Und ungestüm lief er zu Om-el-Bonain.
Es waren im Gemache mehrere Truhen; er setzte sich auf die, in welcher Ueddah verborgen war und die ihm der Sklave beschrieben hatte, und sagte zu Om-el-Bonain: »Gib mir eine von diesen Truhen.« – »Sie gehören dir alle ebenso wie ich selbst,« antwortete Om-el-Bonain. – »Nun denn,« fuhr Ualid fort, »ich wünsche die zu haben, auf der ich sitze.« – »In dieser sind Sachen, die eine Frau notwendig braucht,« sagte Om-el-Bonain. »Ich will ja nicht diese Sachen, die Truhe möchte ich haben,« fuhr Ualid fort. »Sie ist dein,« antwortete sie.
Alsbald ließ Ualid die Truhe forttragen und ließ zwei Sklaven rufen, denen befahl er, eine Grube in die Erde zu graben so tief, bis Wasser käme. Dann näherte er seinen Mund der Truhe und rief: »Man hat mir etwas gesagt von dir. Hat man mir Wahres gesagt, so sei jede deiner Spuren von dir getrennt, so sei jede Kunde von dir begraben. Hat man mir Falsches gesagt, so tue ich nichts Schlechtes, wenn ich eine Truhe vergrabe; dann wird nur Holz begraben.« Er ließ dann die Truhe in die Grube stoßen und Steine und Erde, die man aufgeworfen hatte, darauf schütten.
Seitdem besuchte Om-el-Bonain unablässig jene Stätte und weinte daselbst, bis man sie eines Tages fand ohne Leben, das Gesicht auf der Erde.