Es lebte bei uns in der Fabrik ein alter Mann mit Spitznamen Kokowanja. Seine Familie hat er verloren und so kam er auf den Gedanken, ein Waisenkind anzunehmen. Er fragte die Nachbarn, ob die jemanden kennen. Die Nachbarn sagten:
- Vor kurzem wurde die Familie von Grigorij Potopajew auf Glinka verwaist. Die älteren Mädchen wurden auf Befehl des Verwalters zur Handarbeit in die Werkstatt geschickt, ein 6-jähriges Mädchen wird aber von keinem gebraucht. Nimm diese Kleine!
- Ein Mädchen würde mir nicht sehr gut passen. Ich möchte lieber einen Buben nehmen. Ich könnte ihm mein Handwerk beibringen, ihn zu meinem Helfer machen. Was soll ich aber mit einem Mädchen anfangen? Was kann ich ein Mädchen lehren?
Dann überlegte er es sich und sagte:
- Ich kannte Grigorij und seine Frau. Die beiden waren lustig und geschickt. Wenn das Mädchen seinen Eltern ähnlich ist, wird es uns zusammen im Hause nicht langweilig sein. Ich nehme das Mädchen. Nur ob es Lust haben wird, mit mir zu gehen?
Die Nachbarn erklärten:
- Es geht dem Mädchen schlecht. Der Verwalter hat das Bauernhaus von Grigorij jemandem übergeben und befahl dafür der Waise Obdach zu gewähren bis sie älter wird. Dieser hat aber eine grosse Familie, die essen auch selbst nicht satt. So fällt die Frau über die Arme her und gönnt ihr auch nicht einmal ein Stück Brot. Das Mädchen ist klein, versteht aber alles und wird dadurch gekränkt. Wie kann es nur von solchem Leben nicht gehen wollen? Du kannst es vielleicht auch überzeugen.
- Das stimmt auch wohl, - antwortet Kokowanja, - ich werde es irgendwie überreden.
So kam er an einem Feiertag zu den Menschen, bei denen die Waise lebte. Er kam und sah - das Haus ist voller Menschen, alt und jung. Am Ofen sitzt ein Mädchen, neben ihm eine graubraune Katze. Das Mädchen ist klein, die Katze ist auch klein und so hager und abgerissen, dass ein seltener Mann solch eine Katze ins Haus lässt. Das Mädchen streichelt die Katze und die schnurrt, und auch so laut, dass es im ganzen Hause zu hören ist. Sah sich Kokowanja das Mädchen an und fragte:
- Ist die das Geschenk von Grigorij?
Die Frau sagt:
- Ja, die ist das. Allein reichte sie uns schon, aber sie hat noch diese zerlumpte Katze irgendwo gefunden. Wir können sie nicht loswerden. Meine Kinder sind schon alle zerkratzt und dabei muss ich sie noch füttern!
Kokowanja sagt:
- Vielleicht sind deine Kinder nicht barmherzig. Bei der schnurrt sie, schau mal!
Dann fragt er die Waise:
- Nun, was sagst du, Geschenkte, ob du mit mir gehen willst?
Das Mädchen wunderte sich:
- Woher weisst du, Opa, dass ich Darenka *) heisse?
- So ist es von sich selbst herausgekommen. Ohne daran zu denken, habe ich geraten.
- Wer bist du aber? - fragt das Mädchen.
- Ich, - antwortet Kokowanja, - bin ein Jäger. Im Sommer wasche ich Sand, suche Gold, und im Winter suche ich im Walde nach einem Ziegenbock, konnte ihn aber bisher nicht finden.
- Willst du ihn schiessen?
- Nein, - antwortet Kokowanja, - ich schiesse nur die einfachen Ziegenböcke, diesen aber nicht. Ich möchte zusehen, auf welcher Stelle er mit seinem rechten Bein aufstampft.
- Wozu brauchst du das?
- Wenn du mit mir gehst, dann erzähle ich dir alles, - antwortete Kokowanja.
Das Mädchen wurde neugierig und sah auch, dass der Alte ein guter Mensch war. So sagte sie:
- Ich gehe mit dir. Aber die Katze Murka must du auch mitnehmen. Sieh nur, wie gut sie ist.
- Das ist nicht der Rede wert, - antwortete Kokowanja. - Solch eine laute Katze nimmt nur ein Dummkopf nicht mit. Sie wird bei uns statt der Balalaika sein.
Die Frau hörte ihr Gespräch und freute sich sehr, dass Kokowanja die Waise mitnimmt. Sie fing an schnell die Sachen von Darenka einzupacken, denn sie hatte Angst, dass der Alte seine Meinung ändert.
Die Katze schien auch das ganze Gerede zu verstehen. Sie schmiegte sich an den Beinen an und schnurrte:
- R-richtig sagst du. R-richtig.
So nahm Kokowanja die Waise in sein Haus. Er ist selbst und trägt einen Schnurrbart, sie aber ist klein und mit Nase wie ein Knöpfchen. So gehen sie durch die Strasse und die zerlumpte Katze springt ihnen nach.
Seit dieser Zeit lebten sie zusammen: der alte Kokowanja, die Waise Darenka und die Katze Murka.
So lebten sie, nicht reich, aber sie beklagten sich nicht über ihr Leben und jeder hatte was zu tun. Kokowanja ging am Morgen zur Arbeit, Darenka räumte das Haus auf, kochte Suppe und Brei, und Katze Murka ging Mäuse fangen. Gegen Abend kamen sie zusammen und es war ihnen gut so.
Der Alte war ein Meister im Erzählen, Darenka hörte gerne seinen Märchen zu, und Katze Murenka lag und schnurrte:
- R-richtig sagt er. R-richtig.
Aber nach jedem Märchen erinnerte Darenka den Alten:
- Opa, erzähl doch über den Ziegenbock. Wie ist er?
Kokowanja konnte sich am Anfang herausreden, dann aber erzählte er:
- Das ist ein besonderer Ziegenbock. Auf seinem rechten Vorderbein hat er ein silbernes Hüfchen. Wo er mit diesem Hüfchen aufstampft - da erscheint ein Edelstein. Wenn er einmal stampft - ist es ein Stein, zweimal - zwei Steine, und wo er mit seinem Bein schlägt - da wird ein Haufen von Steinen sein.
Erzählte er das und war auch selbst nicht froh. Seitdem war das bei Darenka das Tagesgespräch.
-Opa, ist er gross?
Kokowanja erzählte ihr, dass der Ziegenbock nicht höher als ein Tisch ist, dünne Beine und einen leichten Kopf hat. Darenka fragt aber weiter:
- Opa, ob er auch das Geweih hat?
- Er hat sogar besondere Hörner. Die einfachen Ziegenböcke haben zwei Zweige, dieser aber fünf.
- Opa, wen frisst er?
- Niemanden, - antwortete Kokowanja. - Er wird von Blatt und Gras satt. Und im Winter kann er auch vom Heuschober etwas essen.
- Opa, wie ist sein Haar?
- Im Sommer, - antwortet er, - graubraun, wie bei unserer Murenka, und im Winter ist er grau.
- Opa, ob er stinkt?
Kokowanja wurde sogar böse:
- Wie kann er stinken? Stinkend kann nur ein Hausziegenbock sein, und ein Waldtier riecht nach Wald.
Im Herbst begann sich Kokowanja fertig zu machen, er wollte in den Wald gehen und sehen, wo mehrere Ziegenböcke weiden. Darenka begann ihn auch zu bitten:
- Opa, nimm mich mit! Vielleicht kann ich diesen Ziegenbock wenigstens von weitem sehen.
Kokowanja erklärte ihr:
- Von weitem kannst du ihn kaum erkennen. Alle Ziegenboecke haben im Herbst das Geweih. Da verstehst du auch nicht gleich, wieviel Zweige sie haben. Im Winter ist das etwas anderes. Die einfachen Ziegenböcke gehen ohne Geweih, dieser aber, das Silberne Hüfchen, ist immer mit Geweih, im Sommer und im Winter. Dann kannst du ihn von weitem erkennen.
Darauf hat er sich herausgeredet. Darenka blieb zu Hause, Kokowanja ging in den Wald. Nach fünf Tagen kam er zurück und erzählte:
- Jetzt weiden alle Ziegenböcke auf Poldnewskaja-Seite, dorthin werde ich im Winter gehen.
- Und, - fragte Darenka, - wie wirst du im Winter im Wald übernachten?
- Dort, - antwortet er, - habe ich ein Winterhäuschen, mit Fenster und Herd. Gut ist es dort.
Darenka fragt wieder:
- Weidet auch das Silberne Hüfchen dort?
- Wer weiss. Vielleicht ist auch der da.
Darenka begann wieder zu bitten:
- Opa, nimm mich mit. Ich werde im Häuschen sitzen. Vielleicht kommt das Silberne Hüfchen näher und ich kann es dann auch sehen.
Der Alte wollte zuerst nichts hören:
- Das kommt nicht in Frage! Unerhört, dass ein kleines Mädchen im Winter in den Wald geht! Man muss doch Schi laufen, du kannst es nicht. Du kannst im Schnee steckenbleiben! Was mache ich dann mit dir? Es wird dir auch kalt sein.
Darenka wollte aber nicht ablassen:
- Opa, nimm mich mit! Ich kann doch ein bisschen Schi laufen.
Kokowanja konnte das Mädchen von dieser Idee nicht abbringen und dachte dann:
"Vielleicht kann ich sie doch mitnehmen? Wenn sie das einmal erlebt, dann wird sie auch nie mehr darum bitten."
So sagte er:
- Gut, Ich nehm dich mit. Aber du musst mir etwas versprechen - du wirst im Walde nicht weinen und nicht wieder nach Hause gehen wollen.
Als der Winter in volle Kraft getreten ist, machten sie sich auf den Weg. Kokowanja legte auf einen Schlitten zwei Säcke voll mit Zwieback, Jagdsachen und was er auch brauchte. Darenka machte sich auch ein Bündel. Sie nahm Schnittabfälle mit, um ihrer Puppe ein Kleid daraus zu nähen, dazu noch einen Knäuel Faden, eine Nadel und einen Strick. "Ob es möglich ist, mit diesem Strick das Silberne Hüfchen zu fangen?"
Es tat Darenka leid, die Katze zu verlassen, aber was konnte sie machen! Sie streichelte die Katze zum Abschied und sagte:
- Wir gehen mit Opa in den Wald, du musst aber zu Hause bleiben und Mäuse fangen. Sobald wir das Silberne Hüfchen sehen, kommen wir zurück. Dann erzähle ich dir alles.
Die Katze schaut das Mädchen listig an und schnurrt:
- R-richtig sagst du. R-richtig.
So gingen Kokowanja und Darenka. Alle Nachbarn wunderten sich:
- Der Alte ist ganz verrückt geworden! So ein kleines Mädchen führt er in den Wald!
Als Kokowanja und Darenka die Fabrik verliessen, hörten sie Huende laut bellen. Die Hunde haben so gebellt und gejault, als ob sie ein Tier auf der Strasse gesehen hätten. Man schaute zurück - da läuft Murenka die Strasse entlang! Sie wurde zu dieser Zeit schon gross und gesund, die Hunde wagten nicht sie anzugreifen. Da wollte Darenka die Katze fangen und sie nach Hause bringen, aber wie? Murenka lief zum Wald und kletterte schnell auf einen Fichtenbaum.
Darenka rief, konnte aber die Katze nicht hinunter kommen lassen. Was tun? So gingen sie einfach weiter. Dann sahen sie - Murenka läuft abseits. So kamen sie zu dritt zum Häuschen.
Darenka ist zufrieden:
- Es ist auch lustiger so.
Kokowanja stimmt ihr gerne zu:
- Klar, ist es lustiger so.
Und die Katze Murka kauerte sich zusammen am Ofen und schnurrte:
- R-richtig sagst du. R-richtig.
In diesem Winter gab es viele Ziegenböcke. Kokowanja brachte jeden Tag einen oder sogar zwei zum Häuschen.
Sie hatten schon viel Fell und gesalzenes Fleisch - auf dem Schlitten konnte man das nicht alles schleppen. Man müsste zur Fabrik gehen und ein Pferd holen, aber in diesem Fall würde Darenka mit Murka allein im Walde bleiben müssen! Darenka war an den Wald aber schon gewöhnt. Sie sagte selbst zum Alten:
- Opa, du gehst vielleicht lieber zur Fabrik und holst das Pferd. Wir müssen doch Pökelfleisch nach Hause bringen.
Kokowanja wunderte sich sogar:
- Wie gescheit bist du aber, Darja Grigorjewna. Wie eine Erwachsene hast du entschieden. Aber allein wirst du dich fürchten.
- Wovor denn, - antwortet sie, - muss ich mich fürchten? Unser Häuschen ist stabil gebaut, die Wölfe kommen nicht durch. Und Murenka ist bei mir. Ich werde keine Angst haben. Du, komm doch aber bald zurück!
Kokowanja ging. Darenka blieb mit Murenka im Häuschen. Sie war es gewohnt, am Tage allein zu sein, während Kokowanja im Walde Ziegenböcke aufspürte. Wie es aber zu dunkeln begann, wurde sie unruhig. Nur schaute sie - Murenka liegt still, so wurde auch das Mädchen lustiger. Es setzte sich ans Fenster und sah plötzlich einen kleinen Ball im Walde rollen. Wie er näher heranrollte, erkannte sie einen Ziegenbock mit dünnen Beinen, leichtem Köpfchen und fünf Zweigen auf den Hörnern.
Darenka lief aus dem Haus hinaus, um ihn besser zu sehen - da war aber keiner mehr da. So kam sie zurück und sagte:
- Ich muss wohl eingeschlummert sein, und ich träumte das alles.
Murenka schnurrt:
- R-richtig sagst du. R-richtig.
Darenka legte sich zu der Katze und schlief fest ein. Ein anderer Tag verging. Kokowanja kam nicht. Langweilig wurde es Darenka, aber sie weinte nicht. Sie streichelte nur Murka und sprach vor sich hin:
- Langweile dich nicht, Murka. Opa kommt schon sicher morgen.
Murenka singt ihr Liedchen:
- R-richtig sagst du. R-richtig.
Darenka sass wieder am Fenster, ergötzte sich an den Sternen. Sie wollte schon schlafen gehen, hörte aber plötzlich ein Stampfen an der Wand. Darenka erschrak, das Stampfen kam an eine andere Wand, dann an die mit Fenster, dann zur Tür, und dann klopfte es oben. Nicht laut, als ob jemand leicht und schnell ging. Darenka dachte: "Vielleicht ist der gestrige Ziegenbock gekommen?" Und sie hatte solch eine grosse Lust, ihn zu sehen, dass sie keine Angst mehr zurückhalten konnte.
Sie macht die Tür auf, sieht - der Ziegenbock ist da, ganz in der Nähe! Er hob das rechte Bein auf, und da blitzt gerade das silberne Hüfchen, und die Hörner haben fünf Zweige. Darenka wusste nicht was sie machen musste und lockte ihn wie ein Haustier:
- Me-ka! Me-ka!
Der Ziegenbock schien nur zu lachen, drehte sich um und lief fort. Darenka kam ins Haus und erzählte Murka:
- Ich habe das Silberne Hüfchen gesehen, und die Hörner, und das Hüfchen. Nur das habe ich nicht gesehen, wie dieses Zicklein mit seinem Bein die Edelsteine ausklopft. Vielleicht zeigt er es das nächste Mal.
Murenka singt immerfort ihr Liedchen:
- R-richtig sagst du. R-richtig.
Der dritte Tag ist schon vergangen, Kokowanja kam aber nicht. Darenka wurde sehr traurig, die Tränen fingen an zu tropfen. Sie wollte mit Murenka reden, die Katze war aber nicht da. Darenka erschrak noch mehr und lief aus dem Haus, um die Katze zu suchen.
Es war eine mondhelle Nacht, man konnte weit sehen. So sieht Darenka - die Katze ist nah, sitzt auf einer Wiese und vor ihr ist ein Ziegenbock. Er hob sein Bein auf, und da blitzt das silberne Hüfchen. Murenka schüttelt den Kopf, der Ziegenbock auch, als ob sie reden. Dann fingen sie an auf der Wiese zu laufen. Der Ziegenbock läuft, bleibt dann stehen und stampft mit seinem Hüfchen auf. Murenka kommt näher, der Ziegenbock springt zur Seite und stampft wieder. Lange sind sie so gelaufen, bis man sie nicht mehr sehen konnte. Dann kehrten sie wieder zum Häuschen zurück.
Da sprang der Ziegenbock auf das Dach und begann mit seinem silbernen Hüfchen zu stampfen. Wie Funken fielen unter seinem Fuss die Steine hervor: rote, blaue, grüne, türkisblaue! Zu dieser Zeit kam auch Kokowanja zurück und konnte sein Haus nicht wieder erkennen. Es wurde zu einem Haufen von Edelsteinen. Alles blitzt und funkelt! Oben steht der Ziegenbock und stampft, und stampft mit seinem Hüfchen, die Steine fallen und fallen hinunter. Plötzlich sprang auch Murka zu ihm auf das Dach, stellte sich daneben, miaute laut und - weder Murka noch das Silberne Hüfchen war da.
Kokowanja sammelte die Steine in seinen Hut, Darenka aber sagte:
- Opa, lass sie so liegen! Wir werden sie morgen noch anschauen.
Kokowanja folgte ihrem Rat zu. Aber gegen Morgen schneite es stark. Alle Steine wurden mit Schnee bedeckt. Sie haben lange gesucht, konnten aber keine Steine mehr finden. Es hat ihnen aber gereicht was Kokowanja in seinem Hut hatte.
Alles war gut, nur hatte man Mitleid mit Murenka. Man hat sie nicht mehr gesehen, und das Silberne Hüfchen liess sich auch nicht mehr zeigen. Einmal hat er Freude gemacht - und genug!
Auf den Wiesen aber, wo der Ziegenbock sprang, fanden die Menschen dann Steine, meistens grüne. Chrysolithe genannt. Habt ihr gesehen?