"Waschen und Föhnen?", fragte der Rubensengel, betrachtete sich im Spiegel und zupfte die beiden rubinroten Strähnchen zurecht, die den weichen Gesichtszügen etwas umwerfend Diabolisches verliehen. Meine eigene Person hingegen schien die junge Frau gar nicht wahrzunehmen.
Ungeduldig suchte ich ihren Blick. Irgendwo auf der glänzenden Oberfläche dieses Spiegels mussten sich unsere Augenpaare schließlich mal treffen. Doch der Rubensengel hatte sich unverhofft umgedreht, und so konnte ich nur noch die ausladenden Hüften und was sich sonst noch alles in mein Blickfeld schob betrachten.
Bevor die Friseurin meines Vertrauens meinen Körper vom Kinn an abwärts unter einem wallenden Plastikumhang parkte, legte sie mit einer unerwartet temperamentvollen Umdrehung wieder ihre Vorderansicht auf dem Bildschirm der Eitelkeiten ab.
Und es hatte durchaus etwas Reizvolles, dem sanften Schwingen ihrer Rundungen zuzuschauen. Dennoch bemühte ich mich weiterhin, Blickkontakt zu der Herrscherin über 1003 Haare herzustellen. Leider immer noch vergebens, denn die Friseurmeisterin warf einen prüfenden Blick auf ihre Auszubildende, die allerlei bunte Lockenwickler in die Haare meiner Nachbarin drehte.
Als der Blickkontakt dann endlich zustande kam, konnte ich erkennen, dass der Rubensengel schlucken musste.
"So sieht also ein gut genährtes Reptil aus, wenn sein Unterkiefer nach unten fällt", ging es mir unwillkürlich durch den Kopf, während der Kiefer der hübschen Brünetten ungebremst auf ihr Decolleté zu steuerte. Auch das diensteifrige Lächeln auf ihrem molligen Gesicht erstarrte.
"Upps", sagte die junge Frau, die auf den Rufnamen "Sabrina" hörte und biss sich auf die Unterlippe. Ganz deutlich konnte ich das Aufeinanderprallen ihrer Backenzähne hören.
Auch den drei anderen Kundinnen des Salons schien dieser Vorgang nicht entgangen zu sein. Wie Eidechsen im Terrarium zogen die Damen ihre Köpfe ein, um unter der Trockenhaube hervorlugen zu können und nur ja nichts Weltbewegendes zu verpassen.
Doch die Frau mit der Figur eines Rubensengels hatte sich und ihre Gesichtszüge schnell wieder unter Kontrolle.
"Waschen und Trockenrubbeln, der Herr?", fragte sie und wedelte geschäftsmäßig mit einem minzgrünen Frotteehandtuch meinem Spiegelbild entgegen.