Es ist einmal ein Schuster gewesen, der hat in seiner Werkstatt drei schöne rotbackige Äpfel auf der Fenstersimse zu stehen gehabt, und da haben dann nach und nach die Fliegen an der Stubendille den Obstgeruch gemerkt und sind tschuppenweise denen Äpfeln zugeflogen.
Der Schuster brummle zuerst zu sich selbst: "Was haben denn auch die Koga Fliegen auf meinen Äpfeln zu schaffen?" und scheucht sie fort mit einem Lederlappen; aber die Fliegen sind halt nach einem Weilchen wieder gekommen zum Schnagern. Zuletzt vertäubts den Schuster, er nimmt sein Lederkäpple ab vom Kopf und schlägt wacker auf die Äpfel hinein, und da er das Käpple wieder auflupft, sind ihrer zehn maustot an den Äpfeln geklebt.
Auf das Meisterstück bildet sich aber mein Schuster etwa nicht lützel ein: er setzt sein Käpple schälb auf den Kopf, stemmt den Arm höffärtig in die Seite und ruft: "Bin ich nicht ein baumstarker Kerle, hab ich nicht zehn unter einem Streich erschlagen? Wenn das unter die Leute kommt, heißa! die werden luegen und losen." Auf das lauft der Güdi (Güfter, Prahler) zu einem Goldschmied und gibt sein Käpple in die Arbeit, daß er ihm hochdeutsch mit Goldbuchstaben draufschreibe: "Zehn unter einem Streich erschlagen." Der Goldschmied schaut zuerst den Schuster groß an und denkt für sich selbst: "Dem ist auch das Rädlein ausgeloffen", tut aber nicht dergleichen und verspricht, die angefrümte (bestellte) Schrift ordentlich zu machen.
Zur bestimmten Zeit kommt der Schuster wieder zum Goldschmied und fragt seinem Käpple nach, und es ist richtig fix und fertig gewesen. Er probiert es und es steht ihm gut, und die Goldbuchstaben funkeln, daß es eine Freude ist. Kann man sich einbilden, daß das Funkeln und Glanzen dem Herrn Meister den Kopf noch gar verdreht. Er kommt bald auf den Gedanken, das Handwerk aufzustecken, Sohlen Sohlen sein zu lassen und dafür in der weiten Welt sich zu zeigen als ein anderer Goliath.
Er versäumt sich nicht mehr lang, nimmt den Weg unter die Füße und wandert durch Dörfer und Städte in aller Herren Länder. Jetzt einmal legt sich der Goldkäppler auf seiner Wanderung an einem Bühel zuhin ins Gras und entschläft. Auf dem nämlichen Bühel ist ein Schloß gestanden, und der Schloßherr luegt grad zum Fenster aus, aber ganz traurig und tusem. Es hat, ich weiß nicht wie, in seinem Wald ein Einhorn gehaust, das ihm die Güter vernüelet und schon manches Stücklein Vieh erstochen hat. Ein gut Teil Dublen hätte er dem gegeben, der das Untier gebaschget hätte, und auch menger schon hat um das angebotene Geld sein armes Leben daran gewagt gehabt. Das alles geht halt dem guten Herrn Grafen arg zu Herzen, und drum schaut er so traurig und tusem, wie ich sag, zum Fenster aus.
Auf einmal sticht ihm, ich weiß nicht wie, ein Glanz in die Augen, er weiß zuerst nicht recht woher, und erst, wie er das Fazanedli nimmt und sich die Augen auswischt und näher schaut, so sieht er am Schloßbühel zuhin etwer liegen mit einer seheinigen Kappe auf dem Kopf. "Wer das sein mag?" sagt er zu sich selbst, nimmt ein Spektiv zur Hand und gügglet, und da liegt richtig am Schloßbühel zuhin ein Mann im Gras und schläft und trägt ein Lederkäpplein auf dem Kopf mit der Aufschrift: "Ihro zehn unter einem Streich erschlagen." Der gute Graf meint, das seien ihro zehn Männer gewesen, und läuft genot den Schloßbühel hinunter zum Goldkäppler, krepft ihn ein bißchen bei einem Ohr, bis er erwacht, und sagt dann zu ihm: "Los, du starker Mann, nichts für ungut, daß ich dich wecke; ich hätt dir ein Anliegen vorzutragen; es hauset schon Jahr und Tag in meinem Wald ein Eingehörn, das richtet mir überpfächtigen Schaden an, tut mir die Güter vernüelen und das Vieh erstechen; ein gut Teil Dublen hab ich oft schon wollen dem geben, der das Untier baschget hätte, und auch mancher schon hat um das angebotene Geld sein armes Leben dran verwaget, und das ist wahrhaftig bedauerlich; wärest jetzt nicht du der rechte Mann und könntest mir die Plag abnehmen? An meiner Erkenntlichkeit soll es nicht fehlen."