In einem Dorfe lebte einst ein reicher Bauer mit seiner einzigen Tochter. Da jedoch das Mädchen immer still und traurig einherging und in seinem Leben noch nie gelacht hatte, machte dies dem Bauer, welcher seine Tochter sehr lieb hatte, viel Kummer. Da kam einmal ein herumziehender Mann mit einem Wundervogel, der durch seine possierlichen Kunststücklein bei jung und alt große Heiterkeit erregte, ins Dorf. Der Bauer ließ den Mann mit dem Vogel zu sich kommen und versprach ihm viel Geld, wenn er seine Tochter zum Lachen bringe. Nun ließ der Mann den Wundervogel all seine Stücklein vor der Großbauerntochter aufführen, jedoch über das Antlitz des schönen Mädchens glitt nicht das leiseste Lächeln. Nach diesem vergeblichen Bemühen verbarg der Mann seinen Vogel in einem Tüchlein und ging zu einem ändern Bauern des Dorfes, welchen er um Nachtherberge bat, die ihm auch gewährt wurde. Vor dem Schlafengehen bat der fahrende Mann die Bäuerin, sie möchte doch so gut sein und das Bündelchen, das er da bei sich habe, über Nacht auf der Ofenbank liegen lassen. „Aber", setzte er bedeutungsvoll hinzu, „ja nicht nachschauen, was darin ist!" Die Bäuerin erlaubte es ihm, er könne es schon dort liegen lassen, „und nachschauen, was darin ist, tut gewiß niemand, wir sind nicht neugierig", fügte sie spitz hinzu und verließ die Stube. Nun suchte auch der Fremde sein Heulager im Kuhstall auf. Die Bäuerin aber konnte vor lauter Neugierde, was etwa in dem Tüchlein verborgen sei, nicht einschlafen und mußte immer an das geheimnisvolle Bündelchen denken. Endlich faßte sie sieh ein Herz, sie ging in die Stube nebenan und auf die Ofenbank zu. Sorgfältig faltete sie das Tuch auseinander und sah nun den Vogel darin. Aber, o Schreck, als sie wieder in die Schlafkammer zurück wollte, war sie bei dem Vogel festgebannt und konnte sich keinen Schritt weit von ihm entfernen. Entsetzt rief sie nach ihrem Manne. Dieser eilte schleunig seinem Weibe zu Hilfe und wollte sie vom Vogel wegziehen, aber im selben Augenblicke, als er sie berührte, war auch er im Banne des Wundervogels. Auf die Hilferufe der beiden kam die Magd in die Stube gerannt und wollte ihren Dienstgebern helfen, es erging ihr aber nicht besser als dem Bauer und der Bäuerin, alle drei mußten die ganze Nacht beim Vogel stehen bleiben. Am Morgen kam der Fremde in die Stube, nahm den Vogel und verließ mit ihm und seinem unfreiwilligen Anhang das Haus und ging die Dorfstraße entlang, dem Gehöfte des reichen Bauern zu. Auf dem Wege dahin kamen sie beim Pfarrhof vorbei, wo der Pfarrer gerade daran war, am Gartenzaun einen Teppich auszuklopfen. Als er die Bauersleute in ihrer äußerst mangelhaften Bekleidung erblickte, rief er entrüstet aus: „Die verfluchte Schweinerei!" und schlug mit dem Teppichklopfer der Magd eins auf das Hinterquartier. Aber siehe, der Pfarrer brachte den Klopfer nicht mehr von der Stelle, wohin er den Schlag geführt hatte, und mußte sich sogleich anschließen und dem Wundervogel nachgehen. Als sie sich dem Hause des Großbauern näherten, saß gerade seine Tochter beim Fenster und sah auf die Dorfstraße hinaus. Wie sie diesen sonderbaren Zug daherkommen sah, brach sie in lautes Lachen aus.