Es war einmal ein Vater, der hatte drei Söhne. Einer von ihnen hieß Hansl und war ein rechter Tölpel. Die ändern zwei waren schon in die Fremde gezogen, und der Vater wartete immer, ob nicht bald einer oder der andere zurückkomme. Da fiel es eines Tages dem Hansl auch ein fortzugehen, denn er sagte, er müsse das Fürchten lernen, damit er sich unter ehrlichen Leuten könnte sehen lassen. Der Vater wollte ihn zurückhalten, doch da half alles nichts, denn was der Hansl einmal im Kopf hatte, das konnte man mit Stock und Prügel nimmer heraustreiben.
Er ging nun eine gute Zeit immer der Nase nach und kam eines Tages in ein Wirtshaus. Da erzählte er, warum er auf dem Weg sei, und brummelte auch oft vor sich hin: "Wenn ich nur das Fürchten bald lernte, damit ich wieder heimgehen und beim Vater bleiben könnte."
Der Wirt ließ ihn nachmittags mit sich in den Stall gehen und zeigte ihm seine Pferde. "Hoi", sagte der Hansl auf einmal, "woher hat denn der Herr Wirt diese zwei Rosse?" Denn er erkannte, daß es diejenigen waren, auf denen seine Brüder in die Fremde geritten sind.
"Oh", sagte der Wirt, "diese haben zwei Fremden gehört, die da in das Schloß hinaufgegangen und nimmer zurückgekehrt sind. Aber, ist wohl wahr, da droben wäre ja für dich der beste Platz, da könntest du das Fürchten gleich von Grund auf lernen."
Als das der Hansl hörte, freute er sich, ging sogleich in das Schloß und sah sich einmal alles an. Er fand da gar nichts Besonderes und ging wieder hinaus. Da sah er an der Schloßmauer eine Hollerstaude, machte sich zur Kurzweil darüber her und pflückte Beeren. Als es anfing, finster zu werden, ging er hinauf in die Küche, schürte ein Feuer an und kochte ein Hollermannl *). Er hatte die Pfanne eben über das Feuer gestellt, da kam einer zur Tür herein, der gar kein freundliches Aussehen hatte. Der Hansl aber fürchtete sich nicht im mindesten, kümmerte sich zuerst um das Feuer und sagte dann zu dem Kameraden:
"Ist recht fein, daß du auch kommst, denn so allein wird mir völlig die Zeit lang. Ich hab schon so viel Hollermannl, daß wir beide genug haben; jetzt mußt du aber ein wenig warten, bis es gekocht ist."
Der andere wollte nicht warten und sagte: "Geh du sogleich mit mir!"
"Geschwind kann ich nicht gehen", erwiderte der Hansl. "Du mußt wissen, daß mir das Hollermannl anbrennt, wenn ich davonlauf, und es war doch schade um die gute Sache."
Der andere ließ sich nicht bereden und schnarrte: "Wenn du nicht gleich gehst, dann zerreiß ich dich."
"Du schaust zum Zerreißen her", spottete der Hansl, "aus Furcht geh ich mit dir keinen Schritt weit."
Der andere ließ aber nicht nach und versuchte es jetzt mit gütigem Zureden, damit der Hansl mitgehen sollte.
"Schau", sprach er, "deinem Hollermannl geschieht gewiß nichts, wenn du mit mir gehst. Ich gebe dir mein Wort dafür, daß du es wieder gut antriffst, und wenn es nicht so ist, dann kannst du mir antun, was du willst, sobald wir zurückkommen."
Als der Hansl hörte, daß seinem Hollermannl nichts geschehe, ließ er sich endlich bewegen und sagte, er wolle mitgehn. Da fragte der andere aber noch: "Fürchtest du dich denn gar nicht, wenn du mitgehst?"
"Ist das eine Frage", sagte der Hansl, "ich weiß ja nicht einmal, was fürchten ist, wie soll ich's dann erst zuwege bringen?"
Nun gingen sie über etliche Stiegen hinab und kamen zu einer Tür. "Da, tu auf!" rief der Geist dem Hansl zu.
"Du hast schon gehört", erwiderte der Hansl, "daß ich keinen Spaß versteh! Tust du nicht gleich auf, daß wir weiterkommen, so geh ich hinauf und schaue zu meinem Hollermannl."
Jetzt gab der Geist nach und tat auf. Als sie hineinkamen, war da ein ungeheurer Hund, der ein feuriges Maul aufriß und die zwei mit großen Augen anglotzte. Der Hansl wurde zornig, als er das Tier sah und schrie:
"Gedacht hab ich's mir, du wirst da ein Ungeheuer haben, das mir mein Hollermannl frißt. Jetzt laufe ich gleich hinauf und laß dich allein gehn."
Der Geist besänftigte ihn, indem er ihm wieder versprach, daß dem Hollermannl gewiß nichts geschehe. Dann fragte er ihn: "Hast du Mut, den Hund hinauszujagen?"
"Warum soll ich dem Vieh nicht den Weg zeigen?" fragte der Hansl und versetzte dem Hund einen solchen Schlag, daß dieser davonlief wie der Wind und nach allen Seiten die Funken flogen. Während der Hansl dem Hund nachschaute und lachte, war der Geist ein wenig weitergegangen. Hansl sah das und schrie:
"Halt ein bißchen, ich darf nicht zu weit von dir lassen, damit ich dir die Schläge herabmessen kann, wenn etwa das Hollermannl verbrannt ist." Der Geist wartete, und Hansl stolperte nach.
Bald kamen sie an eine zweite Tür. Der Geist hieß den Hansl auf tun. Hansl aber wurde zornig und fuhr ihn an: "Das Vieh frißt schon das Hollermannl oben; wenn du nicht gleich auftust, so kriege ich gar nichts mehr."
Der Geist sagte: "Noch ist's ja heiß, so kann er's nicht fressen", er tat aber dem Hansl seinen Willen und sperrte auf. Als sie hineinkamen, fanden sie abscheuliche Schlangen, und der Geist reichte dem Hansl eine Peitsche und sagte: "Da, jag die Tiere hinaus." Der Hansl wollte aber nicht recht anpacken, denn es war ihm um das Hollermannl zu tun, und er dachte, die scheußlichen Bestien könnten es ihm fressen. Das Gespenst aber sprach ihm Mut zu und sagte: "Dem Hollermannl geschieht gewiß nichts, nimm du nur die Peitsche und verjage die Bestien." Da nahm der Hansl die Peitsche, wichste den Schlangen ein paar auf den Rücken, und sie fuhren wie der Wind zur Tür hinaus.
Die zwei gingen nun weiter und kamen zur dritten Tür. "Da, mach auf!" sagte der Geist. Der Hansl aber machte nicht auf, sondern begehrte lieber einen Besen, um die Schlangen droben auszusagen, wenn sie sein Hollermannl angreifen würden. Da sperrte denn der Geist selber auf und hieß den Hansl mit hineingehen. Vor ihnen standen drei Fässer, und darin lagen viele Schlangen und anderes abscheuliches Getier. "He, Hansl", rief der Geist, "nimm die Fässer und wirf sie hinaus!"
"Jetzt ist's gleich, ob ich dir folge oder nicht", sagte der Hansl, "denn das Hollermannl ist doch hin. Sag nur, wo ich anpacken soll."
"Anpacken kannst du, wo du willst", antwortete das Gespenst.
"Dann ist's auch recht", sagte der Hansl, rannte an ein Faß und warf alles heraus, ging dann zum zweiten und dritten und machte es ebenso. Als die Ungetüme aus dem Faß waren, fuhren sie schleunig zur Tür hinaus und ließen nichts mehr von sich sehen. Aber in den drei Fässern war jetzt lauter Geld, und zwar im ersten Kupfer, im zweiten Silber und im dritten nichts als Gold. Der Hansl machte große Augen bei den drei Fässern, und der Geist sagte: "Jetzt will ich dir auch Weis' und Lehre geben, was du mit den drei Fässern zu tun hast. Das Kupfer teilst du unter die armen Leute aus, das Silber gibst du an arme Klöster und Kirchen und das Gold behältst du für dich. Jetzt leb wohl, und ich bedanke mich für die Erlösung."
"Oho", schrie der Hansl, "ich muß zuvor sehen, ob mein Hollermannl noch droben ist, sonst kommst du mir ohne Schläge nicht fort." Somit packte er den Geist und führte ihn hinauf in die Küche. Das Hollermannl war ordentlich gekocht, und nichts davon war verbrannt oder fortgefressen. Das gefiel dem Hansl, denn er hatte großen Hunger, und es wäre ihm jetzt um nichts mehr leid gewesen als um das Hollermannl. "Iß da", sagte er zum Geist, "du schaust nicht aus, als ob du zu viel zu essen bekämest." Das Gespenst aß nicht und wurde blässer und blässer. "Iß doch", sagte der Hansl noch einmal und stellte ihm die Pfanne vor. Der Geist aß aber noch immer nicht und wurde endlich ganz weiß. Da sagte er zum Hansl: "Du hast mich endlich erlöst, nachdem viele ihr Leben darangesetzt haben und zugrunde gegangen sind. Hätten sie auch so viel Mut gehabt, so wäre ich lange schon erlöst und hätte nicht erst auf dich warten müssen. Aber zum Dank sollst du jetzt außer dem Geld auch das Schloß haben."
Am andern Morgen in der Früh ging der Wirt vor das Haus, schaute zum Schloß hinauf und dachte: "Den hat's wohl auch. Jetzt wird er wohl wissen, was Fürchten ist."
Da kam gerade der Hansl hinaus, sah den Wirt und rief: "Nur geschwind mit den Rossen herauf, wir müssen das Gold hinabführen."
Da wunderte sich der Wirt sehr, ging hinauf und fragte, wie es in der Nacht zugegangen sei. Der Hansl erzählte alles, beklagte sich aber, daß er noch nicht das Fürchten gelernt habe. Da "redete ihm der Wirt zu und sagte, er solle doch einmal nach Hause gehen und dem Vater von seinem Glück erzählen, denn das Fürchten sei keine so wichtige Sache. "Ja, es wäre leicht heimgehen, wenn ich auch das Geld mitbrächte", sagte Hansl. Der Wirt versprach ihm Wagen und Pferde, und Hansl fuhr mit viel Geld zum Vater heim.
Da wird er ihm wohl auch erzählt haben von den zwei Brüdern, die im Schloß zugrunde gegangen sind. Ob er aber noch einmal ausgezogen ist, um das Fürchten zu lernen, das kann niemand sagen.