Einmal war eine Bäuerin, die hatte zwei Töchter, eine rechte und eine Stieftochter. Ach, was hatte die arme Stieftochter zu leiden! Ehe noch die Sonne aufging, arbeitete sie schon, während die Stiefschwester sich noch lange auf der Ofenbank ausstreckte.
Eines Tages mußte sie Strähne waschen, aber einer fiel ihr aus der Hand, und der Bach trug ihn davon. Voll Angst und Kummer eilte sie nach, und bald war der Strähn verschwunden. Sie lief immer weiter, als plötzlich ein Mann vor ihr stand, der zwei Köpfe hatte.
Du kannst dir denken, wie sehr sie erschrak, aber freundlich fragte sie den Mann: "Mein lieber Vater, habt ihr keinen Strähn gesehen?"
Der Zweiköpfige sagte: "Liebes Dirndl, ich habe keinen gesehen!" Voll Sorge eilte sie weiter am Bache entlang, bis sie mit einem Male einen Mann traf, der gar hatte sogar drei Köpfe.
"Mein lieber Vater, habt ihr keinen Strähn gesehen?" fragte sie auch diesen, doch sie erhielt wieder zur Antwort: "Liebes Dirndl, ich habe keinen gesehen!"
So eilte sie weiter, und nach kurzer Zeit traf sie einen Mann mit vier Köpfen, der ihr aber auch nicht weiterhelfen konnte, dann traf sie einen mit fünf Köpfen, und das ging so weiter, bis sie einen Mann traf, der gar zwölf Köpfe hatte.
Als auch der nichts von dem Strähn wußte, war sie sehr traurig, denn es wurde inzwischen schon dunkel.
Zum Glück sah sie ein Haus am Bach, vor dem eine Frau stand. Sie ging zu ihr und sprach:
"Meine lieber Mutter, habt ihr keinen Strähn gesehen?"
"Siehst du nicht, daß ich ihn herausfische?" antwortete die Frau.
Das Mädchen freute sich, weil es endlich den Strähn gefunden hatte, und bat um eine Nachtherberge.
"Du kannst bleiben", sagte die Frau, "was möchtest du denn essen?"
"Wenn ich nur ein bißchen Kaschpale haben könnte", sagte das Mädchen bescheiden; darauf bekam es Milch und Brot.
Nachdem es gegessen und sich für die Speise bedankt hatte, fragte die Frau: "Wo möchtest du denn schlafen?"
"Ein Saunest ist gut genug für mich", sagte das Mädchen, und es durfte in einem Federbett schlafen.
Als sich die Stieftochter am Morgen auf den Heimweg machen wollte, hatte sie abermals zu wählen, denn die Frau sprach: "Worauf willst du denn nach Hause reiten: auf einem Stock oder auf einem Schimmel?"
"Ein Stock reicht für mich", entgegnete sie, doch sie bekam einen schönen Schimmel.
Wie sie so durch den Wald heimwärts ritt, bellte ein Hündlein: "Hau, hau, goldene Frau!" Und als sie zu Hause ankam, war sie von oben bis unten voll Gold.
Als das die andere Tochter sah, wollte sie auch Strähne waschen und bat die Mutter, es ihr zu erlauben. Sie hoffte noch viel schöner zu werden als ihre Stiefschwester. Die Mutter hatte nichts dagegen, und so ging das Mädchen an den Bach, warf mit Fleiß einen Strähn in das Wasser und eilte ihm nach.
Wie ihre Schwester kam sie zu den Männern mit den vielen Köpfen. Sie fragte einen nach dem anderen: "Hast du keinen Strähn gesehen?", doch keiner wußte ihr Auskunft zu geben.
Schließlich kam sie an das Häuschen am Bach, vor dem das Weib stand. Als sie dieses mit groben Worten fragte: "Hast du keinen Strähn gesehen?" entgegnete diese:
"Siehst du nicht, daß ich ihn herausfische?"
Jetzt suchte das Mädchen um Nachtherberge an und wurde aufgenommen. "Was willst du denn essen?" fragte die Frau. "Milch und Brot", sagte das Mädchen, da bekam es aber nur ein Kaschpale. "Wo willst du denn schlafen?" fragte sie weiter. "In einem Federbett", entgegnete es, doch es mußte im Saunest schlafen.
Am Morgen wollte die Stiefschwester nach Hause, und die Frau fragte: "Worauf willst du denn heimreiten: auf einem Stock oder auf einem Schimmel?" Sie hätte gern das Roß gehabt, bekam aber den Stock. Als sie auf diesem durch den Wald ritt, hörte sie ein Hündlein bellen: "Hau, hau, pechige Frau!"