Auf einem einsamen Bauernhofe hauste ein Höfler mit seiner Tochter Netterl. Er war zu arm, um sich einen Knecht zu halten, und hatte deswegen immer vollauf zu tun.
Einmal, als es gar zu viel Arbeit gab, rief er voll Unwillen: "Da möcht' einem schon der Teufel helfen!" Und kaum hatte er das gesagt, stand schon ein kleines Männchen vor ihm und bot seine Dienste an. Dem Höfler war nicht ganz wohl dabei, und er dachte sich: Du holst mich. Aber das Männchen sagte, als ob es seine Gedanken erraten hätte: "Nein, nein, gib mir nur Arbeit genug!" An der fehlt es bei uns nicht, dachte der Höfler und nahm das Männchen in Dienst. Einen fleißigeren Knecht gab es nicht, und der Höfler hatte fast nichts mehr zu tun, aber als im Herbste alles in der Scheune war, ging die Arbeit zu Ende. Entweder trifft's mich oder die Netterl, dachte der Höfler, und es stieg ihm heiß auf bei diesem Gedanken. Ganz niedergeschlagen ging er in der Stube auf und ab. "Was für eine Arbeit soll ich ihm geben, der Winter ist vor der Tür?" - In der Nacht, wie er so dalag, ging ihm ein Licht auf: "Ich hab's!" Und er sprang fröhlich vom Lager auf. Noch ehe der Morgen graute, ging er in den Hof, nahm zwei Säcke Weizen und leerte sie am Boden aus. Als der Knecht kam und um Arbeit fragte, befahl er ihm, eine Heugabel zu nehmen und den Weizen auf die Tenne zu werfen.
Der Knecht hatte den ganzen lieben Tag vollauf zu tun; er warf und warf, daß ihm der Schweiß von der Stirne rann, als aber der Abend kam, war noch kein Korn auf der Tenne; voll Zorn warf er die Heugabel in eine Ecke. "Der Bauer hat mich überlistet, aber ich werde ihm's schon eintränken", rief er vor Galle, ließ alles liegen und stehen und machte sich auf und davon.
Da war im Dorfe ein Schneiderlein, das hieß nur das vortreffliche Schneiderlein; zu dem lief er hin und sagte: "Verhilf mir, daß die Netterl mir gehört. Bringst du das zustande, wirst du reichlich belohnt; gelingt es dir nicht, dann wird's dir schlecht ergehen." Das war dem Schneider Tuch vor die Nadel, er ging gleich und wollte die Netterl haben. "Ja", sagte der Bauer, "wenn du das Brautkleid an einem Tage fertig machst, soll's mir recht sein." Da rieb das Schneiderlein vergnügt die Hände und sah den Handel schon gewonnen, denn es besaß ein gar geheimnisvolles Kästchen; da brauchte man den zugeschnittenen Stoff nur hineinzulegen, und nach ein paar Minuten war das Kleid fertig. Am anderen Morgen war der gute Schneider schon in aller Frühe beim Höfler und kramte seine Siebensachen aus, daß er ja nichts versäume; aber, o weh, das Kästchen war nicht da.
"Ach Gott", rief er, "jetzt habe ich mein Nähzeug vergessen", und wollte gleich auf und davon. Aber Netterl sagte: "Du hast ja keine Zeit zu verlieren, derweil du zuschneidest, bin ich mit dem Nähzeug schon wieder da." - "Ist wahr", meinte der Schneider, gab ihr den Schlüssel zu seiner Stube und schärfte ihr noch ein: "Auf der Bank wird das Kästchen liegen, aber daß du mir nicht hineinschaust, sonst wirst du unglücklich." Netterl eilte geschwind ins Dorf, fand in der Stube auf der Bank das Kästchen und eilte damit heimzu.
Aber als sie über die Wiese ging, da fing das Kästchen an sich zu bewegen und immer mehr, so daß sie es kaum mehr halten konnte. "Was muß denn da drinnen sein?" dachte sie, zog den Schlüssel ab und guckte durch das Schlüsselloch hinein, da sah sie etwas Rotes. Schon wollte sie aufmachen, da fiel ihr aber ein, was der Schneider gesagt hatte, und sie rief: "Nein, aufmachen darf ich's nicht, sonst werde ich unglücklich", und ging weiter. Weil es aber im Kästchen immer unruhiger wurde, wurde sie immer neugieriger und neugieriger.
Ei was, dachte sie, das Unglück wird nicht so groß sein, wenn ich da hineinschaue. Sie drehte den Schlüssel und hob vorsichtig den Deckel auf. Husch, husch! - sprangen fünf blutrote Männchen heraus, so daß sie vor Schreck bald auf dem Boden gesessen wäre; sie hatten rote Käppchen auf, hüpften auf der Wiese herum und riefen: "Arbeit, Arbeit, schöne Meisterin!" Da bekam Netterl Angst und wußte nicht gleich, was sie tun sollte; aber sie besann sich bald und sagte: "Nun also, wenn ihr arbeiten wollt, so rafft mir das Gras da auf einen Haufen zusammen!" Das war bald geschehen, denn einer war schneller als der andere, und als sie fertig waren, da hüpften sie wieder um sie herum und riefen: "Arbeit, Arbeit, schöne Meisterin!" - "Nun, was soll ich euch anschaffen?" - "Arbeit, Arbeit, schöne Meisterin!" schrien die Männchen. "Nun, so geht und legt mir alle Steine auf der Wiese auf einen Haufen zusammen!" Da sprangen die Männchen, eines schneller als das andere, trugen die Steine auf einen Haufen zusammen, und als sie fertig waren, hüpften sie wieder um die Netterl herum und riefen um Arbeit. Nun stiegen ihr aber schon Ängste auf, wann sie denn nach Hause kommen werde. Sie dachte hin und her, wie sie die Männchen wieder einfangen könnte; die schrien aber unaufhörlich: "Arbeit, schöne Meisterin, Arbeit!" - "Nun ja, was soll ich euch geben?" "Arbeit, Arbeit, schöne Meisterin!" hieß es wieder. "Nun, so springt auf den Zaun hinauf!" Und als sie oben waren, öffnete sie das Kästchen und sprach: "Jetzt springt alle ins Kästchen herab."
Mit einem Satze waren sie im Kästchen. Netterl klappte den Deckel schnell zu und lief, so schnell sie konnte, nach Hause. "Wo geht sie denn so lang herum?" herrschte sie der Schneider an, riß ihr das Kästchen aus den Händen und öffnete es. Da sprangen die fünf Rotkäppchen heraus und streckten ihm gleich ihre Händchen entgegen. "Oh, du mein! was habt ihr gemacht? Eure Händchen sind ja ganz schmutzig!" Netterl entschuldigte sich damit, daß ihr das Kästchen auf die Erde gefallen sei und weiter wisse sie nichts; aber als die Männchen das Brautkleid in die Arbeit nahmen, da waren ihre Fingerchen ganz schmutzig, und ob sie auch noch so eifrig nähten, sie brachten das Kleid nicht fertig.