Es war einmal, weit, weit fort von hier, ein alter König, der hatte ein Töchterlein, das war so schön, wie ich es euch gar nicht sagen kann. Sie war so hell und Klar wie die liebe Sonne; lächelte sie, so fielen Rosen von ihren Lippen, weinte sie, so rollten Perlen aus ihren Augen, und wenn sie auf die kahle, nackte Erde blickte, so sproßte und grünte dort gleich alles in herrlichster Pracht; schaute sie einen Baum an, so war er über und über bedeckt mit den köstlichsten Früchten, blickte sie auf ein Feld, so wogte dort schon der goldene Weizen. Das Land, wo sie lebte, war drum auch das schönste der Welt; ein ewiger Frühling herrschte da, und die Vöglein fangen, daß es eine Lust war. Mangel und Not litt dort niemand; denn war jemand arm und klagte dem Prinzeßchen seine Not. so weinte sie aus Mitleid mit dem Ärmsten. Und siehe! die Tränen waren Perlen, und die schenkte sie den Armen; die gingen dann reich und beglückt heim.
Die Kunde von Prinzessin Sonnenschein ging durch die ganze Welt, und von überall kamen die Prinzen und Herzöge und Grafen und baten um ihre Hand.
Aber der alte König liebte sein Töchterchen so sehr, daß er sich nicht von ihr trennen wollte. Was hätte das Land wohl auch anfangen sollen, wenn Prinzessin Sonnenschein von dannen gezogen wäre?
Einstmals kam eine gar stolze Königin zum Schlosse unseres Königs. Von fernher kam sie gezogen, aus dem Reich des Eises und der ewigen Nacht; denn dort herrschte sie. Bis zu ihr war die Kunde von Prinzessin Sonnenschein gedrungen, von einem holdseligen Mägdlein, das grünen und blühen machte, was es nur anschaute.
Nun hatte die Königin des Eises einen einzigen Sohn, den liebte sie über alles in der Welt. Sie hatte sonst ein gar hartes, kaltes Herz, und es war ihr ganz recht und lieb, daß sie in ihrem düstern Reiche einsam thronte in Eis und Schnee, daß alle Menschen ihr Land flohen und selbst die Tiere es mieden. Still und öde war es in ihrem Schloß. Dort wuchs der Prinz auf, und war er schon ein stilles, trauriges Kind gewesen, je größer er wurde, desto trauriger wurde er. In Büchern hatte er von Ländern gelesen, wo die Sonne lacht, wo Blumen blühen und Vögel singen, und in seinem Kerzen wuchs und wuchs die Sehnsucht nach diesen Reichen.
"Wenn es doch eine Wacht gäbe, die unser Land erwecken könnte aus seiner Eisesnacht!" seufzte er.
Der Königin brach es fast das Herz, wenn sie fein blasses, trauriges Antlitz sah und immer nur den einen Wunsch darin las. Sie schickte ihre Voten, die Eisbären und Wölfe, aus, in der Welt nachzuforschen, ob jemand diese Wacht hätte. Stets kehrten sie unverrichteter Sache heim. Doch einmal, da war es einem Wolf gelungen, bis zum Lande der Prinzessin Sonnenschein zu dringen. Ein Kund, der ihn freundlich als Vetter aufgenommen, erzählte ihm von dem Königstöchterlein, und fröhlich trabte der Wolf mit der guten Botschaft heim.
Wehr brauchte es nicht! Die Königin rüstete gleich einen prächtigen Schlitten und fuhr zum Lande unseres Königs. Sie wollte um dieHKand der Prinzessin werben für ihren Sohn.
"Sei fröhlich, mein Sohn", sprach sie, als sie aufbrach, "Blumen werden vor uns blühen, wenn ich heimkehre; das sei dir ein Zeichen!"
Doch die düstere, strenge Königin flößte unserer Prinzessin Furcht und Schrecken ein. Ängstlich schmiegte sie sich an ihren Vater, und als nun gar die Königin zu erzählen begann von ihrem Land, wo ewiges Eis und ewiger Schnee herrsche, und daß Prinzessin Sonnenschein mit ihr kommen solle, da bebte sie vor Entsetzen, schloß die Arme um ihren Vater und bat flehentlich, bei ihm bleiben zu dürfen.
Auch ohnedies hätte der König die Werbung abgeschlagen; denn wie gesagt, er wollte sich nicht von seinem Töchterchen trennen. So dankte er der Königin für die Ehre, die sie seiner Tochter angetan, aber aus den und den Gründen könne er ihre Bitte nicht erfüllen. Düster hörte die Königin seine Rede an; wortlos bestieg sie ihren Wagen und fuhr von dannen.
Wie ein dunkler Schatten hatte es auf dem ganzen Lande gelegen, so lange sie dort weilte. - Doch nach einigen Monden dachte niemand mehr daran, und Glück und Frohsinn kehrten zurück.
An einem schönen Sommerabend ging einst die Prinzessin mit ihren Gespielinnen in den Wald, im kühlen, stillen See zu baden. Lachend und scherzend schwammen und tauchten sie in den Fluten. Da plötzlich sah Prinzessin Sonnenschein ein goldenes Fischlein vor sich im Wasser spielen. Sie will es greifen; doch es entweicht; sie ruft die Gespielinnen, sie alle wollen es fangen. Doch das Fischlein ist schneller als sie; dicht bleibt es der Prinzessin zur Seite und läßt sich doch nicht greifen, immer weiter und weiter hinaus in den See schwimmen sie beide. Da, gerade als sie die Mitte des Sees erreicht haben, berührt der Prinzessin Hand das goldene Fischlein; doch das - "Nebel vor mir, Nebel hinter mir" - ist im Nu verschwunden, und statt der Prinzessin Sonnenschein wiegt sich ein schöner, stolzer Schwan mit einer goldenen Krone auf dem Haupte in den Fluten. Erschreckt eilen die Gespielinnen ans Ufer, werfen die Kleider über und laufen weinend zum Schloß und erzählen, was geschehen ist. Der Schwan aber breitet die Flügel aus und fliegt langsam über den Wald gen Abend. Da gab es ein Trauern und Wehklagen im ganzen Königreich! Der arme alte König weinte Tag und Nacht um sein Prinzeßchen Sonnenschein, und sein ganzes Volk weinte mit ihm. Es sah aber jetzt auch gar traurig aus im Lande! Ihr würdet es kaum wiedererkannt haben. Keine Blume blühte, kein Baum grünte und trug Früchte, die Felder standen öde und leer; denn da war keine Prinzessin, die mit ihren holdseligen Blicken all das Blühen und Grünen hervorlockte. Die Vögel verstummten und zogen traurig von dannen in andere Länder. Still wurde es in den Lüften, und Not und Armut kehrten ein.
Im Reiche des guten alten Königs aber lebte ein junger Hirtenknabe, der war so schön wie die Sonne und so gut wie ein Bissen Brot. Er hatte Prinzessin Sonnenschein schon oft von ferne gesehen, wie sie an der Wiese vorbeigeritten war auf ihrem weißen Rößlein mit den silbernen Glöckchen, und er hatte sie lieb, so lieb wie sein Leben.
Als der erfuhr, was geschehen war, und vom Jammer des alten Königs hörte, da ließ es ihm keine Ruhe daheim bei seinen Schafen. Er übergab seine Herde einem andern Hirten, nahm sein Ränzel auf de Rücken und machte sich auf, die Prinzessin zu suche. Gen Abend sei sie geflogen, hatte er gehört, und so wanderte er denn gen Abend.
Er wanderte und wanderte, über Berg und Ta durch Wald und Feld, über Stock und Stein. Eines Tages lag er müde an einem Bache und blickte traurig ins Wasser; denn bisher hatte er nirgends Kunde von Prinzessin Sonnenschein gefunden. Niemand wußte etwa von einem Schwan mit einer goldenen Krone auf dem Haupte, und gar erst von einer Prinzessin, die Perle weinte und Rosen lächelte, hatte niemand gehört.
Wie er so bekümmert ins Wasser starrt, sieht er plötzlich darin etwas zappeln. Er bückt sich nieder und erblickt ein Glühwürmchen, das ins Wasser gefalle ist und sich verzweifelt gegen die Wellen des Baches stemm