Ein armer Jäger hatte seit langem kein Wild erlegen können; Pulver und Blei waren verschossen, und eben wollte er mit der letzten Kugel seinem Leben ein Ende machen. Da flog über ihm etwas Schwerfälliges auf. Der Jäger ließ erschrocken sein Gewehr fallen, sah hinauf und bemerkte hoch auf einem Baum ein riesengroßes Nest.
Vielleicht sind Eier in dem Nest, dachte er und stieg hinauf. Und wirklich, vier riesengroße Eier fand er in dem Nest, so groß, dass er sie kaum tragen konnte. »Wie wird sich mein Weib freuen!« sagte er halblaut vor sich hin, steckte die Eier behutsam in seine Jagdtasche und stieg hinunter.
»Zerstöre nicht, was du trägst«, hörte sich auf einmal der Jäger anrufen, »zerstöre nicht, und du wirst glücklich werden.« Dies kam dem Jäger gerade nicht sehr gelegen, denn sein Weib und seine drei Kinder hatten schon lange nichts Gescheites mehr gegessen.
Da kam ein Hase des Weges. Der Jäger riss sein Gewehr herunter, zielte, es knallte, und der Hase war getroffen. Das machte den Jäger wieder zufrieden, und die Eier konnten ungestört hinter dem Ofen ihren Platz einnehmen. Der Hasenbalg wurde verkauft und für dieses Geld wieder etwas Pulver und Blei angeschafft.
Doch es nützte wieder nichts, die Jägerei wollte und wollte durchaus nicht gehen, der alte, erfahrene Schütze konnte kein Wild treffen, und deshalb hatten sein Weib und seine Kinder nichts zu essen. Da, in der größten Not, bemerkte er wieder das Nest auf dem hohen Baum, er stieg hinauf und fand acht Eier darin.
Frohen Herzens dankte er Gott für die riesengroßen Eier, aber da hörte er wieder die verhängnisvollen Worte: »Zerstöre nicht!« Voll Verdruss stieg er hinunter, steckte die Eier ein und ging heim. Da lief wieder ein Hase über den Weg, und der Schuss gelang ihm. »Aha, so ist es«, sagte der Jäger zu sich, »da muss ich ja täglich hierher gehen, vielleicht werde ich glücklicher.«
Am anderen Tag fand der Jäger in dem Riesennest nur ein Ei; aber es wurde ihm besonders anempfohlen, das Ei ja nicht zu zerstören.
Drei Wochen waren seit dieser Zeit verflossen, der Jäger hatte die Eier ganz vergessen, und seine Jagden waren glücklich. Einmal saß er in seiner Stube und putzte sein Gewehr blank. Da krachte und knallte es auf einmal hinter dem Ofen; und ehe sich der Alte von seinem Schreck erholte, standen dreizehn frische Kerle vor ihm.
»Um Gottes willen, was wollt ihr von mir haben?« sprach erschrocken der alte Jäger. »Wenn ich das gewusst hätte, was in den Eiern verborgen war, so wären sie gewiss hinter dem Ofen nicht liegen geblieben.«
»Du hättest nicht gut getan«, ließ sich der Jüngste hören, »wir sind unser dreizehn, was können wir nicht vereint vollbringen? Gewiss, wir werden dich nie vergessen und dir die Wohltat dereinst reichlich lohnen. Höre mich an: Der König braucht Krieger, er wird hart vom Feind bedrängt, gehe hin, sage, was du weißt, und bitte für uns um Dienst in seinem Heer.«
Lange bedurfte es, ehe sich der alte Weidmann von seinem Schrecken erholte, besonders das gebietende Wesen des Jüngsten behagte ihm nicht. »Diesem jüngsten von euch müsst ihr alle gehorchen«, sagte der alte Jäger den übrigen zwölf, »er redet gescheit, und hat gewiss mehr Verstand als wir alle.« Dann nahm er seinen Hut, hängte seine Büchse über die Achsel und eilte zum König.
Der nahm die Brüder gern auf und ließ sie sogleich vor seinen Thron rufen. Der Jüngste wurde auch von ihm als der Tüchtigste erkannt, und der König machte ihn zum Hauptmann. Das verdross aber die übrigen Brüder, sie beneideten ihn seiner Stelle wegen und beschlossen, ihn zu vernichten. Gelegenheit bot sich ihnen bald dar. Unweit der Stadt lag eine Wiese, welche schon seit undenklicher Zeit nicht gemäht war. Man konnte sie aber auch nicht mähen, denn es kamen immer dreizehn Rosse dahergerannt und zertraten und zerstampften das Gras so sehr, dass man es nicht mehr brauchen konnte. Die dreizehn Brüder sollten nun diese Wiese abmähen. Sie unterzogen sich auch freudig der Aufgabe, weil sie dabei ihren Bruder zu vernichten dachten.
Als sie anfingen zu mähen, erschienen sogleich die dreizehn Pferde und wollten wieder ihre alte Wirtschaft treiben. »Fangen wir die Pferde«, sagte der Jüngste zu seinen Brüdern, »jeder eines, es sind unser gerade auch dreizehn.« Er lief zuerst zu den Pferden, um eines zu fangen. Das gerade wollten die Brüder, denn sie glaubten, die Pferde würden ihn zerreißen; doch siehe, jedes Pferd ließ sich von ihm berühren und wurde augenblicklich zahm. Wie das die übrigen sahen, liefen sie hin, und jeder suchte sich ein Pferd heraus; jeder wollte das schönste haben, so dass dem Jüngsten nur ein magerer Schimmel blieb.
Der aber sprach: »Sei mit mir wohl zufrieden, Löwenzahn, denn ich werde dich, wenn du mir gehorchst, glücklich machen.« Unser Löwenzahn erstaunte ob der Sprache des Pferdes, es gab ihm einen Namen, den er nicht verdiente, und verhieß ihm Glück, wenn er ihm folge.
Als der König das Abenteuer vernommen hatte, bangte ihm auch vor Löwenzahn, und er sann nun selbst, wie er ihn verderben könne. Da erinnerte er sich seiner Braut, die ihm einst geraubt worden, und schickte den Löwenzahn hin, mit dem Auftrag, sie zu holen.
Ganz seinem Pferd vertrauend, ritt Löwenzahn fort. Das Pferd wusste den Weg und auch die Mittel, wie die geraubte Königstochter zu erlösen sei. Eines Morgens ritten sie bei einem Teich vorbei; da lag ein Karpfen im Schlamm und konnte sich nicht helfen. Mitleidig hob ihn Löwenzahn ins Wasser, und der Karpfen verhieß, er wolle ihm auch einmal beistehen, wenn er in Not sei. Löwenzahn ritt weiter und fand einen Hund an einer Kette, die an einem Felsen angeschmiedet war. Auch diesen befreite er, und der Hund versprach, er wolle ihm dankbar sein. Auch einen Adler befreite er, und der machte ihm ein gleiches Versprechen.
Endlich kamen sie bei der Zauberin an, diese hieß sie willkommen. Sie sperrte beide in den Schweinestall und gab ihnen Menschenfleisch zu essen. Das Pferd aß nichts und Löwenzahn auch nichts. Um nun die Königstochter zu erlösen, wurde dem Löwenzahn aufgetragen, er müsse drei wütende Pferde reiten. Das Pferd gab ihm seinen Sattel, der so schwer wurde, dass die Pferde daran zu schleppen hatten. Störrisch erhob sich das erste Pferd in die Lüfte, aber der Sattel ward ihm bald zu schwer, und es musste sich auf die Erde niederlassen. Da verwandelte es sich in einen Hasen und jagte davon.
»Ach, wenn ich jetzt einen Hund da hätte«, sprach Löwenzahn, und augenblicklich sah er einen Hund dem Hasen nachjagen und ihn auch bald einbringen. Löwenzahn nahm den Hasen dankbar an und warf ihn der Zauberin vor die Füße.
Des anderen Tages ritt er ein noch wütenderes Pferd, aber der Sattel war auch diesem Pferd zu schwer, es ließ sich auf die Erde nieder und verwandelte sich in einen Vogel. Jetzt könnte mir der Adler gute Dienste leisten, dachte sich Löwenzahn, und bald nahte ein Adler, der ihm den Vogel brachte. Zähneknirschend nahm ihn die Zauberin.
Und nun sollte Löwenzahn das dritte, das böseste Pferd reiten. Als er das Pferd besteigen wollte, schlich sich die Zauberin hinter ihn und wollte ihn mit einem Stäbchen berühren. Löwenzahn hatte es aber gleich bemerkt, riss ihr das Stäbchen aus der Hand und berührte sie selbst damit. Die Zauberin verwandelte sich in Stein, da hob das Pferd sich schnell in die Lüfte und kreiste siebenmal herum. Dann verwandelte es sich in einen Fisch und verschwand im Meer. Jetzt tat der Karpfen seine Schuldigkeit. Er spie den Fisch ans Ufer, und Löwenzahn schnitt ihm den Bauch auf, fand darin einen Schlüssel, sperrte das Zimmer auf, in dem die Prinzessin gefangen war, und führte sie ihrem Bräutigam zu.
Doch die Prinzessin wollte um keinen Preis den König heiraten. Sie habe ihr Brautkleid bei einem Zauberer, sagte sie, und das müsse sie erst haben. Löwenzahn wurde danach ausgeschickt, und nach vielen Gefahren brachte er der Prinzessin eine verschlossene Kiste.
»Ich habe aber keinen Schlüssel«, sagte die Prinzessin, und Löwenzahn musste wieder aushelfen. Er brachte auch den Schlüssel. Doch wie erstaunten der König und auch Löwenzahn, als sie den Inhalt der Kiste sahen: nichts Anderes als ein altes Schwert. Ihr Erstaunen stieg noch höher, als die Prinzessin beide niederknien hieß und sie köpfen wollte. »Derjenige«, sagte sie, »der ein edles Blut hat, wird wieder lebendig.«
Löwenzahn hatte nichts zu verlieren und kniete nieder, der König jedoch wollte sich unter keiner Bedingung dazu verstehen, und nur die Überzeugung, dass in seinen Adern wirklich edles Blut rolle, brachte ihn endlich dazu, sich köpfen zu lassen - und siehe, Löwenzahn wurde lebendig, und der König blieb für immer tot. Darauf heiratete die Prinzessin den Löwenzahn, und das Volk begrüßte ihn freudig als seinen König, denn alle hatten ihn lieb, und es gab wohl nur zwölf Herzen im Lande, die ihm das Glück missgönnten.
Seine zwölf Brüder beneideten ihn seines Glücks wegen. Auch jetzt ruhten sie nicht und suchten ihn zu verderben, obgleich alle eine hohe Stellung im Lande eingenommen hatten. Sie bestachen mit vielem Geld eine Hexe, und diese bezauberte den König auf einer Jagd. Groß war der Schmerz der Königin, als sie erfuhr, ihr Gemahl sei auf der Jagd auf einmal verschwunden. Die ganze Stadt trauerte um den König. Die Brüder hingegen waren froh, den lästigen Bruder los zu sein, und einer erkühnte sich sogar, um die Königin zu freien.
Diese jedoch hatte ihre Bosheit geahnt, sie wurden alle ihrer Würden entsetzt und mussten flüchten. Vorher aber wollten sie noch den weißen Schimmel, der den König aus so vielen Gefahren errettet hatte, stehlen und ihn totschlagen, doch das Pferd machte einen solchen Lärm, dass die Leute wach wurden und das Pferd noch retten konnten. Die Königin fütterte es mit eigener Hand und erfuhr nun von ihm, dass der König nicht tot, sondern verzaubert sei.
Darauf bestieg die Königin das Pferd, und fort ging es im Galopp. Unterwegs wünschte das Pferd, sie müsse das erste, woran sie Wohlgefallen finde, fangen. In einem Wald gelang es ihr, eine Nachtigall zu fangen, die ihr besonders gefiel. Dann setzte sich die Königin wieder aufs Pferd und ritt weiter.
Als sie einen Brunnen erreichte, musste sie die Nachtigall dreimal untertauchen. Höllische Gestalten guckten heraus und drohten sie zu verschlingen, doch die Königin ließ sich nicht beirren, und als sie zum drittenmal die Nachtigall mit Wasser bespritzte, stand der König, ihr Gemahl, vor ihr und dankte ihr freudig für seine Erlösung. Beide setzten sich nun auf das treue Pferd, und fort ging's der Heimat zu. Jubelnd begrüßte sie das Volk, und die schwarzen Trauertücher mussten den roten weichen.
Die zwölf Brüder entgingen aber der verdienten Strafe nicht. Als sie erfuhren, dass der König lebe, setzten sie sich auf ihre Pferde und verließen eiligst die Stadt. Der König aber ritt ihnen nach und fand sie gerade beim Feuer sitzen, das Nachtmahl kochend. Er warf sein Stäbchen, das er bei der Zauberin erbeutet hatte, in das Feuer, und es erwuchs ein Felsen daraus, der Mann und Ross unter sich begrub. Dann ritt der König vergnügt nach Hause, feierte noch einmal die Hochzeit und lebte glücklich bis an sein Ende.