Hoho, schrie Kreisler, indem er im Zimmer umhersprang, blanker Vogel, sind das deine süßen Lieder? — Wetter, Wetter, der Prinz ist ein tüchtiger Kerl, er greift zu, mit beiden Krallen auf einmal, nach gebotenen und verbotenen Früchten! — Holla, süßer Neapolitaner, Du weißt nicht, daß Julien ein wackrer Kapellmeister, mit hinlänglicher Musik im Leibe, zur Seite steht, der hält Dich, sowie Du Dich ihr näherst, für einen verdammten Quartquinten-Akkord, der aufgelöst werden muß. Und der Kapellmeister tut, was seines 182Berufs ist, das heißt, er löst Dich auf, indem er Dir eine Kugel durch das Gehirn jagt, oder Dir gegenwärtigen Stockdegen durch den Leib rennt — Damit zog Kreisler seine Stockklinge heraus, setzte sich in Fechterpositur, und fragte den Meister, ob er Anstand genug besitze, einen fürstlichen Hund zu durchspießen. „Seid doch nur ruhig, Kreisler, erwiderte Meister Abraham, es bedarf solcher Heldentaten gar nicht, um dem Prinzen das Spiel zu verderben. Es gibt andere Waffen für ihn, und die geb' ich Euch in die Hand. Gestern war ich im Fischerhäuschen, der Prinz kam mit seinem Adjutanten vorüber. Sie gewahrten mich nicht. Die Prinzessin ist schön, sprach der Prinz, aber die kleine Benzon ist göttlich! Mein ganzes Blut wallte siedend auf, als ich sie sah — ha, sie muß mein werden, noch ehe ich der Prinzessin die Hand reiche. — Glaubst Du, daß sie unerbittlich sein wird? — Welches Weib hat Euch widerstanden, gnädigster Herr, erwiderte der Adjutant. — „Aber, beim Teufel, fuhr der Prinz fort, sie scheint ein frommes Kind zu sein“ — und ein argloses, fiel ihm der Adjutant lachend ins Wort, und die frommen arglosen Kindlein sind es ja eben, die überrascht von dem Angriff des sieggewohnten Mannes duldend unterliegen und dann alles für Gottes Fügung halten, wohl gar in ungemeine Liebe geraten zu dem Sieger! — Das kann Euch auch so gehen, gnädigster Herr! — „Das wäre toll genug, rief der Prinz. Aber könnte ich sie nur allein sehen — wie das anfangen?“ — Nichts ist leichter als das, erwiderte der Adjutant. Ich habe bemerkt, daß die Kleine oft allein lustwandelt in diesem Park. Wenn nun — Jetzt verhallten die Stimmen in der Ferne, ich konnte nichts mehr verstehen! — Wahrscheinlich wird irgendein höllischer Plan schon heute ausgeführt, und der muß vereitelt werden. Ich könnte das selbst tun, aber aus gewissen Ursachen möchte ich mich zurzeit dem Prinzen nicht zeigen, daher müßt Ihr Kreisler gleich fort nach Sieghartshof, und aufpassen, wenn Julia etwa in der Dämmerung, wie sie zu tun pflegt, nach dem See lustwandelt, um den zahmen Schwan zu füttern. Diesen Gang hat wahrscheinlich der italienische Bösewicht erlauscht. — Doch empfangt die Waffe, Kreisler, und die höchst nötige Instruktion, damit Ihr im Kampf gegen den bedrohlichen Prinzen, als ein guter Feldherr Euch zeigen möget! —
Der Biograph erschrickt abermals über das total Abrupte der Nachrichten, aus denen er gegenwärtige Geschichte zusammenstoppeln muß. — Wäre hier nicht schicklich einzurücken gewesen, welche Instruk183tion Meister Abraham dem Kapellmeister erteilte, denn zeigt sich auch später die Waffe selbst, so wird es Dir, geliebter Leser! doch unmöglich sein, einzusehen, was es damit für eine Bewandtnis hat. Doch kein einziges Wörtlein weiß der unglückliche Biograph zurzeit von jener Instruktion, mittels der (so viel scheint gewiß) der wackre Kreisler in ein ganz beso
nderes Geheimnis eingeweiht wurde. — Doch! gedulde Dich, günstiger Leser, noch ein wenig, bemeldeter Biograph setzt seinen Schreibedaumen zum Pfande, daß noch vor dem Schluß des Buches auch dieses Geheimnis an den Tag kommen soll. — Es ist nun zu erzählen, daß, sowie die So
nne zu sinken begann, Julia, ein Körbchen mit Weißbrot am Arm, singend durch den Park wandelte, zum See, und sich mitten auf die Brücke unweit des Fischerhäuschens stellte. Aber Kreisler lag im Hinterhalt des Gebüsches, und hatte einen tüchtigen Dollond vor den Augen, mit dem er scharf hinüberschaute durch die Sträucher, die ihn versteckten. Der Schwan plätscherte heran, und Julie warf ihm Brocken hinab, die er begierig wegnaschte. Julie fuhr fort im lauten Gesange, und so kam es, daß sie es nicht gewahrte, wie Prinz Hektor schnell heraneilte. Als er plötzlich bei ihr stand, fuhr sie zusammen wie im heftigen Schreck. Der Prinz faßte ihre Hand, drückte sie an die Brust, an die Lippen und legte sich dann dicht neben Julien über das Geländer der Brücke. Julia fütterte, indem der Prinz eifrig sprach, den Schwan, in den See hinabschauend. — „Schneide nicht solche infame süße Gesichter Potentat! merkst Du denn nicht, daß ich dicht vor Dir auf dem Geländer sitze und Dich erklecklich maulschellieren kann? — O Gott, warum färben sich Deine Wangen in immer höherem Purpur, Du holdes Himmelskind? — Warum blickst Du jetzt den Bösen so seltsam an? — Du lächelst? Ja es ist der glühende Gifthauch, vor dem sich Deine Brust öffnen muß, wie vor dem sengenden So
nnenstrahl sich die Knospe in den schönsten Blättern entfaltet, um desto jäher hinzusterben!“ — So sprach Kreisler, das Paar beobachtend, das der gute Dollond ihm dicht herangerückt. — Der Prinz warf jetzt auch Brocken hinab, der Schwan verschmähte sie aber, und brach in ein lautes widriges Geschrei aus. Nun schlang der Prinz den Arm um Julia, und warf so die Brocken hinab, als sollte der Schwan glauben, daß es Julia sei, die ihn fütterte. Dabei berührte seine Wange beinahe die Wange Julia's. — „Recht so, sprach Kreisler, gnädigster Halunke, umkralle, würdiger Stoßvogel, nur Deine Beute recht fest, hier liegt aber einer im Busch, der schon auf Dich zielt, und sogleich 184Dir Deinen glänzenden Fittich lahmschießen wird, und es steht dann erbärmlich mit Dir und Deiner Freijagd!“