Marie Duplessis, eine junges Mädchen vom Land, wurde die wohl berühmteste Kurtisane von Paris und das Vorbild für Alexandre Dumas‘ "Kameliendame" und Guiseppe Verdis "La Traviata". Autor: Xaver Frühbeis
Man hat sie begehrt mit Leib und Seele, all ihren Verehrern war sie teuer, und tatsächlich war sie teuer. "Monsieur le Baron", hat Marie Duplessis geschrieben, "Sie müssen wissen, dass meine Gefälligkeiten sehr viel Geld kosten. Mein Beschützer muss wirklich außerordentlich reich sein, um die Ausgaben meines Haushalts zu decken und meine Bedürfnisse zu befriedigen."
Die Unschuld vom Land
Aus der tiefsten Provinz war sie damals, noch ganz jung, nach Paris gekommen. Die Tochter einer Wäscherin und eines Hausierers, der Vater trinkt und schlägt, die Mutter verlässt ihn, die Kleine wird von Verwandten zu Bekannten weitergereicht. Dienstmagd, Gasthausbedienung, harte Arbeit in der Fabrik, aus so einem Leben will man raus. Und wenn man - wie Alphonsine Plessis - ein aufgewecktes, junges und sehr hübsches Mädchen ist, dann ist klar, was das bedeutet. Es dauert nicht lang, da hat sich die fünfzehnjährige Alphonsine einen reichen Gönner zugelegt. Ein verwitweter Restaurantbesitzer richtet ihr ein eigenes Appartement ein und drückt ihr dreitausend Francs in die Hand. Kurz darauf kann sich der Gute seine Geliebte schon nicht mehr leisten. Alphonsine lernt Männer von wahrem Stand kennen, die wesentlich größere Summen für sie ausgeben. Antoine Alfred Agénor, der zehnte Herzog von Gramont, kauft ihr erlesene Kleider und Juwelen, schenkt ihr ein Pferd, und sorgt sich um ihre Ausbildung. Eine Frau an seiner Seite kann nicht daherkommen wie ein Wäschermädel vom Land. Alphonsine lernt lesen und schreiben, bald schon spricht sie Französisch ohne Akzent und parliert fließend über Themen wie Tagespolitik, Religion oder die Wissenschaften. Und sie ändert ihren Namen.
Aus dem Provinzmädel Alphonsine Plessis ist nun Marie Duplessis geworden, die begehrteste und teuerste Kurtisane von Paris. Ihre Schönheit ist legendär, die Zahl ihrer Verehrer ebenso. Aristokraten und Künstler gehen in ihrem Salon aus und ein. Theophile Gautier, Alexandre Dumas, Honoré de Balzac, der junge Franz Liszt, sie alle rühmen ihre Eleganz und ihren Geschmack.
Die Kameliendame
Und Dumas berichtet, sie habe jeden Tag - als einzigen Schmuck - in ihrem langen schwarzen Haar Kamelienblüten getragen. An 25 Tagen im Monat: weiße, an den restlichen Tagen: rote Kamelienblüten. Es gibt Angelegenheiten im Leben einer Dame, in denen sie am besten Blumen sprechen lässt. Wie die meisten vergnüglichen Dinge ist auch das Leben der berühmtesten Kurtisane von Paris - kurz. Einer ihrer Gönner, der alte Graf von Stackelberg, steckt sie mit Lungentuberkulose an. Am 3. Februar 1847 stirbt Marie Duplessis, dreiundzwanzig Jahre alt, ganz Paris trägt Trauer. Und es dauert kein halbes Jahr, da erscheint auf dem Buchmarkt ein Roman mit dem Titel "Die Kameliendame". Der Autor ist Alexandre Dumas, der einzige Mann, den sie wirklich geliebt haben soll. Fünf Jahre später komponiert Giuseppe Verdi zu dem Roman eine Oper. "La Traviata", zu Deutsch: "die vom rechten Weg Abgekommene. Eine Prostituierte als Heldin auf der Opernbühne? Völlig unmöglich! "La Traviata" fällt bei der Uraufführung durch, und es wird noch einige Zeit ins Land gehen, bis die Geschichte der schönsten und teuersten Kurtisane von Paris das Opernpublikum weltweit zu Beifallsstürmen hinreißt.