Nachdem die Menschen das Feuer schon hatten, wollte man den Ursprung des Feuers auch wissenschaftlich klären. Benjamin Franklin hatte hierzu funkensprühende Ideen - und erfand den Blitzableiter. Autor: Hellmuth Nordwig
Es gibt Geschichten, die sind vielleicht nicht wahr - aber sie elektrisieren derart, dass sie nicht totzukriegen sind. Wenn also kein Geringerer als Immanuel Kant einen Zeitgenossen zum "modernen Prometheus" adelt, dann sprühen die Funken des Mythos bis heute. Der Prometheus der Antike hat bekanntlich den Menschen das Feuer gebracht. Für eine Sagengestalt ist es ja ein Klacks, einfach den Stängel eines Riesenfenchels an den brennenden Sonnenwagen Helios zu halten - die perfekte Fackel fürs Lagerfeuer.
Die Frage nach dem Ursprung des Feuers
Sein moderner Nachfolger hatte es nicht ganz so leicht. Sagen waren out im
18. Jahrhundert. Jetzt war die Wissenschaft dran, den Ursprung des Feuers zu erklären. Eine Theorie war: Funken entstehen durch diese merkwürdige Erscheinung namens "Elektrizität". Das war ein Modebegriff der 1740er-Jahre, sozusagen einer der beliebtesten Hashtags in den damaligen sozialen Medien wie dem britischen "Gentleman's Magazine". Nur, was diese sagenhafte Elektrizität genau war, das wusste keiner.
Auch Benjamin Franklin nicht. Der gelernte Drucker hatte mit 42 Jahren seinen lukrativen Betrieb in Philadelphia verpachtet und war fortan Privatier. Er hatte also genug Zeit, die damals beliebten Experimentalvorführungen zu besuchen. Dort konnte man zum Beispiel Katzen bestaunen, deren Haare Funken sprühen, wenn man ihr Fell mit Bernstein reibt. Tierschutz war damals noch kein Thema, Elektrizität war angesagt.
Ein zündender Erfolg
Franklin beschloss, diesem Naturphänomen in größerem Maßstab auf den Grund zu gehen. Sein Gedanke: Bei Gewitter reiben Wolken aneinander, so wie der Bernstein am Tierfell. Und die Blitze am Himmel - sind das nicht große elektrische Funken? Um das zu beweisen, ersann Franklin eine verwegene Versuchsanordnung:
Auf einem hohen Turm, schrieb er, errichte man ein Schilderhaus. Und lasse von dessen Dach eine lange spitze metallstange in den Himmel ragen. Bei Gewitter braucht sich nur noch ein Mann ins Häuschen zu stellen - und wenn dann der Blitz einschlägt, müsste die Versuchsperson Funken sprühen, genau wie die Katze. Wenn die Theorie stimmt.
Möglicherweise hat es an Freiwilligen gemangelt - jedenfalls hat dieses spannende Experiment nicht stattgefunden. Benjamin Franklin hatte einen anderen Geistesblitz: Er baute einen Drachen aus Zedernholzleisten, klemmte einen Eisendraht an die Spitze und an den Schweif seinen Hausschlüssel, in dem sich die Elektrizität sammeln sollte. Am 15. Juni 1752 zog endlich das erhoffte Gewitter auf, und Franklin ließ seine fliegende Versuchsanordnung in den Himmel von Neuengland aufsteigen. Die Rechnung ging auf für den Tüftler: Er habe mit den Fingern Funken aus dem Schlüssel ziehen können, schwärmte er ein paar Wochen später in der "Pennsylvania Gazette".
So ein zündender Erfolg ruft ja immer diese neidischen Kleingeister auf den Plan, die nur das glauben, was sie selbst gesehen haben. Leider gab es aber außer Franklins Sohn William keine Augenzeugen des legendären Blitzversuchs.
Und so ist bis heute umstritten, ob er tatsächlich stattgefunden hat. Dabei ist es doch völlig gleichgültig, ob die Geschichte wahr ist oder nur gut erfunden. Was bleibt, ist nämlich nicht der Drachen, sondern die hoch aufragende metallstange.
Als Blitzableiter schützt sie heute nicht nur Türme - und das war nun ganz bestimmt Benjamin Franklins Einfall.