Rübezahl kam auf seinen Streifereien eines Abends bei den Grenzbauden vorbei. „Wie wär’s,“ dachte er, „wenn du über Nacht hier bliebest? Vielleicht erlebst du einen lustigen Zufall,“ und damit ging er ins Haus.
Da saßen drei Männer um einen Tisch, tranken ihre Flasche Österreicher und waren guter Dinge; zu denen setzte sich Rübezahl und bat, sie möchten sich in ihrem Gespräch nicht irre machen lassen. Nun fuhr der erste von ihnen in seiner Rede also weiter fort:
„Ich bin ein Landsknecht,“ sagte er, „aus Dinckelsbühl in Schwaben, und da jetzt Frieden im Reiche ist, so gehe ich in die weite Welt, um auf meine eigene Rechnung Taten zu tun, vor denen die Menschen staunen sollen, und ich will niemand raten, daran zu zweifeln; ich bin zwar sonst der beste Mensch von der Welt, den Widerspruch aber kann ich nicht leiden, ich möchte da immer gleich mit dem Schwerte dreinschlagen, und das nehmen die Leute gleich übel.“
Der andere erzählte, er sei aus Schlesien und habe sonst in Goldberg Tuche geschoren, aber er habe die Stadt um einer Kleinigkeit willen verlassen und suche nun andere Arbeit. „Ich bin eigentlich der beste Mensch von der Welt,“ sagte er, „aber obgleich ich manches Tuch geschoren habe, lasse ich mich doch nicht scheren, und da es der Meister einmal mit mir probieren wollte, warf ich ihm mein Eisen an den Kopf. Da verklagte er mich und ich nahm Reißaus, um nicht im Stock zu brummen.“
„Ich bin ein Müller,“ sagte der dritte auf Befragen, „und gewiß der beste Mensch von der Welt, nur kann ich keine Ungerechtigkeit leiden. Wenn mir nun einer von der Mahlmetze und dergleichen anfängt, kribbelt’s mich in den Fäusten und ich fasse da manchmal nach einem Stuhlbein oder dem Bierkandel und schlage drein. Darüber kam ich mit aller Welt in Unfrieden, und der Meister jagte mich fort, weil ich ihm die Mahlkunden verjagte, wie er sagte.“
„Nun, da haben wir ja ziemlich einerlei Geschick,“ fing darauf der Landsknecht an, „wie wär’s, wenn wir ein Stück miteinander in die Welt gingen?“ Das waren die anderen zufrieden und legten sich einig und friedlich aufs Stroh.
Als sie nun fest schliefen, betrachtete sie Rübezahl und sagte zu sich selbst: „Warum mache ich doch diese Entdeckung so spät, die alle meine früheren Erfahrungen Lügen straft. Sonst wäre ich ja zufrieden gewesen wenn ich nur einen besten Menschen auf der Welt gefunden hätte, und hier habe ich nun gleich drei auf einmal.“
Am anderen Morgen zogen die drei besten Menschen ihres Weges, und Rübezahl zauberte jedem einen Portugaleser in die Tasche, der ihnen auf ihrer Wanderschaft ganz gut zustatten kam.
Nach langer Zeit dachte der Berggeist: „Ich möchte wohl wissen, wo jetzt die drei besten Menschen der Welt sein mögen und wie es ihnen ergeht.“ Und siehe da, kaum hat er es gedacht, so sieht er den Goldberger Tuchscherer von Hohenelbe herkommen. Rübezahl verwandelt sich geschwind in einen Grenzjäger und fängt ein Gespräch mit dem Burschen an. „Ei, warum wandert ihr denn ganz allein, habt ihr keinen Reisegefährten gefunden?“
„Zwei für einen, aber mit denen war nicht auszukommen, obgleich ich der beste Mensch von der Welt bin. Was scher ich mich drum, ich hab gehört, mein Meister ist gestorben, und da er mir nun nichts weiter antun kann, gehe ich wieder, woher ich gekommen bin, nach Goldberg.“
„Das ist wohl eine große, schöne Stadt?“ fragt der Grenzjäger; „ich bin aus Schwaben und erst zwei Tage hier im Lande.“
„Nun, dem kannst du eins aufbinden,“ denkt der Goldberger, und sagt: „Ei ja, es hat viel Merkwürdigkeiten in meiner Vaterstadt, besonders den Ratsturm, der ist an die elftausend Fuß hoch, und die Esse des Türmers nimmt allein tausend Fuß davon weg. Wenn die einmal gefegt wird, so braucht der Essenkehrer einen und einen halben Tag und muß Nachquartier darin machen, wozu mitten in der Esse ein kleines Stübchen gebaut ist.“
„Du Schelm,“ denkt Rübezahl, „das soll dir doch nicht ungestraft hingehen.“ Der Goldberger aber lügt tapfer weiter. Endlich kommen sie nach Krummhübel, und die Sonne vergoldet die Berge über ihnen zum Entzücken schön. An den Bleichplätzen sind viele Menschen versammelt, und der Tuchscherer grüßt herablassend nach allen Seiten. Aber die Bleicher stemmen die Arme in die Seiten und lachen, daß es in den Bergen widerhallt. Die Wanderer am Wege bleiben stehen und sehen den Goldberger mit Staunen und Entsetzen an. Der sieht nämlich wie ein Kreuzschnabel und Pfefferfresser aus, eine große Nase sitzt in seinem Gesicht und darum noch eine Menge kleine. Das sieht er, wie er eben an einem großen Zuber mit Wasser vorübergeht und erschrickt halb zum Tode darüber. Die Hände vor das Gesicht geschlagen, läuft er in den Wald zurück, verfolgt von dem Gelächter der mutwilligen, jungen Leute, die auf dem Felde und den Bleichen beschäftigt sind.
Der Goldberger blieb die ganze Nacht versteckt, und nur der Hunger trieb ihn endlich wieder dem Dorfe zu. Da begegnet ihm ein Jäger und spricht lachend:
„Ach, du bist dem Berggeist wohl auch in die Hände gelaufen? Deine Nase ist keine natürliche.“
„Ich glaube, der Fremde, der mir in Hohenelbe begegnete, ist der Herr Johannes gewesen und dem habe ich freilich auch eine Nase aufgebunden. Ach, wäre ich nur noch einmal diese schreckliche Nase los, ich wollt in meinem Leben nicht mehr lügen!“
„Topp, es gilt, mein Bursch!“ rief der Jäger, „aber, halt auch Wort.“ — Und lachend verschwand er zwischen dem hohen Korn. Der Goldberger aber hatte sein natürliches Gesicht wieder.