Jedes Jahr freute sich Sanni darauf, dass am ersten Advent das Engelsglockenspiel aufgestellt wurde.
Schon die Schachtel klapperte so aufregend, wenn Oma sie aus dem großen Karton holte. Oma kam jedes Jahr zum ersten Advent zu Besuch und blieb, bis das neue Jahr anfing. Weil Mama mit dem Backen so viel zu tun hatte, waren es Oma und Sanni, die für den Adventsschmuck zuständig waren. Es gab große Strohsterne, die mit spitzen Reißzwecken an die Wände geheftet wurden, und Lichterfiguren für die Fenster.
Aber am liebsten mochte Sanni das Engelsglockenspiel.
Es schimmerte golden. Unten war ein Teller mit vier Kerzenhaltern, in die Sanni rote Kerzen stellen durfte. In der Mitte steckte ein Stiel, und an diesem Stiel hingen drei Glocken. Ganz oben drauf kam ein Flügelrad, das sich drehte, wenn die Kerzen brannten.
Und an dieses Rad hängte Oma ganz zum Schluss das Allerwichtigste: fünf goldene Engel. Jeder Engel hielt eine zarte Stange, mit der er gegen die Glocken schlug, wenn das Rad sich drehte. So ertönte eine feine, silberhelle Musik. Sanni spürte jedes Mal ein glückliches Kribbeln im Bauch, wenn das Klingeln anfing.
Oma und Vater konnten die Musik nicht mehr hören, weil ihre Ohren schon so alt waren. Das machte die Musik noch aufregender, weil sie fast nur für Sannis Ohren war, so als teile sie mit den Engeln ein Geheimnis.
Diesmal aber blickte der Vater streng auf das Glockenspiel, als sie beim Kaffee saßen und die erste Kerze auf dem Adventskranz leuchtete. "Da stimmt was nicht", sagte er vorwurfsvoll. "Der eine Engel ist verkehrt!"
Tatsächlich hatte Oma den Engel falsch herum aufgehängt. Alle Engel flogen ordentlich vorwärts, nur dieser eine, der flog rückwärts. Sanni staunte, wie gut er das konnte.
Oma strich sich eine widerspenstige weiße Haarsträhne aus der Stirn und aß seelenruhig ihren Marzipanstollen. "Das macht gar nichts, wenn sich einer mal anders benimmt als alle anderen", sagte sie. "Auch bei Engeln nicht."
Mama versuchte, den Engel richtig herum zu hängen, doch der Engel war heiß von den Kerzenflammen, und sie konnte ihn nicht anfassen. Also flog er weiter rückwärts.
Am nächsten Tag, als die Kerzen aus waren, sah Sanni, wie der Vater den Engel sorgfältig richtig herum drehte.
Doch seltsam, als sie am zweiten Advent neue Kerzen anzündeten, flog der Engel wieder rückwärts! Vater schüttelte den Kopf. Oma aß Marzipanstollen. Und Sanni bewunderte den Engel. Sie fand ihn mutig.
"Oma", fragte sie, "Engel, die rückwärts fliegen, laufen die auch rückwärts?"
"Ganz bestimmt laufen die rückwärts", sagte Oma.
Vater pustete laut in seinen Kaffee.
Am Montag in der Schule schüttelte die Lehrerin den Kopf über Sanni. "Du sollst doch mit der rechten Hand schreiben, nicht mit der linken", sagte sie. "Die anderen Kinder machen das auch alle so."
"Das ist doch nicht schlimm", sagte Sanni. "Es gibt sogar Engel, die sich anders benehmen als alle anderen."
"Soso", sagte die Lehrerin. "Ich dachte, gerade Engel sind besonders brav."
Am Mittwochmorgen zeigte Jörg mit dem Finger auf Sanni und lachte sie aus. "Guckt mal, die Sanni kann sich noch nicht mal richtig anziehen!"
Sanni sah an sich herunter und merkte, dass sie ihre Jacke in der Eile verkehrt herum angezogen hatte.
"Na und", sagte sie. "Es gibt schließlich sogar Engel, die verkehrt herum fliegen!"
Jörg lachte noch mehr, aber Sanni ließ sein Lachen einfach nicht in ihre Ohren, sondern stellte sich vor, es wäre das helle Klingeln der Engelsglocken.
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