Den Leichnam Sigfrids brachte man noch in der gleichen Nacht nach Worms zurück. Hagen selbst ließ in direkt vor Kriemhilds Tür ablegen. Als an anderen Morgen der Kämmerer beim ersten Läuten zur Messe zu Kriemhild kam, um ihr den Weg zur Kirche zu leuchten, da sah er zuerst den Leichnam und meldete seiner Herrin: „Kriemhild, draußen vor der Tür liegt ein toter Recke!“
Kriemhild musste nur einen Blick auf den Toten werfen, um zu erkennen, um wen es sich handelte. Um ihren geliebten Mann Sigfrid. Sie brach ohnmächtig zusammen. Nun eilten der greise Sigmund und alle Männer Sigfrids zusammen, um den Toten zu beklagen und sich zu rächen. Sie wollten gegen den Mörder kämpfen. Doch Kriemhild bat, aus der Ohnmacht erwachend, zunächst von diesem Vorhaben abzusehen und die Rache auf einen späteren Augenblick zu verschieben, da die Burgunden ihnen ja ohnehin zahlenmäßig überlegen seien.
Sigfrids Leichnam wurde im Münster zu Worms aufgebahrt. Als König Gunther mit Hagen an die Bahre trat, auf der der Tote lag, da klagte er laut: „Es waren Räuber, die Sigfrid töteten.“ Doch das glaubte Kriemhild natürlich nicht. „Tretet nahe an meinen Mann heran, wenn ihr unschuldig seid“, antwortete sie. Gunther folgte der Aufforderung – es geschah nichts. Doch als Hagen ebenfalls an den Toten herantrat, da sprang dessen Wunde erneut auf und begann zu bluten. Nun wusste Kriemhild genau, wer ihren Mann heimtückisch ermordet hatte.
Drei Tage und drei Nächte beweinte Kriemhild ihren Sigfrid. Bevor der Sarg ins Grab hinabgelassen wurde, ließ sie ihn noch einmal öffnen, um sich noch einmal von Sigfrid zu verabschieden, so groß war ihre Trauer.
Sigfrids Männer, die nun Sigmund um sich gescharrt hatte, kehrten nach Xanten zurück. Kriemhild aber blieb in Worms, denn nur hier konnte sie Tag für Tag das Grab des Geliebten aufsuchen. Viele Jahre lang sprach sie kein einziges Wort mit Gunther, der ja ihr Bruder war, und Hagen begegnete sie in all der Zeit kein einziges Mal. Erst als ihre Brüder Gernot und Giselher auf sie einredeten, schloss Kriemhild Friede mit Gunther.
Jahre nach Sigfrids Tod ließ seine Frau den großen Nibelungenschatz, den er ihr einst als Morgengabe geschenkt hatte, von Xanten nach Worms holen. Gunther hatte seine Schwester darum gebeten. Nun trat auch Hagen wieder in das Geschehen ein, denn der Mörder Sigfrids hatte große Angst davor, dass Kriemhild durch ihren unermesslichen Reichtum zu viel Einfluss bei Hofe erlangen könnte. Er schaffte es sogar, dass man ihr den Schlüssel zur Schatzkammer wegnahm.
Darüber war Kriemhild sehr böse. Aber Hagen hatte damit noch immer nicht erreicht, was er erreichen wollte – schließlich ließ er den großen Nibelungenschatz, den Sigfrid einst dem Zwergenvolk entrissen hatte, im Rhein versenken.
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