Das Lamm und der Wolf
Ein Lämmchen löschte an einem Bache seinen Durst. Fern von ihm, aber nahe der Quelle, tat ein Wolf das Gleiche. Kaum erblickte er das Lämmchen, da schrie er: "Warum trübst du mir das Wasser, das ich trinken will?"
"Wie soll das möglich sein?", antwortete das Lämmchen schüchtern. "Ich stehe hier unten am Wasser, und du so weit oben. Das Wasser fließt mir doch zu. Und glaube mir, ich habe nicht die Absicht, dir etwas Böses zu tun!"
"Ei, sieh doch!", rief der Wolf. "Du machst es gerade, wie dein Vater vor sechs Monaten. Lämmchen, du warst doch dabei und bist nur glücklich entkommen, als ich deinem Vater das Fell für seine ungehobelten Schmähungen abgezogen habe."
"Ach, lieber Herr", flehte das zitternde Lämmchen, "ich bin ja erst vier Wochen alt und kannte meinen Vater gar nicht. Er ist ja schon so lange tot."
"Du unverschämtes Ding!", knurrte der Wolf mit vorgespielter Wut. "Tot oder nicht tot, weiß ich doch, dass euer ganzes Geschlecht mich hasst. Und dafür muss ich mich rächen."
Kaum hatte er das gesagt, stürzte sich der Wolf auch schon auf das Lämmchen, zerriss es und fraß es auf.
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