Die Geschichte von Ali Baba und den vierzig Räubern
In einer Stadt in Persien lebten einst zwei Brüder. Sie hießen Kasim und Ali Baba. Als eines Tages ihr Vater starb und heim ging in Allahs Reich, hinterließ er ihnen sein Hab und Gut. Dies war nicht viel, denn ihr Vater war nicht besonders reich, doch es reichte aus, eine Grundlage für ein Leben zu bieten.
Die beiden Brüder teilten ihr Erbe gerecht in zwei Teile. Doch so recht waren sie nicht zufrieden, denn sie träumten von Reichtum und Glanz und einem guten Leben. So gaben sie ihr weniges Erbe schnell aus und wurden arm.
Kasim, der Gierigere von beiden, machte es sich einfach. Er heiratete ein dickes wohlhabendes Mädchen, das sehr reich war, und wurde, als der Vater des Mädchens plötzlich starb auf die Art und Weise selbst wohlhabend. Glücklich aber wurde er nicht. Denn statt sich über sein schönes Leben zu freuen, sorgte er sich darüber, er könne wieder arm werden, und so wurde er geizig.
Ali Baba verhielt sich anders. Er lief dem Glück nicht hinterher und so hatte er es schwer, doch sein fröhliches Herz bescherte ihm ein glückliches Leben. Er heiratete ein Mädchen, das sehr schön war, doch war sie ärmer noch als er selbst.
So lebten die beiden in einer ärmlichen Hütte. Ali Baba verkaufte Holz, das er in den Wäldern schlug und mit seinem Esel zum Markt trug. Doch er blieb seinem Charakter treu, war fröhlich, verträumt und fest davon überzeugt, dass es ihm eines Tages besser gehen würde.
Nicht allzu fleißig, aber von guten Träumen begleitet, zog er mit seinem Esel über staubige Straßen. Auf einem Mal kam ihm Reiter entgegen. Sie ritten im scharfen Galopp und waren schwer bewaffnet. Ali Baba erschrak, denn es gab in dieser Gegend viele Räuber im Wald, die ihr Unwesen trieben. Unerschrocken fürchteten sie nicht Tod nochTeufel.
Ali Baba hatte keine Möglichkeit, zu flüchten, und so versteckte er seinen Esel im Gebüsch, kletterte selbst auf einen Baum und versteckte sich zwischen den Zweigen. Durch die Äste beobachtete er das Geschehen.
Neben dem Baum stand ein Felsen. Die Reiter ritten nun direkt auf den Felsen zu und sprangen von den Pferden. Ali Baba beobachtete sie aus seinem Versteck in der Höhe des Baumes und konnte sehen, dass es wirklich Räuber waren.
Vierzig Räuber waren es. Sie schienen eine Karawane überfallen zu haben, und sie planten, ihr Diebesgut in einem Versteck in Sicherheit zu bringen. Zu dem Zweck banden sie ihren Pferden die Vorderfüße aneinander. Danach nahmen sie ihnen die Satteltaschen ab. Ali Baba erkannte, dass die Taschen mit Gold und Silber gefüllt waren.
Einer der Räuber schien der Hauptmann zu sein. Er hatte eine schwere Satteltasche auf der Schulter und schritt durch die Dornen hindurch auf den Felsen zu, an eine bestimmte Stelle. Dann rief er die Worte: „Sesam öffne dich!“
Im selben Augenblick erschien ein Tor im Felsen, und die Räuber öffneten es und gingen hinein. Der Hauptmann trat als letzter in den Felsen hinein. Dann schloss sich die Tür. Lange blieben die Räuber in der Höhle.
Ali Baba unterdessen traute sich nicht, sich zu rühren. Er hatte Angst, dass die Räuber in dem Moment aus der Höhle kamen, wenn er von seinem Baum hinunter kam, und dann konnte er sich sicher sein, von ihnen erschlagen zu werden.
Und dann erschien das Tor wieder im Felsen. Zuerst kam der Hauptmann heraus. Einzeln ließ er seine Männer nach sich heraus treten und zählte sie. Dann sagte er die Zauberworte: „Sesam schließe dich!“
Danach schloss sich das Tor. Der Hauptmann musterte seine Räuber eindringlich, dann legten sie ihre leeren Satteltaschen auf die Pferde, entfesselten sie und ritten im wilden Galopp davon.
Als Ali Baba das Gefühl hatte, dass ihm keine Gefahr mehr drohte, kletterte er vom Baum herunter. „Eine seltsame Sache ist mir begegnet“, dachte er bei sich. „Aber vielleicht ist es genau die Gelegenheit, auf die ich immer gewartet habe. Denn vielleicht öffnet sich die Höhle ja auch in dem Moment, wenn ich das Zauberwort spreche.“
So ging er ebenfalls durch die Dornbüsche auf den Felsen zu und sprach mit lauter Stimme: „Sesam, öffne dich!“ Da erschien erneut das Tor im Felsen und öffnete sich. Und Ali Baba trat in diese seltsame Höhle.
Diese Höhle war riesengroß und wurde von einem seltsamen Licht beleuchtet, das aus einer Wand zu kommen schien. Es war genauso seltsam, wie die Tatsache, dass sich ein Fels zur Seite bewegte.
Die Höhle sah nicht wie eine Höhle aus, sondern wirkte wie eine Zaubergrotte, die von einem Menschen erschaffen war. Es gab dort wunderschöne Tücher und Teppiche, Seide und Leder, Gefäße aus Gold und Silber und Töpfe, die mit Münzen gefüllt waren. Ambra und Aloe, Safran und Sandelholz aber auch Edelsteine wie Smaragde und Saphire, Korallen, Hyazinth, Türkise und Amethyste gab es hier.
Die funkelnden Schätze hatten kein Ende. Ali Baba ging von einem zum anderen und konnte es nicht glauben. Wie viele Diebe waren hier zusammen gekommen, um diesen Berg an Beute zusammen zu tragen? Ein unaussprechlicher Reichtum lag hier.
Als Ali Baba alles gesehen hatte, sprach er zu Allah: „Oh Allerhöchster, erleuchte mein verwirrtes Herz. Ich habe in meinem ganzen Leben nicht das kleinste Kupferstückchen gestohlen, nicht einmal ein Steinchen. Aber ist es Diebstahl, wenn man etwas stiehlt, das schon gestohlen worden ist?
Letztendlich ist es gar nicht schlecht, wenn ich die Diebe bestehle. Die Diebe werden sowieso nicht merken, dass ihnen etwas fehlt, und meiner Frau und mir würde schon ein keines Beutelchen Edelsteinchen zum Glück verhelfen.
Und wenn die Räuber doch merken, dass ihnen etwas gestohlen wurde, so ist es auch nicht schlimm. So spüren sie, wie es ist, wenn man bestohlen wird. Und sie merken, dass jeder Mensch seinen Raub verliert, wenn er Unrecht dadurch getan hat.“
Er überlegte weiter. „Was ist mit mir?“, dachte er sich. „Wem nehme ich etwas weg?“ Und er kam zu der Einsicht: „Diese Beute kann nur von reichen Menschen kommen. Und denen täte es auch gut, wenn sie uns Armen von ihrem Reichtum abgäben. So schadet es nichts, Diebe zu schädigen. Mir jedenfalls würde ein bisschen Reichtum gut bekommen.“
So beschloss er, nicht allzu viel zu nehmen. Nur einen Sack Goldmünzen nahm er und lud sie auf seinen Esel. Dann legte er Hölzer und Reisig darüber und ging nach Hause zu seiner Frau. Er rief nach ihr, und als sie erschien, schüttete er seinen Sack mit Goldstücken auf den Boden, dass es nur so klirrte. Dabei lachte er laut.
Seine Frau war entsetzt. „Ali Baba, was in Allahs Namen hast du getan?“ rief sie. „Du stehst hier und lachst, wie ein Irrer. Bist du jetzt völlig verrückt geworden? Bist du unter die Räuber gegangen?“
Wieder schüttelt sich Ali Baba vor Lachen. „Genau das bin ich!“, rief er. „Ich bin unter vielen Räubern gewesen und in einer Räuberhöhle.“ „Oh weh“, rief seine Frau verzweifelt. „Was sollen wir tun? Bist du wirklich ein Dieb geworden?“
„Aber nein, meine Liebe, beruhige dich“, rief Ali Baba nun. „Ich bin zwar ein Dieb, aber es ist ein ehrlicher Diebstahl.“ Und dann erzählte er ihr die ganze Geschichte. Seine Frau war ganz außer sich vor Freude und begann sofort, die Goldstücke zu zählen.
„Das lohnt sich nicht, sie zu zählen“, sagte Ali Baba. „Das sind viel zu viele.“ „Aber ich will doch wissen, wie reich wir sind“, rief seine Frau. „Dann besorge eine Waage, damit wir sie wiegen können“, schlug Ali Baba vor. Und als seine Frau loslaufen wollte, eine Waage zu besorgen, rief er ihr nach: „Aber erzähle niemandem von unserem Schatz, hörst du?“
Seine Frau lief zu Ali Babas Schwägerin, der Frau seines Bruders Kasim. „Willst du die große oder die kleine Waage haben?“, erkundigte sie sich. „Die große“, rief Ali Babas Frau, verbesserte sich dann aber schnell und sagte: „Eigentlich ist es ganz egal. Gib mir die, die du übrig hast.“
„Wozu brauchst du die Waage?“, fragte Kasims Frau. „Nur so“, antwortete Ali Babas Frau. Da wurde Kasims Frau sehr neugierig. Heimlich mischte sie eine Mischung aus Wachs und Talg und strich sie unter die Waage, damit etwas unter der Waage hängen bleibt und Ali Baba verraten würde.
Ali Baba bemerkte nichts, nahm die Waage, bedankte sich und ging wieder nach Hause. Zu Hause wog er das Geld. Dann grub er eine Grube im Garten und sang ein Lied dabei. Er war unendlich glücklich über das viele Geld.
Dabei nahm er sich vor, niemandem über die Höhle zu erzählen und sein Geld nur nach und nach auszugeben, damit niemand seinen Reichtum bemerkte. Denn wenn er etwas verriet, würden andere nur etwas davon abhaben wollen oder ihn wie einen Dieb behandeln, und das wollte er nicht.
So vergruben seine Frau und er das Geld, dann ging Ali Baba los, um Wein und Essen für ein schönes Abendessen zu kaufen. Unterdessen brachte seine Frau die Waage zurück. Sie bedankte sich bei Kasims Frau und lief schnell nach Hause.
Dabei bemerkte sie nicht, dass einige kleine Goldmünzen am Wachs der Waage hängen geblieben waren. Karims Frau aber sah es sofort und sie holte ihren Mann. „Schau nur, was sie gewogen haben“, rief sie aufgeregt. „Echtes Gold. Ich aber frage dich, woher haben diese armen Menschen Gold? So viel Gold sogar, dass sie eine Waage brauchen, um es abzuwiegen.“
„So ein Quatsch“, winkte Karim ab. „Viel kann das nicht gewesen sein.“ Doch seine Frau betrachtete die Münzen genauer. „Es sind alte Münzen“, stellte sie fest. „Und darum sind sie von hohem Wert. Ich glaube, Karim, wir haben uns von den beiden blenden lassen. Sie haben uns immer die armen Verwandten vorgespielt, haben sich Kleider ausgeliehen und in Wirklichkeit sieht es ganz anders bei ihnen aus. Das wundert mich im Übrigen nicht. Sie und ihre leichfertige Tochter wackeln nur allzu gern mit ihrem Hinterteil, wenn sie etwas haben wollen.“
„Rede nicht so über meine Familie!“, rief Karim empört. Denn auch wenn er geizig war und manchmal herzlos wirkte, schätzte er doch seine Familie hoch. Doch seine Frau ließ das nicht gelten. „Oh, du Torfkopf, du Elefant an Torheit. Merkst du nicht, was hier gespielt wird? Du zählst dein Geld, dein Bruder aber wiegt es.
Und was hat das zu bedeuten? Ist nicht dein Bruder vielleicht schon zehnmal reicher als du? Und meinst du, er hat das Geld durch Holzhacken und Reisig sammeln bekommen? Vielleicht hat er sich ja längst mit den Räubern und Wegelagerern zusammengeschlossen. Jedenfalls kannst du die Augen nicht davor verschließen, dass er viel Geld hat.“
So redete sie auf ihn ein und schürte sein Misstrauen. In einer schlaflosen Nacht überkam ihn Misstrauen und Neid. Und so machte er sich am nächsten Tag früh auf den Weg zu seinem Bruder und fragte ohne Umschweife: „Ali Baba, ich bitte dich, sage mir die Wahrheit. Du gibst vor, arm zu sein, doch in Wirklichkeit bist du sehr vermögend. Woher hast du deinen Reichtum?“
Ali Baba versuchte, auszuweichen. „Ich weiß nicht, wovon du redest“, sagte er. Doch Karim ließ diese Ausrede nicht gelten und erzählte ihm von dem Trick mit der Waage. Da sah Ali Baba ein, dass er keine Ausrede mehr verwenden konnte und erzählte seinen Bruder unter dem Siegel der Verschwiegenheit von der Höhle und den vierzig Räubern.
Neidisch und mit großen Augen hörte Karim zu. Dann wollte er unbedingt erfahren, wo die Höhle war und wie das Zauberwort lautete, um herein gelassen zu werden. Das aber wollte ihm Ali Baba nicht verraten.
„Bruder, wenn du es mir nicht verrätst, werde ich dich bei den Behörden anzeigen“, rief er. „Und wenn du dann auch noch schweigst, werden sie dich wie einen Dieb in den Keller werfen. Und wenn du es ihnen verrätst, werden sie loslaufen, und sich das Geld holen.“
Da kam Ali Babas Frau dazu. Sie hatte das Gespräch mit angehört. „Pfui über dich, Karim“, sagte sie. „Das will ein Bruder sein, der seinen eigenen Bruder bei den Behörden anzeigt.“ „Weiber haben zu schweigen“, empörte sie Karim. „Mit dem Schwerte sollen sie dich erschlagen“, entgegnete Ali Babas Frau voller Verachtung.
Aber Ali Baba hatte nun Angst bekommen und so beschrieb er seinem Bruder den Weg zu der Höhle und nannte ihm das Zauberwort. Karim war von Geld und Gier getrieben. Er ließ zehn Maulesel mit Kisten und Säcken beladen und zog mit ihnen in den Wald.
Dann fand er die Felswand, stellte sich davor und rief: „Sasam öffne dich!“ Das Gold und die Reichtümer, die er nun zu sehen bekam, verschlugen ihm fast die Sprache. Verzückt wühlte er in den Edelsteinen, streichelte den goldenen Schmuck und ließ die goldenen Münzen auf den Boden klirren.
Er wusste nicht, was er sich zuerst nehmen sollte und legte sich bald dieses, bald jenes an die Seite. Schließlich hatte er so viel an die Seite gelegt, wie er auf zehn Maultieren kaum transportieren konnte. Er rieb sich die Hände und drehte sich zur Tür.
„Simsam, öffne dich!“, sagte er. Doch es geschah nichts. Kasim trat der Schweiß auf die Stirn. Verzweifelt versuchte er, sich an das Lösungswort zu erinnern, doch der viele Schmuck hatte sein Gedächtnis verwirrt.
„Samson oder Simson, oder wie auch immer – bitte öffne dich“, rief er unruhig. Doch immer noch schwebte die Felswand nicht zur Seite. Kasim überlegte weiter, versuchte es dann mit „Sisal öffne dich“, und probierte danach alle möglichen Pflanzennamen durch.
„Kichererbse, öffne dich!“ Und dann noch einmal „Lilie, öffne dich“, und weiter „Klatschmohn, geh schon auf!“ aber auch „Gurke, mach die Tür auf!“ Es tat sich nichts. So versuchte er es ein letztes Mal mit „Spinat, öffne dich!“, danach aber sank er ratlos neben die Tür.
In dem Moment vernahm er draußen ein Geräusch. Es hörte sich wie das Klappern von Hufen an. Zur Mittagszeit nämlich waren die Räuber auf dem Weg zur Höhle gewesen und hatten die zehn Maultiere davor vorgefunden. „Räuber!“, rief einer von ihnen. „Man versucht uns zu bestehlen!“
Sofort zog der Räuberhauptmann sein Schwert und sprang vom Pferd. Er sprach die Zauberworte und trat in die Höhle. Nun stand er Kasim direkt gegenüber. Kasim ahnte, dass er verloren war, doch er ergriff seine letzte Rettung, erhob eine Kürbisflasche und ließ sie auf den Kopf des Räuberhauptmannes hernieder fallen.
Grunzend sank der Hauptmann nieder. Doch schon war der nächste Räuber zur Stelle. Wieder schlug Kasim zu und wieder sackte der Räuber zusammen. Nun war der nächste an der Reihe, dann der nächste, dann der nächste. Es war ein Wunder, dass die Kürbisflasche nicht zerbrach.
„Lange halte ich das nicht mehr aus“, dachte Kasim verzweifelt. „Es ist ganz schön anstrengend, vierzig Räuber zu erschlagen. Und gleich wird der Eingang mit zusammen geschlagenen Räubern verstellt sein.“ So entschloss er sich, zu fliehen.
In dem Moment, wo ein weiterer Räuber auf ihn zusprang, stürzte er an der Reihe der Banditen vorbei ins Freie. Der Plan war gut, doch Allah wollte es anders mit seinem Schicksal. Vielleicht lag es daran, dass Ali Babas Frau ihm am Morgen zuvor gewünscht hatte, er solle mit dem Schwerte erschlagen werden. Denn ein großer Räuber trat mit dem Schwert auf ihn zu und schlug ihm mit einem Streich den Kopf ab.
Kasim starb mit den Worten „Sesam öffne dich“ auf den Lippen. Die übrigen Räuber eilten nun zu dem Hauptmann, der immer noch am Boden lag und richteten ihn auf. Er fluchte wie ein Kesselflicker. „Oh Hauptmann, sei froh, ich habe den Räuber erschlagen“, rief der Bandit seinem Hauptmann zu.
Wieder fluchte der Hauptmann. „Hättest du ihn bloß am Leben gelassen“, jammerte er. „Dann könnten wir herausfinden, woher er das Geheimnis mit der Höhle kannte.“ „Ja wirklich“, sagten nun auch die anderen. „Wir hätten ihm auch gerne einen mit der Flasche übergebraten. Dann weiß er mal, was er uns angetan hat. So ein Streich mit dem Schwert geht doch viel zu schnell und schmerzlos.“
Der Hauptmann aber nahm Kasims Leiche, durchsuchte sie und legte sie dann wie eine Warnung neben die Schätze. Dann verließen alle die Höhle, nahmen die Maulesel und ritten in schneller Jagd davon.
Kasims Frau aber wartete in großer Ungeduld auf ihren Mann, und als er nicht kam, schaute sie bei Ali Baba vorbei und teilte ihm ihre große Sorge mit. Der aber tröstete sie und sagte, sein Schwager habe sicherlich nur einen Umweg nach Hause gewählt, um von niemandem bemerkt zu werden. Getröstet ging sie wieder nach Hause.
Doch als ihr Mann auch nach Stunden nicht auftauchte, wurde sie immer unruhiger. „Es ist alles meine Schuld“, jammerte sie. „Warum musste ich ihn nur in diese Sache hinein treiben. Ich war so gierig nach Geld und Reichtum, dass ich sogar Ali Baba und seine Frau schlecht gemacht habe. Nun hat mich Allah sicher dafür bestraft.“ Und sie schlug die Hände vor das Gesicht und wartete weiter voller Angst und Ungeduld.
Als dann der Morgen heran brach, machte sie sich erneut auf den Weg zu Ali Baba und seiner Frau. Voller Angst bat sie ihn, sich auf die Suche nach ihrem Mann zu machen. Ali Baba war sofort dazu bereit. Er nahm einen Esel und machte sich auf den Weg. Doch als er vor der Höhle Spuren sah, die auf einen Kampf hindeuteten, bekam er doch große Angst.
Mit klopfendem Herzen trat er vor den Felsen und sagte: „Sesam öffne dich.“ Der Felsen schwebte an die Seite und Ali Baba sah zu seinem Entsetzen den enthaupteten Leichnam Kasims direkt vor sich liegen. Es grauste Ali Baba, doch obwohl sein Herz voller Angst und Erschrecken war, breitete er ein Tuch aus, legte den toten Bruder dort hinein und lud ihn auf den Esel. Dann legte er Holz und Reisig über ihn, damit ihn niemand erkennen konnte.
Tief traurig ging er mit seinem Esel durch den Wald zu Kasims Frau. Sie kam ihm schon an der Tür entgegen, blass vor Angst. Als sie sah, was ihr Ali Baba brachte, brach sie weinend zusammen. Eine Sklavin aber, die Mardschana hieß, bettete Kasims Überreste auf ein Lager und stimmte mit Ali Baba gemeinsam ein Totengebet an.
„Beeile dich, Mardschana, bereite eine Beerdingung vor“, rief Kasims Frau weinend. Mardschana war Ali Baba schon früher aufgefallen, denn sie war nicht nur besonders schön, sie zeigte sich auch in vielen Situationen von großer Klugheit.
„Es ist nicht klug, eine Beerdigung durchzuführen, bei der der Leichnam ausgestellt wird, wie es bei uns Sitte ist“, sagte sie. „Viele werden nach dem Grund fragen, warum die Leiche so hingerichtet ist. Und dann wird man entweder Kasim für einen Räuber halten, der beim Einbruch in einer Höhle umkam, oder man wird vermuten, dass er einem Verbrechen zum Opfer fiel und nach dem Mörder suche. Dann aber können wir uns der Rache der Räuberbande gewiss sein.“
„Woher weißt du von der Höhle und der Räuberbande“, fragte Ali Baba beunruhigt. „Man weiß vieles, wenn man als Sklavin im Hause lebt“, erklärte Mardschana. „Aber seid unbesorgt, ich habe es niemandem weiter erzählt.“
„Recht hast du mit deiner Überlegung“, gab Ali Baba zu. „Wir können Kasim wirklich nicht beerdigen, wie es bei uns Sitte ist. Doch können wir ihn auch nicht einfach im Wald verscharren. Er ist mein Bruder und das ist seiner nicht würdig.“
Da hatte Mardschana eine Idee, die sie Ali Baba erzählte. Er war von dieser Idee ganz angetan. „Genau so machen wir es“, sagte er. Und dann ging er zu seiner Frau, die schon ängstlich auf ihn wartete, und erzählte ihr alles, und gemeinsam beweinten sie den Toten.
Mardschana aber lief in eine Apotheke und kaufte Hima-Saft, ein Heilgift. Der Apotheker schüttelte verwundert den Kopf. „Ist jemand so krank bei euch, dass er dieses Mittel braucht“, erkundigte er sich. Mardschana nickte. „Kasim, mein Herr ist schon lange schwer krank, und wir befürchten das Allerschlimmste.“
Da reichte ihr der Apotheker noch einen anderen Saft. „Gebt ihm auch noch diesen Saft“, riet er. „Auf mich wirkte Kasim immer ein wenig gallenkrank, und so kann er durch diese Entzündung auch einer Gallenkrankheit entgegen wirken.“
Mardschana nickte und lief davon. Hin und wieder kam sie danach bei der Apotheke vorbei und erzählte, dass es ihrem Herrn und Gebieter immer noch nicht besser ginge, und der Apotheker, der ein geschwätziger Mann war, erzählte es allen weiter. Und den Menschen, denen er es weiter erzählte, erzählten es abermals weiter, und bald rechnete jeder in der Stadt mit seinem Tode.
Am selben Abend noch ging Mardschana in das Haus des Schneiders Baba Mustafa. Er war ein alter und etwas sonderlicher Mann, aber ein Meister seines Faches. Über ihn wurde erzählt, dass er sehr geldgierig war und für Geld jede auch noch so absonderliche Tätigkeit annähme. Zudem war er aber trotzdem ein frommer Mann.
Zu ihm ging Mardschana und bat ihn, gegen gutes Geld ein gutes Werk zu tun. „Aber gerne, verschleierte Unbekannte“, erwiderte Baba Mustafa. „Ich tue zu gerne gute Werke, besonders dann, wenn sie gut bezahlt sind.“ „Das sind sie ganz gewiss“, entgegnete Mardschana. „Doch lass uns den Spaß, dir die Augen zu verbinden.“
Der Alte kicherte. „Was für ein Späßchen hast du denn mit einem alten Mann vor“, wunderte er sich. „Keine Spielchen“, erwiderte Mardschane. „Es ist Ernst. Hier, nimm zehn Goldstücke und betrachte sie als Anzahlung. „Zehn Goldstücke? Das ist doch nicht zu fassen!“, rief der Alte aus. „Da sehe ich schon, dir ist es wirklich Ernst damit. Nun gut, ich bin dabei. Besonders dann, wenn es um ein gutes Werk geht.“
So verband Mardschana ihm die Augen und führte ihn auf Umwegen zu Kasims Haus. In Kasims Haus nahm sie ihm die Binde von den Augen und zeigte auf Kasims Kopf, der abgetrennt neben dem Rumpf lag.
„Deine Aufgabe soll es sein, diesen Kopf wieder an den Körper zu nähen“, sagte sie. Der Schneider trat misstrauisch zurück. „Wer ist das und wie ist das passiert?“, fragte er. „Frage nicht“, entgegnete Mardschana.
„Ist ein Verbrechen geschehen?“, wollte der Schneider wissen. „Nein, nein“, entgegnete Mardschana. „Nun denn, will ich mich ans Werk machen“, sagte der Schneider. „Zwar bin ich ein Tuchschneider und kein Menschenschneider, doch auch das wird mir wohl gelingen.“
Lange wählte der Schneider Zwirn und Nadel, dann machte er sich ans Werk. Als er fertig war, zahlte Mardschana ihm eine weitere Summe Geld aus und begleitetet ihn dann mit verbundenen Augen einen langen Umweg zurück. „Wenn du noch einmal einen solchen Auftrag hast, ein Beinchen oder ein Öhrchen anzunähen, denk an mich“, sagte der Schneider, als er zu Hause war.
Als Mardschana nach Hause zurückkam, kleidete sie Kasim in ein Totenkleid und band ihm ein Tuch um den Hals, so dass die Naht nicht zu sehen war. Nun konnte die Beerdigung stattfinden. Man stimmte in Totengesänge ein, erzählte von der schweren Krankheit und dann setzte sich der Trauerzug in Bewegung. Die Witwe Kasims, Ali Baba und seine Frau sowie Nachbarn und Freunde folgten dem Zug zum Friedhof.
Dann saßen sie noch lange im Trauerhaus zusammen und trösteten die arme Witwe. Sie konnte sich von diesem Schlag nicht erholen, wurde schließlich auch krank und starb ebenfalls.
Ali Baba erbte das Haus und wurde auch durch die Goldstücke zum reichsten Mann der Stadt. Doch richtig glücklich wurde er darüber nicht, denn das Geld war ja auch mit dem Tod seines Bruders verbunden, und das bedrückte ihn sehr.
Auch die Tatsache, dass noch immer vierzig Räuber in der Stadt hausten, nahm ihm hin und wieder den Schlaf und er fürchtete ihre Rache.
So war all sein Glück mit Bitterkeit erfüllt. Aber mit Ali Baba zog auch ein neuer fröhlicher Geist in Kasims Haus ein, denn auf die Dauer siegte immer wieder Ali Babas fröhliches Herz und seine Heiterkeit. Was er anfing, gelang ihm, und so wurde er ein angesehener und beliebter Mann.
Er war immer ein großzügiger Mann gewesen, doch jetzt, wo er reich war, gab er von seinem Geld ab und dachte an die Armen. Mardschana blieb bei ihm und blieb neben seiner Frau seine liebste Ansprechpartnerin und Lebensgefährtin. Und obwohl um Ali Baba herum immer auch Gefahr schwebte, herrschte doch auch Fröhlichkeit und Friede.
Unterdessen waren die Räuber auf der Lauer. Sie wussten, dass es jemanden gab, der ihr Geheimnis kannte, und sie setzten alles daran, denjenigen zu finden. Jeden Tag stellten sie Wachposten an die Höhle, weil sie hofften, der Unbekannte würde wieder kommen und sich mehr Geld und Gold aneignen, doch die Rechnung ging nicht auf. Ali Baba hatte genug Reichtum erworben, nach mehr strebte er nicht.
Die Räuber aber versammelten sich und der Räuberhauptmann hielt eine Rede. „Ich bin furchtbar wütend!“, rief er. „Jawohl, furchtbar wütend“, erwiderten die Räuber wie aus einem Munde. Das machte den Hauptmann noch viel wütender. „Ihr Maulaffen, wisst ihr denn überhaupt, warum ich so wütend bin?“, fragte er. „Nein!“, antworteten die Räuber wie aus einem Munde.
„Ich bin so furchtbar wütend, weil wir immer noch nicht wissen, wer in unsere Höhle eingedrungen ist“, rief der Hauptmann nun. „Vierzehn Tage und Nächst sind vergangen…“ „Vierzehn Tage und Nächte…“ „Und wisst ihr, was bis dahin geschehen ist?“ „Nein!“, riefen die Räuber wie aus einem Munde. „Nichts!“, brüllte der Hauptmann. „Es ist überhaupt nichts geschehen. Wir wissen nicht, wen wir geköpft haben und wir wissen nicht, wer den Leichnam aus der Höhle holte.“
„Wir wissen es nicht“, echoten die Räuber im Chor. „Und so lange, wie es noch jemanden auf der Welt gibt, der von dieser Höhle weiß, sind wir in Gefahr“, fuhr der Hauptmann fort. „In Gefahr“, ergänzten die Räuber.
„Darum meine Genossen ist es höchste Zeit, dass wir den Täter erwischen. Es muss unser unerschütterlicher Wille sein, den herauszufinden, der uns diese Schätze raubte. Wozu haben wir uns diese Mühe gemacht, eine Karawane nach der anderen zu überfallen. Und warum haben wir reichen Kaufleuten das Geld abgeluchst? Doch nicht, damit irgendein hergelaufener Mensch daher kommt, um es uns wieder anzunehmen.“
„Nein“, schrieen die Räuber. „Das darf nicht sein.“ „Darum“, rief der Hauptmann, „muss nun gehandelt werden. Und zwar mit großer Härte.“ Alle schwiegen. Nur der Schlagetot, der nie begriff, wenn die Rede zu Ende war, rief noch einmal: „Bravo. Wir erwischen ihn.“ Doch dann verstummte er verlegen.
Sie berieten sich eine Weile lang. Dann überlegten sie, einen von ihnen als Kaufmann verkleidet in die Stadt zu schicken und nachzufragen, ob jemand gestorben und sogar geköpft worden sei. So hoffte man, eine Spur zu erhalten.
Der klügste der Räuber zog hinaus in die Stadt. Er ging auf den Marktplatz, und begegnete dort dem Schneider Baba Mustafa. Er war der einzige, der an dem Morgen schon auf war und arbeitete.
„Es ist noch dunkel am frühen Morgen, und du bist schon fleißig“, sagte der Räuber zu ihm. „Ich staune, wie du erkennen kannst, wohin du deine Nadel führst.“ Baba Mustafa lächelte. „Ich bin zwar ein alter Mann, aber meine Augen sind scharf wie die eines Jünglings. Ich kann erkennen, ob ich einen Hals oder eine Hose nähe.“
Der Räuber wurde aufmerksam. „Einen Hals“, fragte er. „Du meinst wohl ein Halstuch?“ „Wenn ich Hals sage, meine ich Hals und nicht Halstuch“, erwiderte der Schneider verärgert. Der Räuber lachte laut. „Wahrscheinlich bist du ein Halsabschneider, dass du das so sagst, was?“, vermutete er.
Der Schneider wurde sehr verärgert. „Ich weiß nicht, warum du versuchst, mich zu beleidigen. Denn wenn du es genau wissen willst, habe ich vor kurzem eine Leiche so zusammen geflickt, dass man ihr nicht ansehen konnte, dass man ihr den Kopf abgeschlagen hatte.“ Da wurde der Räuber sehr aufmerksam.
„Erzähle, Schneider“, sagte er. „Deine Geschichte interessiert mich.“ Doch der Schneider schüttelte den Kopf. „Nicht jedem hergelaufenen Halunken erzähle ich meine Geschichte“, sagte er.
Da zog der Räuber einen Taler aus der Tasche. „Du musst es nicht kostenlos tun“, sagte er. Und der Schneider steckte das Geld ein und erzählte die ganze Geschichte, wie sie sich zugetragen hatte. Der Räuber hörte gespannt zu.
„Wie schade, dass man dir die Augen verbunden hatte“, sagte er. „So nutzt du mir nichts. Denn du könntest das Haus nie wieder finden, in dem du gearbeitet hast.“ „Ich glaube, du unterschätzt mich“, entgegnete der Schneider. „Bei ein paar ordentlichen Goldstücken könnte ich mein Gedächtnis wohl erinnern.“
Der Räuber lachte. „Reichen drei Goldstücke?“ „Fünf.“ „Ich biete vier.“ „Einverstanden.“
Baba Mustafa ließ sich nun die Augen verbinden, wie damals, als Mardschana bei ihm gewesen war. „Sind deine Absichten auch gut?“, erkundigte sich Baba Mustafa unsicher. „Darauf kannst du dich verlassen“, erwiderte der Räuber.
Da war der Schneider erleichtert. Und dann ging er los. Er verließ sich auf sein Gefühl und sein Gehör. Und als er schließlich stehen blieb, sagte er: „Hier ist es.“ Er war vor Kasims Haus angelangt. Der Räuber malte mit weißer Kreide ein Zeichen an die Tür. „Oh Baba Mustafa“, sagte er dann. „Nun sage mir noch, wer in diesem Haus wohnt.“
„Das weiß ich wirklich nicht“, erwiderte der Schneider. „Wenn du das wissen willst, musst du mir noch weitere Goldstücke zuschustern.“ „Was bist du für ein gieriger Mensch“, empörte sich der Räuber. „Glaubst du, ich bin ein ehrlicher Mann? Geh nach Hause, sonst nehme ich sie dir alle wieder weg.“
Der Schneider schüttelte verwundert den Kopf. „Du hörst dich wie ein Räuber an“, sagte er verwundert. Der Räuber erschrak. „Was denkst du denn von mir“, rief er. „Ich bin ein Kaufmann.“ „Was geht es mich an“, erwiderte der Schneider. Er drehte sich um und ging seiner Wege. Dabei war er froh, dass er auf so leichte Art und Weise sein Geld verdient hatte. Der Räuber aber hatte es eilig, zu seinen Kumpanen zurück zu kommen.
Kurze Zeit später aber trat Madschena aus dem Haus, um Einkäufe zu machen. Sie erblickte das Kreidezeichen an der Tür uns wusste sofort, dass sich jemand dort ein Zeichen gemacht hatte. Zuerst wollte sie es wegwischen, dann aber entschied sie sich anders. Sie malte an alle Türen der Umgebung diese Zeichen. Dann aber vergaß sie die Sache wieder.
Der Hauptmann aber, der von seinem Räuber über das Kreidezeichen erfuhr, freute sich sehr darüber. Er ging sofort los und geriet in die Gegend, in der auch Ali Baba lebte. Als er das Zeichen an der Tür sah, wunderte er sich, denn er sah, dass alle Türen in der Umgebung dieses Zeichen hatten. Da rief er seinen Räuber zu sich.
„Was soll das?“, fragte er. „Wer ist der Mann, der den Schneider zu sich gerufen hat?“ Der Räuber blickte um sich und sah das Kreidezeichen überall. Da war er sehr verwirrt. „Ich verstehe das nicht“, sagte er. „Ich schon“, erwiderte der Hauptmann verärgert. „Du Sohn eines Esels. Komm Morgen zu mir. Ich werde dich auspeitschen lassen.“
„Es war doch eine gute Idee“, erwiderte der Räuber verwirrt. „Sie war nicht gut genug“, antwortete der Hauptmann. Und er tat, wie er angekündigt hatte. Er ließ alle vierzig Räuber um sich versammeln. Dann ließ er den Räuber vorbringen und ließ ihn auspeitschen. Und alle hatten ihren Spaß daran.
„Wer von euch will nun in die Stadt gehen und es besser machen?“, fragte er dann. „Wer es schafft, wird hoch belohnt, wer es aber nicht schafft, wird doppelt bestraft.“ Niemand meldete sich. Dann schließlich trat ein junger Mann vor, der bereit dazu war. Er aber hatte auch keine besseren Ideen, als Baba Mustafa zu fragen, der ihn wieder mit verschlossenen Augen vor die Tür führte.
Der Räuber aber kam sich besonders klug vor. Mit roter Kreide machte er ein anderes Zeichen an die Tür. Zufrieden stellte er fest, dass sie anders war, als die anderen Zeichnungen. So kehrte er zu den anderen Räubern zurück. Wieder aber trat Mardschana aus dem Haus. Ihrem scharfen Blick entging das rote Zeichen nicht. So malte sie das rote Zeichen an alle Häuser der Umgebung.
Der Räuber aber kehrte zufrieden zu seinem Hauptmann zurück. „Bei aller Bescheidenheit muss ich darauf hinweisen, dass ich einer der klügsten und umsichtigsten Räuber der Welt bin“, sagte er. „Ich habe ein rotes Zeichen hinterlassen.“
Die anderen Räuber murrten über diese Angeberei, doch der Hauptmann wies sie zurecht. „Lasst uns los gehen und das rote Zeichen suchen“, sagte er. Doch als sie in der Straße ankamen, sahen sie, dass überall ein rotes Zeichen zu sehen war.
Der Hauptmann tobte vor Wut, und er ließ dem Räuber die versprochene doppelte Tracht Prügel verabreichen. Die Kumpanen machten das nur zu gerne. Dann sagte er: „Offensichtlich habe ich es mit einem Haufen von Idioten zu tun. Ich muss wohl alles selbst machen.“
Und so ließ er sich als arabischer Perlenhändler verkleiden, nahm ein Schwert und ging los. Auch er ging zu Baba Mustafa, ließ ihm gegen Geld die Augen verbinden und sich zum Haus Kasims führen. „Ich finde, ich habe mehr als nur ein paar Goldstücke verdient“, sagte Baba Mustafa dann. „Seit Tagen bieten mir deine Freunde an, meine freundliche Liebenswürdigkeit sei viel mehr Wert, und so bitte ich dich, den Lohn an mich zu erhöhen.“ „Pass auf, dass du keinen Tritt vor mir bekommst!“, zischte der Räuberhauptmann verärgert. Baba Mustafa zuckte über so viel Unhöflichkeit die Achseln und zog von dannen.
Der Hauptmann aber machte keinen Kreidestrich an das Haus, sondern behielt es einfach in seinem Gedächtnis. Als er zu seinen Räubern zurückkehrte, rief er:„Auf auf, ihr nichtsnutziges Pack! Ich weiß jetzt, wo derjenige wohnt, der unser Geld genommen hat. Aber lasst uns nicht das Haus stürmen, sondern unauffällig zu ihm vordringen.
Geht darum auf den Markt und kauft zwanzig Esel und mannshohe Krüge voller Senföl, außerdem aber auch Krüge, in denen gar nichts ist. Jedem Esel sollen nun zwei Krüge aufgebunden werden. In dem einen befindet sich das Senföl, in dem anderen verbirgt sich einer von uns.
Ich werde mich als Ölhändler verkleiden und die Karawane anführen. Dann werde ich bitten, in diesem Haus übernachten zu können und die Maultiere in seinen Stall stellen zu können. Nachts dann gebe ich euch ein Zeichen. Dann sollt ihr aus den Krügen herausklettern. Ihr dürft das Haus plündern, so viel ihr wollt und dazu Lärm machen, dass die ganze Stadt zusammen läuft. Danach nehmen wir uns unser ganzes Geld und Gold zurück und verstecken uns in der Höhle.“
Die Räuber versprachen, sich an den Plan zu halten. Wie besprochen, versteckten sie sich in den Krügen. Das war ziemlich schwierig, denn die Krüge waren eng. Dann, als es Abend wurde, trieb der Hauptmann als afrikanischer Ölhändler verkleidet durch den Ort. Als er Ali Babas Haus erreichte, war dieser gerade draußen im Garten.
Mit einem leidenden Gesicht lehnte sich der Hauptmann gegen die Gartentür und seufzte. Ali Baba grüßte freundlich und der Hauptmann grüßte zurück. „Ich bin mit einer Ladung kostbaren Öls unterwegs“, erzählte der Ali Baba. „Jetzt ist es aber so spät, dass ich es nicht mehr auf dem Markt verkaufen kann.“
„Du hast Recht“, nickte Ali Baba freundlich. „Es ist wirklich spät geworden.“ „Das Problem ist“, erzählte der Räuberhauptmann, „dass alle Herbergen ausgebucht sind. So weiß ich gar nicht, wo ich übernachten soll. Sag, mein Freund, weißt du eine Herberge für mich?“
Ali Baba überlegte einen Moment lang. „Wäre es vielleicht möglich, eine Nacht in deinem Haus zu verbringen und meine Esel in deinem Stall unterzustellen?“, fragte er weiter. „Allah wird es dir danken.“
Ali Baba überlegte weiter. Irgendwo hatte er diese Stimme schon einmal gehört. Er versuchte, sich zu erinnern, aber es wollte ihm nicht wieder einfallen. Und durch die Verkleidung erkannte er den Räuberhauptmann nicht.
So ließ er den Fremden willkommen heißen, wie es die Gastfreundschaft verlangt. Er ließ seine Sklaven rufen und bat, die Tiere in die Ställe bringen zu lassen und zu versorgen. Dann ordnete er an, dem Gast ein schönes Mahl zu bereiten.
In aller Freundlichkeit empfing Ali Baba den Gast, aß mit ihm und redete mit ihm, doch der Gast wirkte unfreundlich, fast barbarisch. So verlief der Abend ungemütlich. Später verabschiedete sich der Hauptmann, um in den Stall zu gehen und nach seinen Tieren zu sehen.
„Höret zu!“, flüsterte er seinen Räubern zu. „Ihr müsst euch noch eine Weile gedulden. Wenn es nach Mitternacht ist, werde ich euch rufen und dann schlagt mit euren Messern zu, wen immer ihr erwischen könnt. Das wird ein wundervolles Gemetzel werden.“
„Wird auch Zeit“, murmelten die anderen. „Es wird allmählich ungemütlich.“ Nur einer von ihnen war eingeschlafen und schnarchte laut vor sich hin. Wütend schlug der Hauptmann mit der Faust gegen den Krug. „Willst du wohl leise sein, du Schnarcher!“, rief er verärgert. Dann wurde es ruhig.
Mardschana bereitete das Nachtlager des Fremden. Dann stellte sie ihm einen Nachttrunk bereit. Als sie hörte, wie der Fremde in seinem Zimmer verschwunden war, war sie plötzlich voller Unruhe. Sie ging vor das Haus und wanderte durch den Garten.
Als sie ins Haus zurückkam, sah sie, dass das Öl in den Lampen verbraucht war, und sie suchte nach neuem Öl. Dabei erwachte Ali Babas Frau, denn auch sie hatte in dieser Nacht einen unruhigen Schlaf.
Als sie aus ihrem Schlafzimmer trat, begegnete sie Mardschana. „Mardschana, was ist mir dir? Was geisterst du hier herum?“, fragte sie beunruhigt. „Ach“, seufzte Mardschana. „Es ist so eine unheimliche Nacht. Und ausgerechnet heute sind alle Lampen erloschen und kein Öl ist zu finden.“
„Kein Grund zur Beunruhigung“, entgegnete Ali Babas Frau. „Nimm welche aus den Krügen des Ölhändlers. Wir werden ihn morgen dafür bezahlen.“ „Das ist eine gute Idee“, erwiderte Mardschana. Und sie trat in den Stall, um Öl aus einem Krug zu holen.
Als sie an den ersten Krug herantrat, hörte ein Räuber sie. Er dachte, es sei der Hauptmann und fragte darum: „Ist es soweit, Hauptmann?“ Mardschana fuhr ein riesengroßer Schrecken in die Glieder. Doch sie fasste sich schnell und entgegnete: „Nein, noch ist es nicht soweit. Wartet noch.“
Dann lief sie schnell aus dem Stall. Zuerst überlegte sie, die große Axt zu holen, mit der Ali Baba früher als Holzfäller gearbeitet hatte. Dann aber sah sie ein großes Fass Öl, das sie vergessen hatte. Sie trug das Öl in einem großen Kessel in die Küche und erhitzte es. Dann lief sie damit in den Stall und goss es in die Krüge, in denen die Räuber saßen. Sie starben einer nach dem anderen im Schlaf, ohne auch nur einen Schrei von sich gegeben zu haben.
In wenigen Minuten war das schaurige Werk getan. Mardschana ging in ihr Zimmer, warf sich auf ihr Bett und fiel in einen traumlosen Schlaf. Und es war für sie, als sei das alles nur ein schrecklicher böser Traum.
Gegen Mitternacht aber, als alles schlief, erwachte der Hauptmann und schlich, so leise er konnte in den Stall. Er klatschte in die Hände und gab den Befehl, zu morden, aber niemand rührte sich. Da wurde der Hauptmann sehr wütend. Er klatschte in die Hände und rief:
„Auf, ihr Faulpelze, aus euren Verstecken heraus. Zieht eure Messer und schneidet alle Gurgeln durch, die ihr finden könnt.“ Immer noch aber rührte sich niemand.
Voller Wut trat der Hauptmann nun gegen die Krüge. Als immer noch niemand heraus kam, griff er hinein, um den Räuber an den Haaren herauszuziehen. Das heiße Öl verbrannte seinen Arm und er stieß auf die verbrannte Leiche seines Kumpanen.
Der Hauptmann erschrak zutiefst. Er untersuchte einen Krug nach dem anderen und fand überall die gleiche schaurige Tat vor. Da überkam ihn große Angst. Er fürchtete, das gleiche Schicksal erleiden zu müssen und rannte hinaus in die Nacht.
Mardschana aber erwachte aus ihrem Schlaf und sie erinnerte sich an alles, was geschehen war. Voller Schrecken fiel ihr ein, dass sich der Räuberhauptmann noch im Haus befand. Und sie schlich in sein Zimmer. Doch sie fand sein Bett leer. Da sah sie, dass der Fremde geflohen war. So ging sie in ihr Schlafzimmer zurück und fiel erneut in einen tiefen Schlaf.
Ali Baba aber erwachte erst spät am Morgen. Zuerst ging er ins Badhaus und verbrachte dort eine Zeit. Als er zurückkam, bemerkte er, dass der Fremde noch nicht zum Markt gezogen war. Verwundert wandte er sich an Mardschana.
„Wieso ist der Fremde immer noch bei uns?“, fragte er. „Es ist jetzt die beste Zeit, seine Geschäfte auf dem Markt zu tätigen.“ „Oh Herr“, flüsterte Mardschana. „Viel ist in dieser Nacht geschehen. Doch was sich in dieser Nacht zutrug, kann ich dir nur unter vier Augen erzählen.“
Da ging Ali Baba mit ihr in den Hof und sie führte ihn zu den Krügen und bat ihn, hineinzuschauen. Das tat Ali Baba, und er erschrak zutiefst. „Bei Allah!“, rief er. „Was ist geschehen? Was hast du getan, Mardschana?“
„Freue dich, oh Herr“, entgegnete Mardschana. „Ich habe diesen Mann und seine Räuber getötet und uns allen damit das Leben gerettet.“ Und sie erzählte die ganze Geschichte in allen Einzelheiten. Ali Baba schüttelte sich.
„Oh, welch dunkle Seele musst du in dir haben, schöne Mardschana“, sagte er. „Nicht dunkler als der Strick des Henkers, den sie alle verdienen“, entgegnete Mardschana. „Und vergiss nicht, oh Herr, ich tat es nur für dich.“
„Das weiß ich doch, Mardschana“, entgegnete Ali Baba. „Du bist eine tapfere Gefährtin und eine mutige Frau. Du hast mit deinem Tod an vierzig Räubern unser aller Leben gerettet. Und doch sind auch Menschen gestorben, und das ist auch immer schrecklich, auch wenn es Räuber waren. Und auch wenn es nötig war, sie zu töten und uns zu retten.“
Mardschana nickte und senkte den Kopf. „Ich bin deine Sklavin Herr“, sagte sie. „Und wenn ich etwas Falsches getan habe, bestrafe mich dafür.“ Aber Ali Baba umarmte sie. „Du bist die tapferste und treuste Frau, die ich kenne, Mardschana“, sagte er. Da weinte sie sehr.
Ali Baba betrachtete die Krüge nachdenklich. „Was sollen wir damit tun?“, fragte er. Mardschana fasste sich. „Wir dürfen niemandem davon erzählen“, sagte sie. „So sei es“, sagte Ali Baba. „Wir werden die Esel mit den Krügen in den Wald treiben und die Menschen dort vergraben.
Und wenn uns jemand fragt, was wir tun, so erzählen wir ihm, wir würden die Esel zu dem Fremden bringen, der schon vorausgegangen ist. Und dass wir ihm helfen, weil er überall fremd ist.“ Dabei lachte Ali Baba über seine eigenen Worte.
„Er wird es noch ganz schön mit der Angst bekommen, dieser schreckliche Schurke“, sagte er dann. „Er hat nun seine Kumpanen nicht mehr an seiner Seite.“ „Nun möchte ich dich warnen, nicht zu leichtfertig zu denken“, sagte Mardschana dann. „Wir haben zwar seine Kumpel beseitigt, aber der Mann bleibt doch gefährlich, wie dreizehn Tiger und neununddreißig Krokodile. Wenn er auf dich trifft, wird er dich bestimmt töten.“
„Das kann wohl sein“, entgegnete Ali Baba, „Aber ich werde immer sterben, wenn Allah es möchte.“ „Du sprichst sehr weise, Herr“, sagte Mardschana. „Aber es wäre doch schön, wenn du ein bisschen aufpasst.“
Dann nahmen sie die Esel und trieben sie zur Tür heraus. Sie hatten Glück. Niemand begegnete ihnen. Im Wald gruben sie eine tiefe Grube aus und warfen die Räuber hinein. Dann deckten sie Moos darüber, und man konnte der Erde nicht ansehen, dass sich darunter etwas verbarg.
„Ich werde nun mit den Eseln in die Stadt gehen und sie verkaufen“, schlug Mardschana vor. „Das möchte ich nicht“, entgegnete Ali Baba. „Sie gehören mir nicht und ich möchte mich nicht an ihnen bereichern.“ Das verstand Mardschana. Darum nahmen sie den Eseln das Zaumzeug ab und warfen es in einen Teich. Dann trieben sie die Esel in den Wald.
Zu Hause merkte niemand von den Vorgängen. Der fremde Ölhändler war fort und man dachte, er wäre weiter gereist. Und nach kurzer Zeit vergaß man den fremden Besuch. Nur Mardschana befürchtete die Rache des Fremden und sorgte sich um Ali Baba und seine Familie. Der aber hatte den Vorfall schon vergessen.
Der Räuberhauptmann aber irrte durch den Wald. Er war längst nicht mehr der Alte. Sein Gesicht war bleich geworden und seine Hände zitterten. Immer wieder dachte er an den Vorfall und zitterte dabei vor Wut. Er wusste nur eine Lösung: Er wollte Ali Baba umbringen.
Denn ihm war auch klar, dass Ali Baba das Zauberwort für die Höhle kannte. Und er war sich auch sicher, dass Ali Baba eines Tages wiederkommen würde, um weitere Schätze aus der Höhle zu rauben. Vielleicht würde Ali Baba auch eines Tages in die Höhle kommen, und ihn umbringen.
Solche Gedanken schossen ihm täglich durch den Kopf, während er in seiner Höhle saß und sein Geld und Gold hütete. Da saß er nun voller Wut auf den Feind und überlegte, wie er ihn töten könnte. Und wenn er dabei dachte, wie sein Messer Ali Babas Brust durchstieß, fühlte er Lust und Vergnügen in sich aufsteigen.
Dann aber zwang er sich, seine Rachelust beiseite zu schieben und einen klaren Plan zu schmieden. Erst wollte er Ali Baba töten und danach die Höhle für immer verlassen, um in der Stadt unterzutauchen. Dann wollte er versuchen, eine neue Räuberbande zu gründen, um mit ihnen zusammen neue Kaufleute zu überfallen.
Am nächsten Tag ließ er sich die Haare und den Bart kürzen und färbte sein Gesicht mit braunem Nussöl ein. Dann sah er sich lachend im Spiegel an, und in seinem Gesicht bleckten sich die Zähne.
Jetzt zog er in die Stadt. Er wollte erfahren, wie man über die Räuber sprach. Dabei stellte er sich vor, dass alle die Geschichte von den Räubern schon gehört hatten und die Menschen Ali Baba als den Sieger feierten.
So ging er in eine Wirtschaft, trank ein Bier und fragte den Wirt: „Was sind das für komische Dinge, die man sich hier in eurer Stadt erzählt?“ „Was meinst du?“, fragte der Wirt überrascht. Er überlegte einen Moment lang. „Ach so“, sagte er dann. „Du meinst wohl die Geschichte von dem Banausen, der dem Konditor den Kuchen stahl?“
„Aber nein“, erwiderte der Räuberhauptmann. „Ich meine diese andere Geschichte.“ „Ach, meinst du die Geschichte auf dem Pferdehof, als Omar das Messer zog.“ „Ja, die meine ich“, sagte der Räuberhauptmann, der nun endlich verstanden hatte, dass man die Geschichte von Ali Baba und den Räubern nicht kannte. Nun musste er sich von dem Wirt eine lange und langweilige Geschichte anhören.
Und während der Wirt endlos weiter erzählte, wurde dem Hauptmann klar, dass Ali Baba nichts von seiner Geschichte weitergegeben hatte, sondern im Gegenteil die Räuber heimlich irgendwo verscharrt haben musste. Und dass jemand, der so etwas tat noch geheimnisvoller und gefährlicher als eine Schlange sein musste.
So vermischte sich sein Hass mit Furcht und wurde größer und größer. Und der Räuberhauptmann mietete einen Laden und brachte dort hin Tuch aus seiner Höhle, das er zum Verkauf anbot. Er ordnete alles wie ein richtiger Kaufmann, setzte sich dann vor den Laden und hielt nach Kunden Ausschau.
Schon nach wenigen Tagen hatte er sich einen guten Kundenstamm erworben und durch seine neue Höflichkeit erwarb er sich hohes Ansehen. In diesen Tagen lernte der Hauptmann auch einen Verwandten Ali Babas kennen. Er hieß Abdullah und war ein netter junger Mann.
Ali Baba und Abdullah waren einander nahe, denn sie waren ähnlich vom Charakter, hatten beide ein fröhliches Gemüt. Auch äußerlich sahen sie einander ähnlich. Beide hatten sanfte Augen und weiche Locken, doch Abdullah konnte, wenn man ihn reizte, wild wie ein Leopard werden.
Auch Abdullah hatte kein einfaches Leben gehabt. Er war ein armer Holzfäller gewesen, doch während Ali Baba hier versucht hatte, sein Glück zu machen, war Abdullah in die Welt gezogen. Viel hatte er in der Fremde erlernt, nur der Reichtum war nicht eingetreten. So war er immer noch bescheiden an Gütern, als er in seine Heimat zurückkehrte.
Ali Baba, der nach Kasims Tod viel Geld geerbt hatte, bot seinem Verwandten Unterstützung an, der aber hatte es abgelehnt, und sich so nach und nach ein wenig Reichtum selbst erarbeitet. Ali Baba betrachtete seinen Verwandten mit großer Achtung, der aber vergaß die Hilfsbereitschaft seines Verwandten nie.
So besuchte Abdullah Ali Baba sehr gerne. Nicht nur die Freundschaft der beiden Männer war der Grund, es lag auch an Mardschana, der schönen Sklavin. Abdullah liebte und schätzte diese schöne und kluge Frau und liebte es, in ihrer Nähe zu sein.
Auch Mardschana schien ihn gerne zu mögen. Doch sie blieb zurückhaltend, denn ihr Herz und ihre Treue gehörten einzig und allein Ali Baba, ihrem Herrn. Doch sah sie wohl, dass Ali Babas Herz allein an seiner Frau hing. Abdullah dagegen erinnerte sie an Ali Baba. Das verwirrte sie noch mehr, besonders dann, wenn die beiden zusammen standen und in der gleichen Weise miteinander scherzten.
Abdullah war auch der junge Mann, den der Räuberhauptmann kennen lernte. Sie beide hatten einander viel zu erzählen, denn sie waren beide weit gereist. Abdullah durch seine Wanderfahrten, Kwadschah Hassan durch sein Räuberleben. So plauderte Abdullah gerne mit dem Fremde, auch wenn er ihm immer ein bisschen düster erschien, und er hin und wieder daran zweifelte, ob der Fremde wirklich mit Tüchern handelte und wirklich so reich war.
Eines Tages saßen der Räuberhauptmann und Abdullah wieder zusammen, als Ali Baba Abdullahs Laden betrat. Der Hauptmann zuckte zusammen, als er Ali Baba erblickte, denn er erkannte ihn sofort. Ali Baba dagegen erkannte sein Gegenüber nicht. Er war nun bartlos und braun und nicht wie früher bärtig und bleich.
Ali Baba unterhielt sich eine Weile mit den Beiden. Dann ging er wieder. Kaum war er gegangen, fragte der Hauptmann und bemühte sich dabei, seine Stimme unter Kontrolle zu haben: „Wer war dieser Mann? Ist er Kaufmann, wie ich? Er interessiert mich sehr.“
„Das war Ali Baba, mein Vetter, ein äußerst liebenswerter und reicher Mann, der von allen Menschen geschätzt wird.“„Dein Vetter?“ Der Hauptmann war nun wirklich verblüfft. „Genau“, erwiderte Abdullah. „Mein Vetter und mein väterlicher Freund, bei dem ich oft zu Gast bin.
Er war einst ein armer Holzfäller, bis er reich wurde. Niemand weiß, warum. Und dann erbte er auch noch das Vermögen seines Bruders. Dazu erbte er auch noch Mardschana, die schönste und klügste Sklavin des Morgenlandes.“ „Interessant“, entgegnete der Hauptmann. „Ich würde ihn zu gerne einmal kennen lernen. Er war mir auf den ersten Blick sympathisch.“
„Das kann ich verstehen“, erwiderte Abdullah. „Du hast einen guten Blick für Menschen. Nichts ist einfacher für mich, als dich mit ihm bekannt zu machen. Er ist sehr gastfreundlich und wird dich sicher gerne einladen.“
Als Abdullah beim nächsten Mal bei seinem Vetter zu Gast war, erzählte er ihm von Kwadschah Hassan. Er schilderte ihn als reichen und weit gereisten Händler, der mit schönen Tüchern, Brokaten und Teppichen handele. Ali Baba war gern bereit, den Mann kennen zu lernen.
Als Kwadschah Hassan dann bei Ali Baba zu Gast war, aß und trank man fröhlich miteinander. Ali Babas Frau erstrahlte in schönem Glanz und zog alle Aufmerksamkeit auf sich. Auch Mardschana war zu Gast, doch hing sie an Abdullahs Lippen und achtete wenig auf den Fremden. Den hatte sie hinter seiner Verkleidung nicht erkannt.
Der Hauptmann fühlte sich an diesem Abend nicht besonders wohl. Er musste immer wieder an die Nacht denken, in der seine Kumpel gestorben waren. Und immer wieder überkam ihn die Rachsucht. Heimlich streichelte er unter seinem Gewand seinen scharfen Dolch.
„Bald ist die Stunde der Wahrheit gekommen“, dachte er sich. „Da werden sich die Weiber zurückziehen und dann werde ich die beiden Männer erlegen, die jetzt noch so fröhlich lachen und essen. Ich werde zuerst Ali Baba den Dolch in den Rücken stoßen, dann, wenn Abdullah versucht, ihm zu Hilfe zu kommen, werde ich ihm die Kehle durchschneiden.“
Es überkam ihm jedoch Unbehagen, wenn er an das Haus dachte. Jetzt erzählte Ali Baba gerade eine lustige Geschichte, zu der alle herzlich lachten. Schnell, um nicht aufzufallen, lachte der Hauptmann laut mit. Bei diesem Lachen zuckte Mardschana zusammen. Sie erinnerte sich, dass sie das Lachen schon einmal gehört hatte, konnte sich aber nicht erinnern, wo das gewesen war.
Aber sie beschloss, den Fremden nicht aus den Augen zu lassen. Dann, als es soweit war, dass sich Ali Babas Frau zurückziehen wollte, sagte sie: „Ich bin noch so wach. Es ist so ein wunderschöner Abend. Zu gerne würde ich einmal für die Gäste tanzen, wie ich es früher schon einmal getan habe.“
Alle waren sehr verwundert, doch Abdullah rief begeistert aus: „Oh ja, Mardschana, tanze für uns. Das ist eine wunderbare Idee!“
Alle waren angetan von dieser Idee, nur der Hauptmann knirschte innerlich mit den Zähnen. Und er beschloss, seinen Plan zu ändern, und Ali Baba und seinen Vetter während des Tanzes umzubringen. Mit den Frauen würde er dann ein leichtes Spiel haben.
Unterdessen ging Mardschana in einen anderen Raum, um sich fertig zu machen. Sie rief eine andere Sklavin zu sich, die die Schellentrommel schlagen sollte. Dann kleidete sie sich mit einem Schleiergewand an. Darunter aber versteckte sie einen messerscharfen Dolch.
Dann traten Mardschana und die Sklavin in den Raum zurück und begannen, zu tanzen. Sie tanzte so wunderschön, dass sie alle in den Bann zog. Ihr biegsamer Körper bog sich graziös in alle Richtungen. Und dann, als Ali Baba eine lustige Bemerkung machte und Kwadschah Hassan herzlich lachte, fiel es Mardschana wie Schuppen von den Augen und sie erkannte ihn wieder.
Aus den Augenwinkeln sah sie nun, dass der Hauptmann aufgestanden war und hinter Ali Baba getreten war. Da tanzte sie auf ihn zu, riss ihren Schleier herunter, zog ihren Dolch und stieß ihn dem Hauptmann in die Brust. Der sank ohne einen Laut zu Boden.
Ali Baba aber war aufgesprungen, rannte auf Mardschana zu und stieß sie zu Boden. „Bist du des Wahnsinns!“, schrie er. Und seine Frau beugte sich über den Hauptmann und schluchzte: „Es ist tot.“ Schluchzend richtete sich Mardschana auf und verbarg das Gesicht in ihren Händen.
„Oh Herr“, schluchzte sie. „Es ist der Räuber, den ich ermordet habe. Ich erstach ihn, weil er sonst dich erstochen hätte. Ich habe ihn vorhin an seinem Gelächter wieder erkannt.“ Und sie schlug sein Gewand zur Seite, dass alle den Dolch sehen konnten, den er darunter verborgen hatte.
Noch später sprach man immer wieder von diesem Abend, der so schön angefangen und so schrecklich geendet hatte. Dann aber, als alles vorbei war, erkannte Ali Baba seine wundersame Rettung und es überkam ihn ein großes Glücksgefühl.
„Jetzt, wo alles vorbei ist, gibt es nur noch zwei Dinge zu tun“, sagte er. „Wir müssen Allah danken, und wir müssen dich, gute Mardschana endlich frei geben. Du warst meine treuste Gefährtin und Dienerin, und dir verdanke ich mehrfach mein Leben. Darum sollst du nicht länger meine Sklavin sein.
Schon lange habe ich bemerkt, Madschana, das dein Herz für Abdullah schlägt. Es fällt mir schwer, dich an ihn abzugeben, doch ich spüre, dass ihr einander verbunden seid, und nur nicht zueinander findet, weil du in Treue zu mir stehst.
Jetzt aber werde ich euch beiden ein wunderschönes Hochzeitsfest anrichten. Und an deinem Fest sollst du, Mardschana noch einmal so wundervoll tanzen, aber ohne einen Dolch in deinem Gürtel. Abdullah war aufgestanden und wollte Madschana sofort umarmen, sie aber trat zu Ali Baba und verbeugte sich tief vor ihm. Und dann begann sie, vor Freude zu weinen.
Abdullah wurde ein Mann von großen Ansehen und großem Reichtum, und Mardschana blieb treu und glücklich an seiner Seite. Ali Baba wurde ein alter weiser Mann voller Liebe und Heiterkeit.
Eines Tages ging er die alten Wege durch den Wald, wie er es so oft als Holzfäller getan hatte. Dann eines Tages stand er vor dieser Höhle und rief das Zauberwort: „Sesam öffne dich.“ Und die Höhle tat sich auf.
Da trat er ein und sah, was er auch früher gesehen hatte: Gold und Edelsteine aus Diamanten, Saphiren, Topasen und Türkisen. Er sah Korallen, Samt und Seide, Brokat, Sandelholz, Aloe und Ambra. Ali Baba stand stumm mitten in der Höhle und schaute sich um. Dann beschloss er, das Geheimnis der Höhle mit in sein Grab zu nehmen.
Es wusste, all diese Schätze würden nur Unglück über die Menschen bringen. Hass und Gier würde unter den Menschen entstehen, Neid und Missgunst. „Wenn Allah will“, dachte er, „Wird es einmal einen Menschen geben, der diese Höhle finden und das Zauberwort kennen wird. Aber wann das sein wird, das soll Allah allein entscheiden.“ Und so trat er aus der Höhle hinaus ins Freie. „Sesam schließe dich“, sagte er, und die Höhle schloss sich hinter ihm.
So erzählte Scheherazade, und der König hörte ihn aufmerksam zu. „Ich glaube nicht, dass ich so wie er gehandelt hätte“, sagte er dann. „Vielleicht liegt es daran, dass es mir an Weisheit mangelt.“ Scheherazade war klug genug, nicht darauf zu antworten.
„Erzähl mir ein weiteres Märchen“, forderte der König dann. „Aber so ein richtiges Zaubermärchen. Oder kennst du keins?“ „Gewiss doch. Es gibt viele alte Zaubermärchen“, sagte Scheherazade. „Das Schönste aller Märchen allerdings ist die Geschichte von Aladdin und der Wunderlanpe.“
„Dann erzähl mir von diesem Aladdin und seiner Wunderlaterne“, befahl der König. „Wunderlampe“, verbesserte Scheherazade. Und dann begann sie, zu erzählen.
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