Mary betrauerte den Verlust ihr ganzes restliches Leben lang. Nach der Ehe mit einem Genie, beschied sie einem Verehrer, der um ihre Hand anhielt, könne sie nur noch ein weiteres Genie heiraten. Da sich keines mehr einfand, blieb sie allein, sorgte für die Herausgabe von Shelleys gesammelten Werken und verfasste daneben zahlreiche eigene Romane und Erzählungen. Unsterblich gemacht aber hat sie ihr Erstling - die Geschichte vom unglücklichen Ungeheuer, das schon bald mit dem Namen seines Erzeugers Frankenstein belegt wurde. Noch 200 Jahre nach seiner Entstehung treibt das Monster munter sein Unwesen - allerdings schon längst nicht mehr in Ingolstadt. Als echter Jahrhundert-Star hält es sich vorzugsweise dort auf, wo man als Star heutzutage leben MUSS: in Hollywood. Und fällt dort auch fast gar nicht auf.
Während einer Gewitternacht am Genfersee brachte Mary Shelley ihre Geschichte von Frankensteins Monster in romantischer Runde auf die Welt. Sie wurde am 30. August 1797 geboren und war schon mit 16 Jahren sehr unkonventionell.
Der Typ hat schon was: Straffe Haut, ein muskulöser Körper, schwarz-glänzendes Haar und strahlend weiße Zähne. Ein bisschen groß ist er vielleicht mit seinen 2 Metern 44. Und arg blass. Die schwarzen Lippen sind auch nicht jedermanns Sache. Dazu der wässrige Blick aus tiefen Augenhöhlen ... eigentlich kann einem da direkt bange werden.
Aber genau so soll es ja auch sein. Denn der Kerl ist ein Monster, und als solches ist er perfekt. Entstanden ist er am Genfersee in einer stürmischen Gewitternacht. Eine Gruppe von Engländern verbrachte dort gemeinsam den Sommer, darunter der Dichter Percy Shelley und seine 18jährige Lebensgefährtin Mary Godwin. Weil es ununterbrochen regnete, erzählte man sich vor dem Kamin Schauergeschichten - und Mary schoss dabei den Vogel ab. Ihre Story handelte von dem größenwahnsinnigen Schweizer Viktor Frankenstein, der während seines Studiums in Ingolstadt beschloss, es Gott gleich zu tun und ein menschenartiges Wesen zu erschaffen. Die Sache geht bekanntlich nicht gut aus: Das Monster, made in Bayern, entwickelt aus verzweifelter Einsamkeit einen Zerstörungsdrang, den auch sein Schöpfer nicht mehr aufhalten kann.
Ein halbes Jahr nach dem verregneten Sommer wurde die Geschichte von Frankenstein anonym veröffentlicht - der Name des Autors wurde nicht genannt. Aus dem Vorwort, geschrieben von Percy Shelley, schloss die Leserschaft jedoch messerscharf, dass das Werk aus Shelleys Umkreis stammen musste. Auf seine Frau Mary allerdings kam niemand, schon allein deshalb, weil ein normales weibliches Wesen nach allgemeiner Übereinkunft gar nicht in der Lage war, sich so entsetzliche Dinge auszudenken. Dennoch war dann niemand wirklich überrascht, als Mary sich anlässlich der zweiten Auflage zu ihrem Frankenstein bekannte. Bei so einer Herkunft war von der Frau ja im Grunde gar nichts anderes zu erwarten!
Mary Shelley war nämlich die Tochter der engagierten Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft. Diese hatte zwar die Geburt ihres Kindes am 30. August 1797 nur um wenige Tage überlebt, doch der Vater der kleinen Mary hatte ähnlich liberale Ansichten wie seine verstorbene Frau.
Das Ergebnis seiner ungewöhnlich freien Erziehung war ein gebildetes und selbstbewusstes Mädchen, das von Konventionen nicht viel hielt. Mit 16 verliebte sich Mary in den verheirateten Percy Shelley und folgte ihm auf eine Europareise, von der sie schwanger zurückkehrte. Erst zwei Jahre nach der Geburt des gemeinsamen Kindes konnten die beiden heiraten. Das Glück währte allerdings nur wenige Jahre: Percy Shelley kam anno 1822 bei einem Sturm auf hoher See ums Leben - eine durchaus würdige Todesart für einen romantischen Dichter.
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