Die Felsenstadt Petra im heutigen Jordanien war bis ins 3.Jahrhundert n. Chr. als blühende Handelsstadt der Nabatäer bekannt. Am 22. August 1812 entdeckte der Schweizer Johann Ludwig Burckhardt die sagenhaften Ruinen.
Auf den ersten Blick war Johann Ludwig Burckhardt in seiner Verkleidung von einem muslimischen Pilger nicht zu unterscheiden. Und so schöpften die misstrauischen Beduinen keinen Verdacht, als sich ihnen ein gewisser Scheich Ibrahim vorstellte. Unter dem Vorwand, am Grabe von Moses Bruder Aaron beten zu wollen, fragte er nach Petra, der legendären Hauptstadt der Nabatäer, die er seit Jahren vergeblich suchte. Tatsächlich wies man ihm den Weg zu der Schlucht des Siq im heutigen Jordanien, wo der biblische Urvater Moses mit seinem Stab Wasser aus dem Felsen geschlagen haben soll. Am 22. August 1812 fand er sie dann, am Ende der Schlucht inmitten eines Kessels, die uralte, ebenso geheimnisvolle wie zauberhafte Stadt, ganz aus dem Felsen gehauen - verfallen, doch unzerstört.
Wenn es stimmt, dass wirklich fesselnde Schönheit etwas mit Gegensätzen zu tun hat, dann ist Petra der lebende Beweis dafür. Besser gesagt, der tote.
Womit wir auch schon beim ersten Grundwiderspruch wären. Denn die ausgestorbene Stadt Petra wirkte auf den Schweizer Abenteurer Burckhardt lebendiger als mancher der reich bevölkerten Orte seiner alpenländischen Heimat. Schon der heute so nicht mehr existierende Eingang, ein von Menschenhand wundervoll geformter Bogen über der wildzerklüfteten Klamm, muss ein unvergleichlicher Anblick gewesen sein. Und dann in der Tiefe der Stadt die fast 50 Meter hohe, fein ziselierte Felsenfassade eines Tempels, gehauen in eine grobe, zerrissene Steilwand. Ein Bauwerk wie ein riesiger, geschliffener Edelstein, changierend in den Regenbogenfarben verschiedenster Gesteinsschichten, wie geschaffen für das kontrastreiche Spiel von Licht und Schatten in den Säulen, Statuen, Reliefs, Kapitellen, Spalten, Eingängen und Fenstern. Da bewegt sich so viel, dass man auf Menschen eigentlich verzichten kann.
Dabei hat es dort natürlich einmal - etwa um 300 vor Christus - viele Einwohner gegeben. Petra war am Knotenpunkt von sechs Karawanenstraßen gelegen. Als Hauptstadt des "Karawanenstaates" Arabia Petraea kontrollierte es den Warenaustausch zwischen dem Persischen Golf und dem Roten Meer. Karawanenstaat deshalb, weil die Nabatäer ein Volk bildeten, dessen Männer ständig unterwegs waren: Handelsbeauftragte und Karawanenführer durch die Wüste, die Kamele beladen mit kostbaren Warenballen, Gewürzen, Elfenbein und duftenden Harzen. Immer in Geschäften, nie in kriegerischer Absicht.
Auch das soziale Leben in Petra war bemerkenswert. Der griechische Historiker Strabo schrieb über die Nabatäer gegen Ende des 1. Jahrhunderts vor Christus:
"Sie sind in allem genügsam, mäßig und von Fleiß getrieben. Vermehrt jemand sein Eigentum, wird er belohnt. Vermindert er seinen Besitz, wird er bestraft. Sie halten kaum Sklaven. Sie bedienen sich untereinander. Sie arbeiten jeder für jeden. Selbst die Mächtigen halten sich daran. Niemand trinkt mehr als elf Becher Wein. Die Häuser sind aus Stein gebaut. Ihre Stadt ist von keiner Mauer umgeben, weil sie an den Frieden glauben."
Tatsächlich wurde Petra, was im Griechischen Stein bedeutet, nie erobert.
Irgendwann im 3. Jahrhundert hat dann Palmyra Petra aus dem Karawanengeschäft verdrängt, der Ort geriet in Vergessenheit. Nur ein paar Nomaden und einige Ziegen lebten noch darin. Bis der Schweizer Scheich kam, der sich Ibrahim nannte, aber, das hatten wir ja schon. 1985 wurde Petra in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen und im Juli 2007 zu einem der sieben neuen Weltwunder erklärt.