Erst 26 Jahre alt war der Jurist Hugo Grotius, als er den Papst gegen sich aufbrachte. Grotius blieb unbequem und handelte sich lebenslange Festungshaft ein. In einer Bücherkiste gelang ihm die Flucht.
Gäbe es keine Bücher - die Welt wäre eine andere. Ob Bibel oder Koran, ob Das
Kapital von Karl Marx oder der Quelle-Katalog: Jedes dieser Werke hat unser Leben auf irgendeine Art und Weise beeinflusst. Sogar Schriften, die längst verloren und deren Verfasser vergessen sind, wirken noch nach, indem spätere Gelehrte durch sie zu
Gedanken angeregt wurden, die bis auf den heutigen Tag unser Dasein prägen.
Unüberschaubar ist das Heer der großen Geister, der Dichter, Denker und Forscher, die zwar Epochales geleistet haben, aber nicht ins allgemeine Bewusstsein
eingegangen sind.
Who is who
Auch der Niederländer Huigh de Groot gehört zu ihnen. Unter der latinisierten Form seines Namens, Hugo Grotius, ist er, der Zeitgenosse von Rembrandt und Vermeer, zwar ein wenig bekannter, aber dass das, was er geschrieben hat, im 21. Jahrhundert noch eine Rolle spielen soll, kann sich kaum jemand vorstellen.
Grotius war 26 Jahre alt, als ein auf Latein abgefasstes Buch aus seiner Feder
erschien. Es hieß "Mare Liberum - Von der Freiheit der Meere", und seine Kernaussage lautete, dass die Weltmeere gemeinsames Eigentum aller seien. Daraus zog der Jurist Grotius die Schlussfolgerung: "Nach dem Völkerrecht steht die Schifffahrt jedem
Beliebigen zu jedem Beliebigen frei." Papst Paul V. setzte die Schrift sofort auf den
Index. Einer seiner Vorgänger, Alexander VI., hatte nach der etwas mehr als ein
Jahrhundert zurückliegenden ersten Reise von Christoph Kolumbus das neu entdeckte Land den Königen von Spanien und Portugal zugesprochen und Seefahrern anderer Nationen verboten, dorthin zu segeln. Das galt! Und nicht ein sogenanntes Völkerrecht, von dem nie ein Mensch gehört hatte.
So ist es, weil es immer so war
Vierzehn Jahre später folgte ein weiteres Buch: "De Iure Belli ac Pacis – Über das Recht des Krieges und des Friedens". Es ist das wichtigste von Grotius´ Werken, denn hier taucht zum ersten Mal der Gedanke auf, dass sowohl Völker als auch
Einzelpersonen bestimmte Rechte haben, die in der Natur des Menschen wurzeln - und dass der einzige gerechte Grund für einen Krieg eine Verletzung dieser Rechte ist.
Andere Philosophen haben diesen Gedanken weiterentwickelt; er fand Eingang in die amerikanische Unabhängigkeitserklärung sowie in die Charta der Vereinten Nationen - und vermutlich hätten wir ohne Grotius heute kein Grundgesetz, das Menschrechte, wie den Grundsatz der Gleichheit aller, anerkennt.
Hugo Grotius´ Leben verlief nicht unbedingt geradlinig. Im Dreißigjährigen Krieg wurde er, der zwar fromme, aber liberale Christ, von orthodoxen Calvinisten gefangen
genommen, des Hochverrats beschuldigt und zu lebenslanger Haft verurteilt. Immerhin durfte seine Frau Maria in der Wasserburg Loevestein, wo er einsaß, für ihn kochen, und regelmäßig brachte man ihm in einer großen Kiste Bücher. Zwei Jahre lebte er auf Loevestein. Am 22. März 1621 aber befanden sich in der Kiste, die Maria Grotius und das Dienstmädchen Elsje van Houwenigen aus der Burg schleppten und auf ein Boot verluden, keine gelesenen Bücher, in ihr kauerte der Gelehrte selbst. Zwei Stunden musste er ausharren, ehe er heraussteigen und als Maurer verkleidet die Flucht